BSI: „Der Cyberraum ist ein großes Haifischbecken“
Im Internet taucht ständig neue Schadsoftware auf. Security-Experten beobachten immer neue und gefährlchere Angriffsformen. Dahinter steht eine boomende Industrie der Cyberkriminellen. Versicherungen reagieren mit angepassten Produkten.
„Der Cyberraum ist ein Haifischbecken“, warnt Hartmut Isselhorst, Leiter des Bereichs Cybersicherheit beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). „Gehen sie davon aus, dass der Angreifer in ihre Systeme eindringen wird“, warnt er auf einer Tagung in Berlin. Die Frage sei lediglich, wie schnell das bemerkt werde und wie lange es dauere, bis man das in den Griff bekomme. Denn laut einer Studie vergehen durchschnittlich 156 Tage, bis ein solcher Vorfall auffällt.
Wir seien uns des Ernstes der Situation nicht bewusst, warnte der Sicherheitsexperte: „Jedes Unternehmen wird angegriffen, das ist einfach der Standard.“ Einen Mangel an Schwachstellen hätten die Angreifer nicht, allein in Standardprogrammen würden pro Woche rund 100 neue Sicherheitsprobleme entdeckt.
Schadsoftware wird schon industriell hergestellt
Für die Attacken stehe Kriminellen „ein ganzer Zoo von Angriffswerkzeugen“ zur Verfügung, sagte Isselhorst. Dahinter verberge sich ein eigener Wirtschaftssektor: „Wir haben eine ganze Industrie, die Exploit-Kits herstellt, und die boomt.“ So würde Schadsoftware in industrieller Fertigung produziert, „Tausende pro Tag“. Dazu kämen Bausätze, sogenannte Malware Construction Kits, „mit denen können sie ohne besondere Kenntnisse ihre eigenen Angriffswerkzeuge bauen“. Und das schon ab 100 $. Ein Dienstleistungsbereich etwa vermiete Botnetze, das sind gekaperte und zusammengeschaltete Rechner, mit denen man zum Beispiel große Spamattacken starten kann.
„Der Sektor boomt, die machen richtig Geld“, so der BSI-Vertreter. Es existierten derzeit rund 1200 Botnetze. Inzwischen würden mit Vorliebe Server gekapert, denn „die haben leistungsstarke Anbindungen an das Internet, mit denen man mehr Traffic generieren kann“. Das BSI-Lagezentrum registriere täglich mindestens fünf große Spamwellen mit einem Gesamtaufkommen von etwa 1 Mio. E-Mails. „Diese Mails enthalten Malware, die noch von keinem einzigen Antivirusprodukt erkannt wird.“
Wird ein Computersystem für Botnetze gekapert, schauen die Täter nebenbei nach verwertbaren Daten wie Onlineidentitäten oder Passwörtern und bei Unternehmensrechnern nach Informationen zum Weiterverkauf für Industriespionage. Es kommt auch vor, dass große Datenmengen vernichtet werden: Bei einem Einbruch in das Netz der Erdölfirma Saudi-Aramco im August 2012 wurden auf einen Schlag 30 000 Rechner gelöscht, so Isselhorst.
Kombiangriffe auf Server sind besonders gefährlich
Das BSI beobachtet immer neue Angriffsformen, so neuerdings Kombi-Angriffe, die mit einer „Denial of Service“-Attacke (DoS) beginnen. Diese würde zwar schnell bemerkt, aber währenddessen folge ein Spionageangriff. „Der geht dann durch, weil die ganze IT mit der ersten Attacke beschäftigt ist.“ Die Entdeckung von Cyberspionage sei besonders schwierig und erfolge meistens durch Zufallstreffer, wenn Merkwürdigkeiten auf den Systemen auffielen.
Die letzten Angriffe auf die deutschen Regierungsnetze seien mit Standardverfahren überhaupt nicht zu erkennen gewesen. Isselhorst resümierte: „Im Augenblick haben die Cyber-Kriminellen das Oberwasser.“ Daher gründete das BSI zusammen mit dem Branchenverband Bitkom eine „Allianz für Cybersicherheit“, um den Erfahrungsaustausch zu fördern und einen zentralen Informations-Pool zu bilden.
Erste Versicherungen gegen Schäden aus Hackerangriffen
Seit letztem Jahr hat sich auch die Versicherungswirtschaft auf die Situation eingestellt und bietet Cyberversicherungen an, sagt Versicherungsspezialist Sven Erichsen. Derzeit gebe es fünf Anbieter, deren Prämienvolumen belaufen sich in den USA auf rund 1 Mrd. $ jährlich, mit 20 % bis 30 % Steigerung.
In Deutschland handele es sich trotz boomender Internetwirtschaft noch um eine Nische. Dabei seien die Kosten mit vier- bis fünfstelligen Prämien bei sechs- bis siebenstelliger Versicherungssumme vergleichsweise günstig. „Das wird eine Versicherung sein, die jedes Unternehmen zukünftig haben wird“, prognostizierte Erichsen.
Es gibt es keine Systeme mehr, die vor Angriffen sicher sind: „Inzwischen wurden erste Viren für Herzschrittmacher gefunden“, berichtete Claudia Eckert vom Münchener Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit AISEC.
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