Den Flaschenhälsen in IT-Prozessen auf der Spur
Viele softwaregestützte Prozesse laufen zwar in der Theorie glatt, in der Praxis aber holprig. Process-Mining-Software versucht, sie zu analysieren und zu optimieren und Flaschenhälse zu vermeiden. Erste Produkte in diesem neuen Marktsegment sind schon auf dem Markt.
Business Intelligence und Analytics sind genauso auf dem Vormarsch wie Business Process Management. Wendet man analytische Methoden auf Daten über Geschäftsprozesse an, gelangt man zu einer Unterdisziplin beider Bereiche, dem (Business) Process Mining. Es versucht, mit Algorithmen dem realen Ablauf softwareunterstützter Geschäftsprozesse und ihren Störungen auf die Spur zu kommen. Marktzahlen zu diesem speziellen, recht neuen Segment des Softwaremarkts gibt es noch nicht.
Im Prinzip werden beim Process Mining Daten und Tabellen zum Beispiel aus dem Kundenbeziehungsmanagement (CRM), der betrieblichen Software (ERP) und den Ticketing- oder Produktionsmanagementsystemen in eine Datenbank gefüllt und dann analysiert. Als Ergebnis erscheinen interaktive Prozessgrafiken, die jeden Prozess mit allen seinen Schritten und Verzweigungen, unerwünschten Schleifen und Sackgassen inklusive der jeweiligen Fallzahl pro Schritt in unterschiedlichen Detaillierungstiefen darstellen.
Entsprechende Technologien wurden zunächst an niederländischen Universitäten entwickelt und führten dort auch zu Firmengründungen. Die niederländische Firma Clickview ist auf Workflows im Klinikbereich, besonders in der Frühgeborenenstation, spezialisiert. Fluxicon verspricht mit der Lösung „Disco“ visuelle Einblicke in die Prozesse aus Rohdaten innerhalb von 5 min.
Auch in Deutschland gibt es mit Celonis ein Softwarehaus, das auf ähnliche Technik setzt und derzeit drei Produkte anbietet: Celonis Orchestra für das IT-Servicemanagement, Celonis Pathfinder für die Analyse von Klinikinformationssystemen (KIS) und Celonis Discovery für die Anbindung an ERP-Lösungen. Das Start-up wurde vor Kurzem vom Bayerischen Wirtschaftsministerium als Teilnehmer am German Silicon Valley Accelerator ausgewählt. Das dreiköpfige Management kennt schon aus der studentischen Unternehmensberatung Academy Consult München e. V. die Tücken der Prozessanalyse. Bastian Nominacher, heute Geschäftsführer des Unternehmens: „Mit gängigen Business-Intelligenz-Lösungen muss man für jede Detailfrage praktisch alles neu aufsetzen, was sehr viel Arbeit kostet.“
Unproduktive Prozessschleifen werden sichtbar gemacht
Zusammen mit den beiden anderen Celonis-Gründern Martin Klenk und Alexander Rinke sah man hier seit 2009 eine Marktlücke, entwickelte eine eigene Lösung und bereitete die Gründung von Celonis im Herbst 2011 vor.
„Wir haben dabei besonders auf die Schnittstellen zwischen der Datenbank und der Analytik geachtet“, erklärt Nominacher. Denn hier liege die Schwachstelle der meisten Process-Mining-Tools. Sie seien zwar analytisch gut, kämen aber mit Datenmassen, wie sie bei größeren Unternehmen oder Organisationen anfallen, schlicht nicht zurecht. Die Celonis-Produkte können Tausende Tabellen aus den zu analysierenden Systemen verwerten, deren Daten zueinander in Beziehung setzen und so die Geschäftsprozesse abbilden.
Unproduktive Prozessschleifen werden dabei genauso sichtbar wie beispielsweise das verbotene Überspringen von Freigaben. In der Praxis sind die Celonis-Produkte etwa beim Bayerischen Rundfunk, wo ein IT-Serviceleitstand entwickelt wurde, oder bei Bosch Siemens Hausgeräte im Einsatz.
Frank Niemann, Principle Consultant beim Marktforschungsunternehmen Pierre Audoin Consultants (PAC), meint zu dem neuen Marktsegment: „Der Bereich Process Mining ist spannend, denn Firmen brauchen solche Produkte, um IT-gestützte Prozesse zu optimieren und flexibler zu machen.“
Der Erfolg einer IT-gestützten Prozessanalyse ist am Ende nur so groß wie die Bereitschaft des betroffenen Unternehmens, tatsächlich Änderungen an den Geschäftsprozessen durchzusetzen. Doch oft bleiben trotz zutreffender Analyse geplante Veränderungen im Dickicht der Firmenhierarchie hängen – was nicht an der IT liegt.
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