3M entwickelt Smart-Grid-Technik 23.07.2013, 13:49 Uhr

„Der effizienteste Ansatz, um das Stromnetz intelligent zu machen“

Der US-amerikanische Technologiekonzern 3M soll sich unter der Regie seines schwedischen CEO Inge Thulin mehr in Richtung Nachhaltigkeit orientieren. Neu geschaffen wurde dafür das Geschäftsfeld Smart Grids. Paul Wienen, Europachef dieses Bereiches, erklärt im Interview mit den VDI nachrichten, wo er Marktchancen sieht und wie 3M die drängendsten Probleme der Kunden lösen will.

Smart Grid zum Nachrüsten: Mit der Entwicklung wie einer Mittelspannungs-Kabelgarnitur mit integrierter Mess-Sensorik will 3M am Markt für intelligente Stromnetze teilhaben. Mit der Kabelgarnitur mit dem Namen "Sensored Cable Accessories" lassen sich klassische Ortsnetzstationen ertüchtigen, um Netzparameter in Echtzeit überwachen zu können.

Smart Grid zum Nachrüsten: Mit der Entwicklung wie einer Mittelspannungs-Kabelgarnitur mit integrierter Mess-Sensorik will 3M am Markt für intelligente Stromnetze teilhaben. Mit der Kabelgarnitur mit dem Namen "Sensored Cable Accessories" lassen sich klassische Ortsnetzstationen ertüchtigen, um Netzparameter in Echtzeit überwachen zu können.

Foto: 3M

VDI nachrichten: Was bedeutet die Ausrichtung von 3M in Richtung Nachhaltigkeit für die Verteilung des Budgets im Bereich Forschung und Entwicklung (F&E), auch für den neu geschaffenen Bereich Smart Grids?

Wienen: Wir haben, gerade was die Energietechnik angeht, traditionell immer schon einen Schwerpunkt in Europa gehabt. Für einen weltweit agierenden Konzern wie 3M – mit der Zentrale in den USA – stellt sich immer die Frage, wie die Balance zwischen den Regionen aussieht.

Das ist die Botschaft unseres CEO Inge Thulin: Wenn es darum geht, die Technologieentwicklung voranzutreiben, spielt Europa dabei eine zentrale Rolle. Denn hier sind auch die Forschungszentren vieler anderer Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten. Deswegen gibt es sicher auch eine regionale Schwerpunktsetzung in Richtung Europa.

Dies gilt speziell für den Bereich Smart Grid, der eine Konversion einer Reihe von Technologien bedeutet. Das ist derzeit das Spannende für uns: einen traditionell sicherheitsorientierten Sektor wie die Energietechnik beim Übergang hin zu smarten Technologien zu unterstützen.

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Das Portfolio für den neuen Geschäftsbereich Smart Grid will 3M mit eigenen, bestehenden Produkten, aber vor allem auch mit Neuentwicklungen und – als weitere strategische Option – mit Zukäufen abdecken. Über welche Zeiträume wird da nachgedacht? Was sind die Sektoren, wo 3M als Nächstes entweder entwickeln oder zukaufen müsste?

Die Dringlichkeit teilen uns unsere Kunden mit. Für sie ist es wichtig, wie sie ihre Klimaschutzziele europaweit erfüllen können, wie eine beschleunigte Roadmap aussehen kann. Es stellt sich für sie die Frage, wo der effizienteste Ansatz ist, um das Netz intelligent zu machen.

Die Ausgangssituationen und damit auch die dringlichsten Fragestellungen sind, sieht man sich Europa an, regional sehr unterschiedlich. Einige Länder haben sehr stark mit Smart Metering begonnen, Deutschland hat zum Beispiel einen Vorsprung im Bereich der erneuerbaren Energien. Genau da müssen wir unsere Kunden jeweils abholen. Eine der wichtigsten Fragestellungen ist dabei, wo wir die bestehende Energieinfrastruktur möglichst effizient ertüchtigen können. Wir erkennen übergreifend gewisse Reihenfolgen, nicht alle Themen werden gleichzeitig angegangen.

Was kurzfristig in allen europäischen Ländern derzeit passiert, ist, dass das Stromnetz auf der Mittelspannungsebene in einem ersten Schritt intelligent gemacht werden muss, da ist der größte Schmerz. Dafür haben wir Mitte Juni auf dem Energie-Fachkongress CIRED in Stockholm unsere Sensored Cable Accessories vorgestellt. Das ist eine neuartige Mittelspannungs-Anschlussgarnitur mit integrierter Mess-Sensorik. Damit lassen sich in Ortsnetzstationen – quasi als Nachrüstbausatz – Parameter wie Energiefluss und Richtung, Höhe der Spannung und Frequenz kontinuierlich in Echtzeit messen.

Das ist eine Lösung, die 3M jetzt anbieten kann, sie ist jetzt entwickelt worden. Was aber ist die nächste große Baustelle, für die 3M neu entwickeln muss oder zukaufen müsste?

Jetzt stellt sich die Frage, was mit den gesammelten Daten passiert. Es gibt vorhandene Systeme, um diese Daten zu transportieren und zu analysieren. Aber was ist dafür der jeweils effizienteste Ansatz? Was ist die Phase zwei in puncto Erfassung und Automatisierung eines Stromnetzes auf der Mittelspannnungsebene?

Auch stellt sich die Frage, wie bereits vorhandene Smart-Grid-Elemente entwicklungsfähig gemacht werden können. So erfüllen zum Beispiel die Smart Meter in Italien, die dort massenweise installiert sind, nicht mehr die Anforderungen der Zukunft.

„Wenn es darum geht, die Technologieentwicklung voranzutreiben, spielt Europa eine zentrale Rolle.“Paul Wienen, Business Development Manager, Smart Grid & Related Markets, Europa

„Wenn es darum geht, die Technologieentwicklung voranzutreiben, spielt Europa eine zentrale Rolle.“Paul Wienen, Business Development Manager, Smart Grid & Related Markets, Europa

Quelle: ikt.nrw

Wo schaut 3M in diesem Punkt nach Lösungen für sich, die Sie ihren Kunden anbieten können?

Wir haben zum Beispiel einen Bereich Telekommunikationstechnik im Hause und wir schauen konkret, wie wir die dort bestehenden jahrzehntelangen Erfahrungen gezielt für den Bereich Smart Grids und diese Fragestellung nutzen können.

Was ist denn das Problem, anfallende Daten zum Beispiel aus einer Ortsnetzstation heraus in eine Leitzentrale zu bekommen?

Wir sind gerade dabei, zu eruieren, was genau die Bedarfe der Energieversorger an dieser Stelle sind. Ist die zentrale Leitstelle auch für die Mittelspannung die beste Lösung oder müssen wir auch über andere Wege nachdenken?

Der Ansatz unserer Kunden ist zum Beispiel: Wie und inwieweit könnte ein lokales Stromnetz sich nicht autark automatisch steuern, wenn zum Beispiel eine Überspannung auftritt? Das sind die spannenden Diskussionen, die jetzt geführt werden. Der „Big-Data-Wunsch“ kommt aus den Hochspannungsnetzen, wo es heute schon die großen Leitzentralen gibt, aber wenn wir Richtung Mittel- und Niederspannungsnetze gehen, stellt sich irgendwann die Frage der Praktikabilität solch eines Szenarios.

Haben Sie ein konkretes Beispiel, welche Lösung aus dem 3M-Telekommunikationsbereich auf den Stromnetzbereich transferiert werden könnte?

Wir bieten im Telekommunikationssektor schon lange ein Managementsystem für Außengehäuse an, eine softwarebasierte Lösung für das Monitoring von Telekommunikationsgehäusen im Feld. Das ist jetzt ein konkreter neuer Schritt, wo wir derzeit mit Kunden im Strombereich an neuen Lösungen arbeiten.

Ein nächstes Thema ist die Stromspeicherung. Welche Technologien sind dort am aussichtsreichsten auf den unterschiedlichsten Ebenen. Auch da sind wir gerade frisch eingestiegen. Mit der Batterietechnik sind wir – aus der Consumer-Elektronik kommend – seit Jahren unterwegs.

Jetzt geht es darum, wie wir zum Beispiel unsere Lithium-Ionen-Technologie dort am besten in bestimmten Segmenten einsetzen können. Aber auch im Mittelspannungsbereich, wenn man etwa an die Anbindung von Windparks denkt, muss man in Zukunft über Stromspeicherung sprechen.

Ist 3M im Bereich Power-to-Gas oder Elektrolyseverfahren involviert?

Nein, zwar schauen wir da hinein, weil Power-to-Gas ein Thema ist, das immer wieder aufkommt, aber wir sind technologisch nicht beteiligt. Natürlich müssen wir uns die verschiedenen Alternativtechnologien und -szenarien anschauen, um das bewerten zu können.

Ebenso wie das Thema Brennstoffzelle, das wir technologisch seit Jahren verfolgen. Das evaluieren wir derzeit, weil wir von der Membrantechnologie her kommen, die auch im Stromspeichersektor zum Einsatz kommen könnte.

Sie erwähnten die Roadmap für den Weg hin zu einem Smart Grid. Wenn man jedoch an Bottom-up-Ansätze denkt, stellt sich doch die Frage: Braucht man sie wirklich?

Es geht darum, ob man nicht eine effizientere Roadmap braucht als bisher. Es gibt ja in der EU die Roadmap bis 2020; sie ist Top-down vorgegeben, beginnt mit dem Smart Meter und geht Schritt für Schritt weiter. Was wir mit den Kunden derzeit diskutieren, ist: Wenn wir jetzt noch 360 Wochen bis 2020 haben, wie muss dann eine effizientere Roadmap aussehen?

Wenn man den Trend der Dezentralisierung hinzunimmt, dann kann es aus meiner Sicht nicht mehr eine einheitliche Roadmap geben, sondern dann ist es ein Bottom-up-Approach. Der stellt aber die Systeme vor die Herausforderung, dass die unterschiedlichen Ansätze am Ende wieder miteinander integriert werden müssen es sollen ja Standards gesetzt werden. Wie das funktionieren kann, ist eine spannende Frage.

Wenn Sie in Zukunft bei 3M so wichtig werden mit Ihrem Bereich, bekommen Sie dann in Zukunft auch mehr Leute?

Das hoffe ich. Das hängt davon ab, wie die Geschäftsentwicklung ist. Die Stärke, die wir in Europa haben, ist die Entwicklungskompetenz für neue Lösungen im Bereich Smart Grids.

Neben dem Bereich der Stromnetze hat 3M Technologien im Bereich Energieerzeugung und Energieeffizienz im Angebot, so zum Beispiel zur Beschichtung von Windblättern oder Solarmodulen. Beides Märkte, die derzeit in Deutschland ihre Krisen haben. Hat 3M da auf das richtige Pferd gesetzt?

Das ist die deutsche Sicht. Deutschland hat im Bereich erneuerbare Energien sehr viel vorangebracht. Aber ich bekomme als Europa-Verantwortlicher auch die Situation in den anderen Ländern mit. Und da gibt es eine erhebliche Dynamik im Markt, von der ich glaube, dass sie im europäischen Verbund mittelfristig auch Deutschland wieder abholen wird.

Ein Beitrag von:

  • Stephan W. Eder

    Stephan W. Eder

    Redakteur VDI nachrichten
    Fachthemen: Energie, Energierohstoffe, Klimaschutz, CO2-Handel, Drucker und Druckmaschinenbau, Medien, Quantentechnologien

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