Deutsche IT-Branche erhofft sich viel von eigenem Gütesiegel
Rund 100 Unternehmen mit über 130 Softwarelösungen sind bereits mit dem deutschen Gütesiegel „Software made in Germany“ des Bundesverbands IT-Mittelstand (Bitmi) ausgezeichnet worden. Was sich hinter diesem Siegel verbirgt und welche Auswirkungen es auf den deutschen und auch internationalen Markt haben wird, ist noch unklar.
„Bisher wird Software nicht sehr stark mit Deutschland verknüpft, sondern Software kommt aus dem Amerikanischen“, stellte Martin Hubschneider, Vizepräsident des Bundesverbands IT-Mittelstand (Bitmi) und Vorstandsvorsitzender des Kundenbeziehungsmanagement-Unternehmens CAS, kürzlich bei dem ersten nationalen Gipfeltreffen von „Software made in Germany“ in Karlsruhe fest.
Doch diese Ansicht will der Verband ändern: Dafür hat das Pendant des Mittelstands zum Branchenverband der deutschen IT- und Telekommunikationsindustrie (Bitkom) das Gütesiegel „Software made in Germany“ ins Leben gerufen. „Mit dem Qualitätssiegel ‚Software made in Germany‘ sagen wir, dass das, was im Maschinenbau, im Automobilbau, in der Medizintechnik, der Elektronik und in vielen anderen Branchen funktioniert, bei Software mindestens genau so gut funktioniert“, betonte Hubschneider.
Gütesiegel soll Sichtbarkeit deutscher Software erhöhen
Mit dem Siegel soll vor allem die Sichtbarkeit von deutschen Softwareunternehmen erhöht werden. Oliver Grün, Präsident des Bitmi und Vorstand des Softwareherstellers Grün Software, erklärte, dass es sich nicht nur um ein Siegel für Deutschland und für deutsche Kunden handle. Es solle auch bei der Internationalisierung helfen. „Auch ein ausländischer Kunde soll die Qualität von Software made in Germany wahrnehmen“, erwartet sich Grün.
Diese positive Wirkung des Siegels erhofft sich nicht nur der mittelständische Verband: Laut einer Bitmi-Studie versprechen sich 65 % der befragten 100 IT-Unternehmen eine positive Wirkung von der Etablierung eines Markenzeichens. Außerdem will der Verband die mittelständische Softwarebranche besser miteinander vernetzen und zudem ein Bewusstsein für die eigene Qualität schaffen.
„Wir wollen, dass sowohl der Markt wie auch die Hersteller selbst wissen, dass hier hoch qualitative Software hergestellt wird“, betonte Hubschneider. Er ist überzeugt, dass sich in Deutschland entwickelte Softwareprodukte trotz ihrer Komplexität durch ihre laufende Weiterentwicklung auszeichnen.
Deutsche Software soll höheren Stellenwert bekommen
Damit lehnt sich das Siegel auch an die bekannte Qualitätsmarke „Made in Germany“ an, die deutsche Ingenieursleistungen verspricht und sich weltweit etabliert hat. Der Bitmi-Vizepräsident zeigte sich optimistisch: „Gerade jetzt – auch mit den neuen Technologien Cloud-Computing und Mobile Computing – ist die Zeit, in der dieses Ingenieurhafte, Deutsche sehr glaubwürdig ist. Und eine Software made in Germany erfüllt alle diese Anforderungen.“
Dabei ist zu beachten, dass bei diesem Siegel keine tiefergehende Prüfung der einzelnen Funktionen oder der Qualität der Software erfolgt, sondern es handelt sich lediglich um ein Leistungsversprechen. Ähnlich wie bei „Made in Germany“ liegt der Anspruch auf der überwiegend in Deutschland erbrachten Wertschöpfungskette.
Hubschneider definiert die Zielsetzung des Siegels wie folgt: „Hier geht es nur um die Community. Wir sind deutsche Softwarehersteller, die mit einem hohen Qualitätsanspruch, mit Support, Serviceleistungen, Zukunftsfähigkeit und Weiterentwicklung werben wollen.“
Service muss in Deutsch erfolgen
Ein Expertenbeirat aus fünf unabhängigen Mitgliedern überprüft formal die Kriterien. So muss beispielsweise die Dokumentation für ein Softwareprodukt deutsch oder zumindest englisch sein, der Service muss in Deutsch erfolgen, eine Wartung für die nächsten Jahre muss sichergestellt sein und das Unternehmen muss fünf Referenzen für Überprüfungszwecke namentlich benennen.
Das Siegel „Software made in Germany“ befindet sich mit diesen „weichen Kriterien“ also auf der obersten Ebene der Prüfungshierarchie, so Grün. „Es ist eine reine Selbstverpflichtung für die Unternehmen“, erklärte der studierte Wirtschaftsinformatiker. Der mittelständische Verband wolle mit dem Siegel eine pragmatische Lösung schaffen und keine große Hürde für die Unternehmen aufbauen.
Trotzdem verfehle es laut Grün seine Wirkung nicht. Das Siegel habe insofern einen Wert, dass der Siegelträger mit seiner Unterschrift für die Siegelkriterien bestätige, dass er die Rechte an dieser Software habe. „Das Ganze ist eine Urheberrechtsfrage und lässt zusätzlich das deutsche Vertragsrecht gelten“, erklärte der Bitmi-Präsident. Hubschneider ergänzte, dass es sich zudem positiv auf die Standortpolitik auswirke. „Das Siegel ist auf Produktverpackungen, es wird im Internet positioniert und die Unternehmen sind stolz darauf.“
Ob es inhaltlich auch etwas bringt, ist Experten zufolge eher fraglich. Der Industrieanalyst und Patentanwalt Rüdiger Spies steht dem Siegel jedenfalls kritisch gegenüber: „Die Nennung von 100 % Service als erstes Qualitätsmerkmal finde ich an sich schon fragwürdig. Denn das Gütesiegel sollte sich tatsächlich auf die Software beziehen und nicht auf einen Zusatzaspekt. Deshalb denke ich, dass die Initiative keine große Durchschlagskraft haben wird.“
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