Deutschland noch im Glasfaser-Abseits
Im europäischen Vergleich hinkt Deutschland bei der Versorgung mit Glasfaseranschlüssen derzeit weit hinterher. Der Branchenverband FTTH-Council Europe warnt, dass dies in den kommenden Jahren zum ernsten Standortnachteil werden könnte. Einige kleine Städte und Gemeinden investieren inzwischen selbst in eine moderne Infrastruktur, um die Landflucht zu bremsen.
1 Mio. Haushalte könnten derzeit einen Glasfaseranschluss für schnelles Internet nutzen. Tatsächlich zählen jedoch nur 166 000 Haushalte zu den Kunden von Fibre-to-the-Home(FTTH)- oder Fibre-to-the-Building(FTTB)-Angeboten. „Das sind nur 0,4 % aller deutschen Haushalte“, rechnete Hartwig Tauber, Director General beim FTTH Council Europe, bei einer Pressekonferenz im Vorfeld der Fibre-to-the-Home-Konferenz Mitte Februar in München vor.
Die Non-Profit-Unternehmensorganisation mit 150 Mitgliedern will die Verfügbarkeit von Ultra-Highspeed-Zugängen für Firmen und Privatkunden vorantreiben. Zweimal jährlich lässt das Council Breitbandstatistiken erheben. Demnach nutzen in Schweden, Norwegen und Litauen rund 10 % der Haushalte einen FTTH- bzw. einen FTTB-Anschluss. Auch Frankreich, Holland, Russland und die Türkei haben einen deutlichen Vorsprung. Bei der in Deutschland vorrangig verbreiteten FTTB-Technik wird die Glasfaser bis in den Keller von Gebäuden geführt.
NetCologne ist derzeit der größte Glasfaser-Anbieter
Tauber sieht durch das fehlende Engagement im Glasfaserausbau Deutschlands Rolle als Lokomotive der europäischen Wirtschaft gefährdet. Das Council setze auf diese Technologie, weil sie „eine Fülle neuer Services ermöglicht“, so Tauber. Immer mehr Dienste beanspruchen hohe Datenübertragungsraten und breitbandige Leitungen. Dabei geht es nicht mehr nur um das Herunterladen, sondern auch um das Hochladen und die Verbreitung von Inhalten, etwa für die Arbeit im häuslichen Büro oder Anwendungen in der Telemedizin. Städtische Energieversorger und deren Telekommunikationstöchter in München, Hamburg und Köln bauen derzeit die Glasfaser-Infrastruktur als zukunftsfähige Alternative zur Kupferleitung aus. Der größte deutsche Anbieter ist derzeit Netcologne mit 250 000 angeschlossenen Haushalten und 60 000 Nutzern. Gerade haben die Deutsche Telekom und Netcologne eine gegenseitige Netznutzung vereinbart.
München will die erste Stadt mit flächendeckendem Glasfasernetz werden, so Jörg Ochs, Leiter Telekommunikation der Stadtwerke SWM. Derzeit ist ein Viertel der Haushalte in der Metropole angeschlossen. Die Nutzungsrate ist jedoch noch niedrig. Nach Beobachtungen des FTTH Council Europe liegt das speziell in Deutschland an den 24-Monatsverträgen, die Kunden mit ihren Providern geschlossen haben. Zudem sei das Marketing der Anbieter „ausbaufähig“.
Glasfaser ist billiger als Kupfer
Zu den Vorteilen von Glasfaserleitungen gehören laut Tauber die Zukunftssicherheit und die geringeren Kosten. „Diese liegen etwa für Material und Wartung um bis zu 30 % niedriger als bei Kupfer.“ Für die Kunden bestehe der Vorteil darin, dass ihnen für Videokonferenzen, Computerspiele oder Film-Downloads die gesamte Bandbreite zur Verfügung stehe, da die Leitung nicht mit anderen Nutzern geteilt werden müsse. Dabei sei die Servicequalität „permanent hoch“.
„Die Zeit drängt“, sagte Tauber. Denn zwischen der Entscheidung, ein FTTH-Netz zu bauen, und dessen Inbetriebnahme vergehen Jahre. Risiken sieht Tauber derzeit durch das Ausrollen der breitbandigen Mobilfunktechnik LTE auf dem Land. „LTE kann Glasfaser bis ins Haus in ländlichen Gebieten nicht ersetzen“, warnte Tauber. „Dies sind zwei völlig verschiedene Nutzungsszenarien.“
Kleine Städte und Gemeinden treiben den Ausbau des Glasfasernetzes voran
Um die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben, etwa um die Abwanderung von Firmen und jungen Menschen zu verhindern, bauen zunehmend kleinere Städte und Gemeinden in Eigenregie ein Netz auf. So haben etwa in Schwerte (NRW) von 15 000 angeschlossenen Haushalten schon 6200 die schnellen Verbindungen mit rund 100 Mbit/s abonniert.
„Wir sehen FTTH in ländlichen Gebieten als große Chance für die regionale Entwicklung“, sagte Tauber. „Es ist zu teuer eine Autobahn oder eine schnelle Zugverbindung in jedes Dorf zu bringen – aber es ist möglich, jeden deutschen Haushalt mit Glasfaser zu versorgen.“
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