Beschaffung 16.11.2012, 19:55 Uhr

Die Nato als Geschäftsfeld für deutsche IT-Unternehmen

Im Herzen der Nato sitzen zwei Experten, zu deren Aufgaben es gehört, die deutsche Industrie über Geschäftsmöglichkeiten vor allem im IT-Bereich bei der Nato zu informieren und zu beraten. Sie helfen, Aufträge zu ergattern und können so einen Lichtblick bieten für Firmen, die unter der Bundeswehrreform leiden.

NATO: Jedes Jahr 750 Mio. € Investitionen in IT.

NATO: Jedes Jahr 750 Mio. € Investitionen in IT.

Foto: EADS

Brüssel, Nato-Hauptquartier, Boulevard Leopold III. Ein grauer Komplex in der städtebaulichen Ödnis zwischen City und Flughafen. Die Kontrollen sind scharf, die Angst vor Anschlägen allgegenwärtig. Im Inneren des grauen Gebäudeensembles liegt das Bâtiment Z, der Sitz der IT-Beschaffungs- und Betriebsagentur des Militärbündnisses (NCIA – Nato Communications and Information Agency).

Hier werden Aufträge im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien ausgeschrieben, Großaufträge zumeist, denn für die Beschaffung von Informations- und Kommunikations-Technologie gibt die Allianz jedes Jahr gut 750 Mio. € aus. Dazu kommen noch Verträge zur Unterstützung beim Betrieb und zur Versorgung.

Nato schreibt jährlich rund 750 Mio. € für IT-Industrie aus

Adressat der Ausschreibungen ist die IT-Industrie der Nato-Staaten. Damit die Informationen den Verteidigungsministerien der Nationen, aber auch der Industrie zur Verfügung stehen, haben viele Mitgliedsstaaten Anlaufstellen eingerichtet. 20 bis 25 nationale Experten, im Bündnis-Jargon „Natexe“ genannt, informieren ihre Ministerien, beraten und betreuen die IT-Unternehmen. Zwei dieser Natexe, beide hoch spezialisierte IT-Kenner der Bundeswehr, sind Kontaktleute für die deutsche Industrie.

Zum Aufgabenheft von Oberstleutnant Axel Schüssler und seinem Kollegen Oberstleutnant Frank Rustenbach gehört es, die deutsche Wirtschaft mit Informationen zu versorgen. Konkret sind das Hinweise zu Geschäftsmöglichkeiten. Aber der Bedarf der Nato ist groß, er reicht weit über das Militärische und die Informationstechnologie hinaus. Die Nato-Büros an den Standorten müssen möbliert, beheizt und klimatisiert werden. Für den Einsatz in Krisengebieten bedarf es der Logistik wie der Ersatzteilversorgung. Auch Container, Generatoren, Wasseraufbereitungsanlagen sind wichtige Bestandteile, ohne die ein Feldlager kaum funktionstüchtig ist. Der Ankauf obliegt der in Luxemburg ansässigen Nato-Support-Agency NSPA. 1200 Mitarbeiter sorgen im Städtchen Kapellen dafür, dass das Bündnis über die nötige Ausstattung verfügt.

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Nato: „Natexe“ fungieren als Anlaufstelle für nationale Ministerien und IT-Unternehmen

„Da eröffnen sich viele Geschäftsmöglichkeiten“, sagt Axel Schüssler, „auch für kleine und mittlere Firmen aus Deutschland.“ Der Saarländer spielt den Kontaktmann, spinnt die Fäden, sollte ein deutscher Unternehmer Interesse zeigen. Das muss der Unternehmer schon zeigen, denn sowohl Schüssler als auch Rustenbach dürfen nicht selbst auf die Suche nach möglichen Anbietern gehen. „Wir dürfen nur reaktiv tätig werden“, erklärt der Berater, „bei uns gilt das Abholprinzip, hat eine Firma Interesse an einer Ausschreibung und wendet sich daraufhin an uns, dann beschaffen wir die notwendigen Informationen.“

Der bei der deutschen militärischen Delegation bei der Nato und der EU aktive Soldat berät seit Langem die deutschen Interessenten zu Vergabeverfahren, versorgt sie auch mit gezielten Informationen zu einzelnen Projekten. Die Natexe verstehen sich als Vermittler und Berater. Und beraten tun sie alle, die den Weg zu ihnen finden. Der ist einfach. Brüssels Airport liegt vor der Tür. Vertreter großer Konzerne, Experten kleinerer Unternehmen, aber auch Firmenchefs schauen regelmäßig vorbei.

Der Wirkungsbereich der Deutschen liegt auf der vierten Etage des Bâtiment Z. Ein kleines Büro, nüchtern und funktional wie alles in dieser Nato-City. Einzig die Hightech-Ausstattung, Technologie neuesten Datums, zeigt, dass hier Informationstechniker ersten Ranges arbeiten. In den Nachbarbüros sitzen die Kollegen anderer Nato-Mitgliedsländer. Nationale Experten aus Großbritannien, aus Italien, aus Frankreich. Die Wege sind kurz, der Austausch informell. Kommt Schüssler ins Gespräch mit einer Firma, deren Produkte auch für die italienische oder polnische Armee von Interesse sein könnten, so geht er einfach über den Flur und stellt vor, was ihm interessant erscheint. „Wir machen gerne Werbung für Qualitätsprodukte aus unserem Land“, sagt Schüssler bescheiden.

Berater informieren IT-Netzwerke frühzeitig über geplante Nato-Projekte

Zur Information der Industrie erstellen die beiden Experten eine Datenbank, die Projekte bereits in einer frühen Stufe der Planung bekannt macht. Akribisch tragen sie die Anschaffungsvorhaben bereits ein, bevor sie auf der Website des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle oder dem NCIA-Bulletin-Board der Nato erscheinen. Die Einträge dieser Datenbank leitet der Experte weiter an einschlägige Netzwerke der digitalen Welt. So sind etwa Bitkom als Sprachrohr der IT- und Telekommunikationsbranche oder die deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik abonniert.

Über diese Datenbank erhält die Branche schon früh die Möglichkeit, sich auf Ausschreibungen vorzubereiten. Gerne würden Schüssler und sein Kollege Rustenbach mehr tun, in der Fachwelt bekannt machen, dass sie als Bindeglied zwischen Nato- und deutschen Wirtschaftsinteressen agieren und damit einen Absatzmarkt eröffnen können. Denn „bedauerlicherweise“ bekommen gerade deutsche Unternehmen bisher nicht viel ab von den jährlich 750 Mio. € des Nato Security Investment Programms. „Hohe Produktionskosten und bürokratische Hürden stehen häufig den Deals im Wege“, so Schüssler.

Doch Schüsslers Kenntnisse und Kontakte reichen über die Nato hinaus. Weil die Bundesrepublik nicht nur Mitglied im Militärbündnis, sondern auch der Europäischen Union ist, hat der Spezialist zusätzlich Einblick in das Beschaffungsprogramm der Europäischen Verteidigungsagentur EDA. Die EDA, als zentrale Agentur für die gemeinsame Fähigkeitsentwicklung im Bereich der „Common Security and Defence Policy“ der EU, vergibt viele interessante Studien- und Entwicklungsaufträge und führt z. B. im Bereich Forschung und Technik auch größere, von den Mitgliedsstaaten gemeinsam finanzierte Projekte durch.

Der jährliche Etat der EDA beläuft sich auf ca. 8 Mio. €, die Finanzierung der gemeinsamen Projekte ist Sache der beteiligten Staaten. „Bei der EDA haben vor allem auch kleinere Firmen eine Chance“, betont Schüssler, der zusammen mit seinem Natex-Kollegen gerne auch noch mehr deutschen Firmen mit Rat und Tat zur Seite stehen möchte.

Ein Beitrag von:

  • Sabine Seeger

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