Europäer bereiten Standardisierung des mobilen Bezahlens vor
Mit der „Mobile Wallet Collaboration“ wollten sieben Bezahldienste Zahlungen per Smartphone salonfähig machen. Große Anbieter aus den USA haben den Wettbewerb allerdings schon aufgenommen, dem sich die Europäer nun mit chinesischer Hilfe stellen wollen.
Zahlungen im Alltag mit dem Smartphone sind zwar längst keine Zukunftsmusik mehr, sollen fortan aber mehr als nur eine Randerscheinung sein. Die Grundlage dafür möchte die „Mobile Wallet Collaboration“ schaffen, ein Zusammenschluss aus sechs europäischen Bezahldiensten und Alipay als chinesischem Vertreter.
Standardisierte Abwicklung zwischen Anbietern, Händlern und Ländern
Hinter der Mobile Wallet Collaboration steht an der Speerspitze der in Europa tätige Mobile-Payment-Anbieter Bluecode. Angeschlossen haben sich der Initiative außerdem:
- Vipps aus Norwegen
- ePassi und Pivo jeweils aus Finnland
- Pagaqui aus Portugal
- Momo Pocket aus Spanien
- Alipay aus China
Die offizielle Bekanntmachung der Initiative erfolgte Mitte Juni in Porto (Portugal). Das Ziel hinter der mobilen Initiative ist schnell erklärt: Die Initiatoren wollen ein einheitliches System zwischen allen drei Teilnehmern des mobilen Bezahlens, also Anbietern, Händlern und Kunden schaffen, um so eine standardisierte Abwicklung von Zahlungen zu ermöglichen.
Eine Schlüsselrolle hält in diesem Konstrukt Bluecode, deren Software für mobile Zahlungssysteme bereits von mehr als 100 Banken eingesetzt wird – vorwiegend in Deutschland und Österreich. Die in der Mobile Wallet Collaboration gebündelten Anbieter sind insgesamt in zehn europäischen Ländern aktiv, von Deutschland und Schweden, über Island und Spanien bis hin nach Slowenien und Portugal, um an dieser Stelle nur eine Auswahl zu nennen.
So soll einheitliches mobiles Bezahlen in Europa funktionieren
Dem chinesischen Giganten Alipay, der ein Vielfaches der Marktkapitalisierung aller anderen Teilnehmer zusammengenommen hält, kommt ebenfalls eine Schlüsselrolle zu. Er soll das „Contactless Gateway Code Protocol“ (CGCP) bereitstellen, das wiederum als Basis für einen QR-Code dienen soll. Die Technologie wird dabei behilflich sein, den sogenannten „User Scan“ zu vereinfachen, bei dem der Kunde einen QR-Code des Händlers scannt und dadurch die Zahlungsabwicklung anstößt. In einer anderen Variante wird der Code durch den Händler direkt vom Kunden-Smartphone abgescannt.
Die QR-Codes bringen in der Praxis Vorteile mit sich. Anders als bei ersten Lösungen wie Yapital, die mittlerweile gescheitert sind, werden heute weitaus schnellere Übertragungsraten und eine zuverlässige Abwicklung geboten. Außerdem können sich Händler durch den QR-Code Kassenterminals einsparen, was insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen sowie Einzelhändler Vorzüge mit sich bringt. Bluecode selbst beschwört, dass keine Abhängigkeit zum chinesischen Riesen Alipay entstehen würde. Das verwendete System soll isoliert von den asiatischen Märkten funktionieren, Kunden- und Zahlungsdaten würden nicht übermittelt.
Der Umstand, dass Alipay in der Allianz mitmischt, ist nicht überraschend. Bereits seit dem Jahr 2016 ist der chinesische Zahlungsdienstleister in Europa aktiv – vorwiegend um chinesischen Touristen einfache Zahlungen via QR-Code zu ermöglichen, so wie diese es aus der Heimat gewohnt sind. Abseits davon, ist eine einheitliche Lösung für Europa eine logische Schlussfolgerung der aktuellen Marktsituation. Der europäische Markt für mobile Zahlungen ist stark fragmentiert, was als große Hürde bei der weiteren Verbreitung von mobile Payment angesehen wird.
Mobile Payment – ein hart umkämpfter Markt
Unter Zugzwang steht die neu gegründete Allianz aus europäischen Zahlungsdienstleistern schon jetzt. Amerikanische Vorbilder, in Form von Google und Apple Pay, dringen kontinuierlich weiter in europäische Breitengrade vor. Erfahrung haben Bluecode und Alipay als Schlüsselfiguren der Allianz aber allemal. Bluecode wird heute in 85 % aller Lebensmittelläden in Österreich verwendet, in Deutschland ist es zumindest sporadisch verfügbar, beispielsweise bei Galeria Kaufhof oder Globus.
Große Zurückhaltung bei Verbrauchern
Werden alle Kunden der Mitglieder aus der Mobile Wallet Collaboration aufsummiert, kommt die Initiative immerhin auf 5 Millionen Kunden, die bei rund 190.000 Händlern mit dem Smartphone zahlen können. Trotzdem kann Europa zu diesem Zeitpunkt mit keinem der großen Märkte mithalten. Die USA kam im Jahr 2017 auf eine Verbreitung von 15,1 % im stationären Handel, China sogar auf 20 %. Deutschland ist, wie so oft im technologischen Vergleich unter den Industrieländern, das abgehangene Schlusslicht. Nur 1,3 % aller stationären Einkäufe wurden mit dem Smartphone bezahlt.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Experten sprechen von deutlichen Sicherheitsbedenken auf Seiten der Deutschen, in Umfragen tut sich ein weiteres Problem auf: die meisten Deutschen kennen gar keine Anbieter für mobile Zahlungen. Google und Apple Pay sind zwar erst einmal bekannt, aber bislang für viele Menschen noch nicht praxistauglich – den amerikanischen Konglomeraten fehlen die notwendigen Kooperationen mit den großen deutschen Bankenhäusern.
Auch die Gewohnheit spielt dem mobilen Bezahlen nicht gerade in die Karten, was sich erneut am Beispiel Deutschlands ablesen lässt. Kreditkarten finden kaum Anwendung, tatsächlich werden drei von vier Zahlungen im stationären Handel noch immer in bar abgewickelt. Lediglich bei größeren Anschaffungen, zum Beispiel einer ausgiebigen Shoppingtour oder dem Kauf neuer Möbel, zahlen die Deutschen vorwiegend mit der EC-Karte.
Mobile Payments spielen, wie sich schon anhand der Nutzungsdaten abzuleiten, de facto gar keine Rolle. Dabei ist der Wunsch nach einer Alternative groß: Immerhin 44 % der Verbraucher wären bereit auf Bar-Zahlungen komplett zu verzichten, so die Bundesbank. Es fehle nur an einer Alternative, mit der sich die Kunden anfreunden könnten. Eben diese Alternative möchte die Mobile Wallet Collaboration nun Schritt für Schritt bereitstellen.
Wettrennen gegen ein technologisch rückständiges Europa
In China sind Zahlungen über das Smartphone gang und gäbe. In der von Technologie geprägten Nation sind Zahlungen per Bargeld vor allem eine regionale Erscheinung, die aus Tradition weiterlebt. Auch in Amerika werden Smartphone-Zahlungen im Rekordtempo vorangetrieben. Einerseits dank der nationalen Giganten in Form von Google, Apple, PayPal sowie Newcomern wie Square, andererseits sind die Amerikaner bargeldlose Zahlungen dank der Verbreitung der Kreditkarte sowieso gewohnt.
Europa hinkt da wie eine lahme Ente hinterher. Für die Mobile Wallet Collaboration ist das eigene Unterfangen der verbreiteten mobile Payments damit nicht leicht zu meistern – sie müssen Hürden wie amerikanische Alternativen, politische Vorgaben und die Gewohnheiten der Kunden gleichermaßen überwinden.
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