Autonomes Fahren: Neuartiger Fotochip macht Unsichtbares sichtbar
Nebel und starker Regen schwächen die heute verbauten Sensoren. Ein neuer kostengünstiger Detektor, entwickelt in deutsch-italienischer Gemeinschaftsarbeit, macht Unsichtbares endlich sichtbar. Das dürfte auch das Autonome Fahren deutlich voranbringen.
Nebel wabert über die Bucht von San Francisco. Die Golden Gate Bridge ist gerade mal zu erahnen. Ein Tourist hält mit seinem Smartphone drauf und fotografiert die Berühmtheit. Prompt ist auf seinem Display die Brücke zu sehen, völlig scharf, doch nur in Schwarz-Weiß. Was bisher Fiktion ist könnte bald schon Realität sein. Wissenschaftler aus Jülich bei Aachen und Mailand haben einen Fotochip entwickelt, der im Bereich kurzwelligen Infrarotlichts arbeitet, kurz SWIR-Frequenzbereich (SWIR= short wavelength infrared). Die unsichtbaren Strahlen durchdringen den Nebelschleier, als sei er glasklar. Sichtbares Licht wird dagegen an Wassertröpfchen, die den Nebel bilden, gestreut.
Auf dem Weg zum autonomen Nutzfahrzeug
Autonome Autos: Voller Durchblick mit dem SWIR-Chip
Der Chip, entwickelt von Dan Buca vom Forschungszentrum Jülich (FZJ) und Giovanni Isella, Professor für Physik am Polytechnikum Mailand, soll nicht nur Touristen erfreuen, sondern in erster Linie ein Problem von autonom fahrenden Autos lösen. Trotz aller Sensoren und Kameras, die eine ungefährdete Fahrt garantieren sollen, tun sie sich bei Nebel und starkem Regen schwer, alle Objekte im Umfeld zu erkennen und zu identifizieren. Im Extremfall bleiben die Fahrzeuge ratlos stehen. Mit dem SWIR-Chip werden sie den vollen Durchblick haben.
Gut verträglich mit Silizium
SWIR-Fotochips gibt es zwar schon, für einen Masseneinsatz sind sie jedoch aus Kostengründen ungeeignet. Das liege an der Verwendung von Materialien, die sich nur schwer mit Standard-Schaltkreisen aus Silizium verbinden lassen.
„Unser Detektor füllt eine Lücke: Er deckt einen Bereich des Spektrums ab, für den es bisher keine preiswerten Sensoren gab“, so Buca.
Er und sein Kollege Isella hätten sich stattdessen für Werkstoffe entschieden, die sich mit Silizium gut vertragen und mit den etablierten Techniken der Halbleiterindustrie verarbeitet werden können. Das führe zu einer drastischen Kostensenkung.
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SWIR durchdringt die Farbe von Gemälden
Nahezu zehn Jahre habe es gedauert, ehe alle Parameter optimiert waren, sagt Isella. Unterlage des Chips ist eine dünne Siliziumscheibe. Darauf werden mehrere Lagen von Halbleitermaterialien abgeschieden, welche die Elemente Germanium und Zinn enthalten, die wie Silizium in der 14. Gruppe des Periodensystems zu finden sind. Aus den verschiedenen Halbleiter-Schichten lassen sich Pixel auf Fotochips für Digitalkameras fertigen, die in der Lage sind, Bilder in verschiedenen Bereichen des Infrarot-Spektrums aufzunehmen. Das lässt manche Objekte – im wahrsten Sinn des Wortes – in einem anderen Licht erscheinen:
„Bei Gemälden zum Beispiel können wir damit durch Farbschichten hindurchblicken und erkennen, was der Künstler darunter gemalt hat“, sagt Isella.
Und bestimmte Druckfarben, die als Sicherheitsmerkmal für Geldscheine genutzt werden, scheinen zu verschwinden, wenn sie unter IR-Licht betrachtet werden. Mit dem Jülicher Detektor ließe sich die Echtheit der Banknoten leicht überprüfen.
Neuartiger Chip löst endlich ein Problem, das jeder hat
Umschaltbar für Gas- und Flüssigkeitsanalysen
Dass die Chips an verschiedene Frequenzbereiche des IR-Lichts angepasst werden können hilft auch im Labor. Der SWIR-Chip aus Jülich beispielsweise lässt sich durch einfaches Umpolen in einen NIR-Chip (near infrared/nahinfrarot) verwandeln. Auf diese Weise ist es beispielsweise möglich, verschiedene Flüssigkeiten und Gase zu unterscheiden, die NIR- und SWIR-Strahlung unterschiedlich stark absorbieren. Das konnte das Forscherteam am Beispiel der Lösungsmittel Isopropanol und Toluol demonstrieren. Mit Hilfe des schaltbaren Detektors lassen sich die für das menschliche Auge farblosen Flüssigkeiten eindeutig auseinanderhalten.
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