Funklöcher adé? Netzagentur will 99,5 % Flächenabdeckung bis 2030
Bundesnetzagentur verschärft Regeln zum Handynetzausbau und verzichtet auf Auktionen – bessere Versorgung bis 2030 geplant.

Im Digitalzeitalter hapert es in Deutschland beim Mobilfunk mancherorts noch immer. Gutes Netz? Fehlanzeige, heißt es in vielen Gegenden oder entlang von Straßen. Eine Behörde macht nun Druck.
Foto: PantherMedia / Zetor2010
Die Bundesnetzagentur will den Ausbau der Handynetze in Deutschland vorantreiben. Dazu legt sie neue Vorgaben für Netzbetreiber vor – mit strengeren Regeln für die Netzabdeckung in der Fläche und auf Verkehrswegen. Gleichzeitig verzichtet der Bund auf eine milliardenschwere Frequenzauktion. Die Nutzungsrechte werden stattdessen verlängert. Ziel ist ein flächendeckender Mobilfunk bis 2030. Besonders Menschen in ländlichen Regionen und auf abgelegenen Straßen sollen profitieren.
Inhaltsverzeichnis
- Bundesnetzagentur verschärft Auflagen
- 99,5 % Flächenabdeckung mit 50 Mbit/s
- Bessere Versorgung auf allen Straßen
- Keine neue Frequenzauktion: Bund verzichtet auf Milliarden
- Netz-Sharing: Neue Leitplanken für mehr Wettbewerb
- Politik und Wirtschaft bewerten die Pläne unterschiedlich
- Rückblick: Warum der Ausbau stockte
Bundesnetzagentur verschärft Auflagen
Die Bundesnetzagentur will die Qualität der Mobilfunkversorgung in Deutschland deutlich verbessern. Am 24. März trifft sich der Beirat der Behörde, um über ein neues Regelwerk zu entscheiden, das strengere Ausbauvorgaben für Netzbetreiber wie Telekom, Vodafone und O2 enthält. Der Beschluss könnte noch in derselben Woche erfolgen.
Bisher richteten sich viele Ausbaupflichten an der Versorgung von Haushalten aus. Künftig geht es verstärkt um die tatsächliche Flächenabdeckung. Für Nutzerinnen und Nutzer ein relevanter Unterschied: Denn Mobilfunk wird auch außerhalb von Wohngebieten gebraucht – zum Beispiel beim Wandern, Autofahren oder Arbeiten auf dem Land.
99,5 % Flächenabdeckung mit 50 Mbit/s
Die neuen Vorgaben sind ambitioniert: Bis zum Jahr 2030 sollen auf 99,5 % der Fläche Deutschlands mindestens 50 Megabit pro Sekunde im Download zur Verfügung stehen. Aktuell erreichen nicht alle drei großen Netzbetreiber dieses Niveau auf rund 2 % der Fläche. Diese Lücken möchte die Bundesnetzagentur schließen.
Auch ländliche Regionen stehen im Fokus. In dünn besiedelten Gebieten – in denen etwa ein Fünftel der Bevölkerung lebt – sollen bis 2029 99 % der Haushalte mit mindestens 100 Megabit pro Sekunde versorgt werden. Das wäre ein deutlicher Schritt nach vorn für Regionen, die bislang oft unter schwacher Netzabdeckung leiden.
Bessere Versorgung auf allen Straßen
Neben der Fläche nimmt die Netzagentur auch die Verkehrswege ins Visier. Während auf Bundesstraßen schon seit Anfang 2025 Mobilfunkversorgung vorgeschrieben ist, weitet die Behörde die Anforderungen nun aus. Bis 2030 müssen auch Landstraßen, Staatsstraßen und Kreisstraßen durchgehend mit stabilem Mobilfunk ausgestattet sein.
Ein zentrales Problem: Bisher genügte es, wenn ein Anbieter auf einem Streckenabschnitt Netz bereitstellte, auch wenn auf dem nächsten Abschnitt ein anderer Anbieter einsprang. Wer jedoch nur eine SIM-Karte nutzt, erlebte Funklöcher. Künftig muss jeder Netzbetreiber eine durchgängige Versorgung sicherstellen – also nicht nur punktuell, sondern lückenlos entlang der Strecke.
Keine neue Frequenzauktion: Bund verzichtet auf Milliarden
Ein überraschender Schritt der Bundesregierung betrifft die Vergabe von Frequenzen. Anders als in der Vergangenheit verzichtet der Bund auf eine lukrative Versteigerung. Stattdessen werden bestehende Frequenznutzungsrechte um fünf Jahre verlängert – ein Verfahren, das zuletzt 2006 zur Anwendung kam.
Die Netzbetreiber dürften sich über diese Entscheidung freuen. Statt mehrerer Milliarden Euro – wie zuletzt 2019, als rund 6,5 Milliarden Euro für die Frequenzen gezahlt wurden – fallen diesmal nur etwa 600 Millionen Euro an Gebühren an. Diese Entlastung soll es den Unternehmen erleichtern, Geld in den Netzausbau zu investieren.
Für den neuen Anbieter 1&1 ist diese Entscheidung jedoch ein Rückschlag. Das Unternehmen hatte sich bei der Auktion 2019 erstmals eigene Frequenzen gesichert und wollte sich bei einer neuen Auktion weiter positionieren. Nun bleibt es außen vor. Die Bundesnetzagentur möchte mit Sonderregelungen dafür sorgen, dass dieser Nachteil zumindest abgemildert wird.
Netz-Sharing: Neue Leitplanken für mehr Wettbewerb
Ein weiteres Streitthema betrifft Anbieter wie Freenet, die selbst keine eigenen Handynetze betreiben. Diese Unternehmen möchten Zugang zu bestehenden Netzen erhalten, um ihren Kundinnen und Kunden bessere Leistungen bieten zu können. Die etablierten Netzbetreiber sehen das kritisch und wollen nicht zur sogenannten Mitnutzung verpflichtet werden.
Die Bundesnetzagentur hat sich für einen Kompromiss entschieden: Zwar gibt es keine gesetzliche Verpflichtung zur Öffnung der Netze, aber die großen Anbieter müssen sich auf Verhandlungen einlassen. Um den Prozess fairer zu gestalten, legt die Behörde sogenannte „Leitplanken für effektive Verhandlungen“ fest. Damit sollen kleinere Marktteilnehmer nicht völlig außen vor bleiben.
Politik und Wirtschaft bewerten die Pläne unterschiedlich
Die geplanten Änderungen stoßen in der Politik überwiegend auf Zustimmung. Der SPD-Abgeordnete Johannes Schätzl spricht von einer weitreichenden Entscheidung: „Mobilfunk fast überall und an allen Verkehrswegen: Damit kommen die Handynetze endlich im Digitalzeitalter an.“
Auch Markus Haas, Chef von O2, begrüßt die Entscheidung. Die Frequenzverlängerung sei ein „Gamechanger für Deutschland“. Sie bilde die Grundlage für eine stabile digitale Versorgung von Menschen und Wirtschaft.
Rückblick: Warum der Ausbau stockte
Die deutsche Mobilfunkgeschichte ist eng mit den hohen Kosten der ersten Frequenzversteigerung im Jahr 2000 verknüpft. Damals zahlten die Unternehmen rund 50 Milliarden Euro – viel zu viel, wie sich später zeigte. Das Geld fehlte anschließend für Investitionen. Der Netzausbau verlief schleppend, Funklöcher blieben vielerorts bestehen.
Erst ab 2020 nahm der Ausbau Fahrt auf. Auch O2, lange als Sorgenkind der Branche angesehen, investierte mehr und holte auf. Heute erreicht die Telekom mit dem 4G-Standard 99,6 % der Haushalte, mit 5G sind es mehr als 98 %. Flächenbezogen sind die Werte geringer: 92 % für 4G, 84,4 % für 5G.
Die Konkurrenz von Vodafone und O2 hinkt etwas hinterher. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland laut dem Vergleichsportal Verivox nur im Mittelfeld. Trotz mittelmäßiger Netzqualität zahlen Nutzerinnen und Nutzer hierzulande im Schnitt deutlich mehr für ihre Tarife als in anderen EU-Ländern. (mit dpa)
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