Geschlechterklischees gibt es auch bei Alexa, Siri & Co.
Hat das Geschlecht der Stimme eines Sprachassistenten Einfluss darauf, wie dessen Kompetenz wahrgenommen wird? Dieser Frage gingen zwei Forscher der CBS International Business School und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz auf den Grund.
Noch immer spielen Geschlechterklischees eine Rolle. Männern wird häufiger rationale Kompetenz zugeschrieben als Frauen. Überträgt man dies auf Sprachassistenten könnte man also behaupten: Die mit männlicher Stimme werden von den Nutzern als kompetenter wahrgenommen als die mit weiblichen Stimmen. Die beiden Wissenschaftler Claus-Peter H. Ernst, Professor für allgemeine BWL, mit Fachgebiet Technologiemanagement und Digitalisierung an der CBS International Business School, und Nils Herm-Stapelberg, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und BWL an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, untersuchten diese Fragestellung im Rahmen eines Experiments.
Wer kennt sie nicht? Sprachassistenten wie Alexa, Siri & Co. gehören fest zu unserem Alltag. Sie erledigen für uns viele Aufgaben. Auf unseren Smartphones leiten sie zum Beispiel Anrufe ein, erinnern uns an Termine oder suchen Informationen aus dem World Wide Web heraus. Nach Angaben der Wissenschaftler sei Kompetenz eine wichtige aufgabenbezogene Eigenschaft. Interessant ist in diesem Zusammenhang: Jeder Nutzer kann bei einem Sprachassistenten zwischen einer männlichen und einer weiblichen Stimme wählen. Als Standard ist häufig die weibliche Stimme voreingestellt. Ein scheinbarer Widerspruch zu der ursprünglichen Aussage, dass Männern häufiger rationale Kompetenz zugeschrieben werde.
Nun kommt hinzu, dass Menschen Computern gern menschliche Merkmale zuweisen. Die Forscher erwarten deshalb, dass menschliche Stereotype auch bei virtuellen Assistenten vorkommen, was zu unterschiedlichen Kompetenzwahrnehmungen führe.
Welche Rolle spielen Geschlechterklischees bei Sprachassistenten?
In das Experiment waren 23 deutsche Teilnehmerinnen und Teilnehmer involviert, jeweils zwischen 19 und 30 Jahren alt, mit einem Durchschnittsalter von knapp 22 Jahren. Der Anteil der Frauen lag mit 61 % etwas über dem der Männer.
„Für uns stand bei der Untersuchung im Mittelpunkt, herauszufinden, ob solche Geschlechterklischees auch bei der Wahrnehmung von Sprachassistenten eine Rolle spielen“, sagt Nils Herm-Stapelberg.
Dafür teilten sie die die Probanden in zwei Gruppen ein. Diese sollten den Sprachassistenten acht Aufgaben ausführen lassen, welche die Forscher vorher bereitgestellt hatten. Der virtuelle Assistent der einen Gruppe antwortete mit weiblicher Stimme, der der anderen Gruppe mit männlicher Stimme. Im Anschluss mussten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Ergebnisse bewerten. Auf dieser Basis verglichen die Wissenschaftler die Kompetenzniveaus, wie die beiden Gruppen sie wahrgenommen hatten. Um geschlechtsspezifische Verzerrungen zu vermeiden, legten die beiden Wissenschaftler das Weckwort „Computer“ für die Sprachassistenten fest.
Als Aufgaben musste der Sprachassistent unter anderem folgende Fragen beantworten: Welcher Tag ist heute? Wie viel sind 30 % von 69 Euro? Wie weit ist Mainz von Berlin entfernt? Wie viele Tage sind es noch bis Weihnachten? Wie alt ist Barack Obama? Wird es morgen regnen? Von den 23 Ergebnissen der Untersuchung entstammten neun Datensätze aus der Gruppe der männlichen virtuellen Assistenten und 14 aus der Gruppe der weiblichen virtuellen Assistenten. Das Ergebnis: Durchweg höhere Werte auf der Kompetenzskala erzielte der virtuelle Assistent mit männlicher Stimme.
„Geschlechterklischees sorgen auch heute noch dafür, dass bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen unterschiedlich stark mit Männern und Frauen in Verbindung gebracht werden“, erklärt Claus-Peter H. Ernst.
Auch bei identischen Aufgaben wirkt die männliche Stimme kompetenter
Ernst und Herm-Stapelberg ziehen aus ihren Untersuchungen folgendes Fazit: „Auch wenn die bereitgestellten Informationen sowie der Grad der Aufgabenerfüllung vollständig identisch sind, werden Sprachassistenten mit weiblicher Stimme weniger kompetent empfunden. Geschlechterklischees haben somit auch eine Auswirkung auf die Wahrnehmung von Technologien. Da niemand einen vermeintlich inkompetenten Assistenten haben möchte, haben unsere Ergebnisse weitreichende praktische Implikationen für die entsprechenden Anbieter.“ Apple lässt in Deutschland seinen Sprachassistenten mit weiblicher Stimme antworten. Es sei möglich, dass man künftig eher die männliche Variante als auswählbare Option anbiete. Nach Meinung der Forscher könne die Änderung der Stimme und die wahrgenommene Kompetenz letztlich die Akzeptanz der Assistenten positiv beeinflussen, auch wenn noch andere Einflussfaktoren wie zum Beispiel wahrgenommene Liebenswürdigkeit eine wichtige Rolle spielen.
Die beiden Wissenschaftler zogen für die Geschlechterstereotypisierung eine interkulturelle, groß angelegte Studie von Carol R. Ember und Melvin Ember aus dem Jahr 2004 heran. Die beiden Autoren haben sie in dem Buch „Encyclopedia of Sex and Gender“ veröffentlicht. Deren Ergebnisse zeigen, dass Männer eher mit Adjektiven assoziiert werden, die implizieren, dass sie stark, aktiver, dominanter, autonom und erfolgreich sind, während Frauen eher mit Adjektiven wie unterstützend und pflegend in Verbindung gebracht wurden.
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