Glasfaserkabel erkennen und klassifizieren Erdbeben
Glasfaserkabel bringen nicht nur schnelles Internet, sie lassen sich auch zum Erkennen und Charakterisieren von Erdbeben verwenden. Das ist das Ergebnis einer Studie des renommierten California Institute of Technology, kurz Caltech.
Kalifornien ist aufgrund der San-Andreas-Verwerfung besonders erdbebengefährdet, immer wieder wackelt dort die Erde. Gleichzeitig liegen dort Tausende von Kilometer an Glasfaserkabeln im Boden vergraben, um die Bevölkerung mit schnellem Internet, Fernsehen oder Telefon zu versorgen. Forschende der Caltech haben nun herausgefunden, dass die Kabel eine interessante Nebenwirkung haben, denn sie können Erdbeben aufspüren und sogar messen, wie stark es ist.
In einer aktuellen Studie hat das Forschungsteam die komplexen Eigenschaften eines Erdbebens der Stärke 6 detailliert analysiert. Sie verwendeten dazu einen Abschnitt eines Glasfaserkabels und konnten präzise den Zeitpunkt und den Ort von vier kritischen Punkten in der tektonischen Verwerfung feststellen. Diese Punkte, auch als „festgefahrene“ Bereiche bekannt, sind entscheidend für das Auslösen des Erdbebens.
Erforschung von Erdbeben revolutionieren
Seit mehreren Jahren arbeiten Geophysikprofessor Zhongwen Zhan von der Caltech und sein Forschungsteam daran, die Seismologie mit Hilfe von Glasfaserkabeln zu transformieren. Mit einer Methode namens „Distributed Acoustic Sensing“ schaffen sie ein dichtes Netz improvisierter Seismometer.
In ihrer jüngsten Studie, die in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde, nutzten sie nur einen 100 Kilometer langen Abschnitt eines Glasfaserkabels, um die komplexe Dynamik eines bestimmten Erdbebens im Jahr 2021 im Detail zu analysieren. Die Ergebnisse legen nahe, dass der Zugang zu weiteren Kabeln nicht nur das Verständnis der Erdbebenphysik vertiefen, sondern auch die Entwicklung effektiverer Erdbebenfrühwarnsysteme ermöglichen könnte.
„Wenn wir die seismische Aktivität flächendeckend messen können, können wir die Erforschung von Erdbeben revolutionieren und eine bessere Vorwarnung geben“, sagt Zhan. „Wir können zwar keine Erdbeben vorhersagen, aber die verteilte akustische Erfassung wird zu einem besseren Verständnis der Details führen, die den Erdbeben zugrunde liegen.“
Flächendeckende Messung möglich
In Südkalifornien, wo die Studie stattgefunden hat, gibt es etwa 500 Seismometer auf einer Fläche von rund 146.000 Quadratkilometern. Das ist nicht besonders viel, allerdings kostet ein Gerät aber auch bis zu 50.000 Dollar. Was hinsichtlich der Schäden, die ein Erdbeben verursacht, jedoch nur ein Klacks ist.
So oder so – würde man in ganz Kalifornien die sowieso verlegten Glasfaserkabel nutzen, um Erdbeben zu messen, hätte man plötzlich nicht mehr nur 500, sondern Millionen von Seismometern, so die Forschenden der Caltech.
So wird ein Glasfaserkabel zum Seismometer
Um als Seismometer zu dienen, wird ein Glasfaserkabel an einem Ende mit Lasersendern ausgestattet, die Lichtstrahlen entlang der dünnen Glasfasern im Kabelkern aussenden. Diese Glasfasern weisen mikroskopisch kleine Unregelmäßigkeiten auf, die einen Bruchteil des ausgesandten Lichts zurück zum Ursprung reflektieren, wo es dann detektiert wird. Jede dieser kleinen Unebenheiten dient sozusagen als Markierungspunkt entlang des Kabels, das in der Regel dicht unter der Erdoberfläche liegt.
Wenn sich seismische Wellen im Boden ausbreiten, verursachen sie kleine Bewegungen im Glasfaserkabel. Diese Bewegungen beeinflussen die Laufzeit des Lichts zu und von den Markierungspunkten. Auf diese Weise werden die Unregelmäßigkeiten entlang des Glasfaserkabels praktisch zu Tausenden von Miniaturseismometern. Seismologen können so die Bewegung seismischer Wellen mit hoher Präzision verfolgen und analysieren.
Beben der Stärke 6 aus dem Jahr 2021 untersucht
In der Studie hat das Caltech die Lichtsignaturen analysiert, die während eines Erdbebens der Stärke 6 im Antelope Valley im Jahr 2021 von einem speziellen Abschnitt eines Glasfaserkabels in der östlichen Sierra Nevada ausgesendet wurden. Dieser Kabelabschnitt entsprach 10.000 herkömmlichen Seismometern. Die Untersuchung ergab, dass das M6-Beben in Wirklichkeit aus einer Kette von vier kleineren Beben bestand. Diese so genannten Sub-Ereignisse oder Mini-Erdbeben hätten mit einem herkömmlichen seismischen Netzwerk nicht erfasst werden können.
Das Team arbeitete eng mit dem Labor von Nadia Lapusta zusammen, die den Lawrence A. Hanson Jr. Lehrstuhl für Maschinenbau und Geophysik innehat. Gemeinsam konnten sie ein genaues Modell des Erdbebens erstellen, das auf den gemessenen seismischen Aktivitäten basierte. Mit diesem Modell ließ sich nicht nur der zeitliche Ablauf der vier Sub-Ereignisse klären, sondern auch ihre genaue Position innerhalb der Verwerfungszone lokalisieren.
„Die Verwendung von Glasfaserkabeln als eine Reihe von Seismometern offenbart Aspekte der Erdbebenphysik, die seit langem vermutet werden, aber schwer abzubilden sind“, sagt Zhan. „Stellen Sie sich als Analogie dazu Ihr alltägliches Gartenteleskop vor. Sie können den Jupiter sehen, aber wahrscheinlich nicht seine Monde oder irgendwelche Details. Mit einem wirklich leistungsstarken Teleskop können Sie die feinen Details der Planeten- und Mondoberflächen sehen. Unsere Technologie ist wie ein leistungsstarkes Teleskop für Erdbeben“.
Ein Beitrag von: