Grüne Mobilfunktechniken: Tests in der Wüste von Katar
In der Wüste des Emirats Katar testen Vodafone und Alcatel-Lucent, wie Mobilfunk mit Sonnenkraft und Windenergie funktionieren kann. Doch Testfeld allein ist Katar bei Weitem nicht. Die Scheichfamilie rund um Staatsoberhaupt Emir Hamad bin Khalifa al-Thani setzt auf Hightech. Und dies nicht erst seit dem Zuschlag für die Fußball-Weltmeisterschaft, die der winzige Wüstenstaat 2022 austragen wird. Auch der Breitbandturbo via Funk, im Fachjargon Long Term Evolution oder kurz LTE, geht bald „on air“. Dazu steht ein superschnelles Glasfasernetz mit 100 Mbit/s auf der Agenda.
Verstreut suchen einzelne Kamele entlang der leergefegten Autobahn nach Nahrung. Hier, rund eine Stunde von Katars Hauptstadt Doha entfernt, sind es noch 20 km bis zur saudi-arabischen Grenze. Mitten in der Wüste taucht die kleine Oase Karam auf. 20 Bewohner leben hier. Bei 30 °C im Winter ist jetzt niemand draußen, die Luft flirrt.
Hauptattraktion in Karam ist ein rotweißer Antennenmast. Bläulich schimmert das zehn Quadratmeter große Solarpanel in der Mittagshitze. Hoch oben, auf dem 45 m hohen Mast, sitzt ein Windrad und dreht sich ohne Unterlass, weht doch eine kontinuierliche frische Brise mit Windstärke 2 bis 3 vom arabischen Golf her.
„Wir haben hier ein 3-Kilowatt-Solarpanel in Kombination mit einer 2,5-Kilowatt-Windkraftanlage, die zusammen 90 % der Energie liefern, die wir für die Basisstation brauchen“, erklärt Frédéric Wauquiez von Alcatel-Lucent. Der Nachrichtentechniker ist Manager für alternative Energielösungen in Netzwerken in der Forschung des französisch-amerikanischen Ausrüsters.
Sind die riesigen Akkus, ähnlich derer in Elektroautos, voll geladen, kann der Antennenmast zwei Tage völlig autark senden. Beim Abflauen der kontinuierlichen Brise, z. B. im Sommer, springt automatisch der Dieselgenerator an. „Im Durchschnitt läuft er jeden Tag nur eine Stunde“, sagt Wauquiez. Das spare rund 1800 l Diesel im Monat.
Zwar spielt dies im Emirat Katar mit seinen riesigen Erdölvorkommen keine Rolle, kostet doch 1 l Benzin an der Tankstelle gerade mal 15 Cent. Doch für Mobilfunkmasten in Indien, weiten Teilen Chinas und vor allem in afrikanischen Staaten, die über schlechte Pisten nur sehr schwer zu erreichen sind, sei das eine ideale und auch recht kostengünstige Lösung.
Denn: „Es gibt immer noch 1 Mrd. Menschen weltweit, die kein Internet haben und die nicht telefonieren können, weil es keinen Strom gibt, um eine Basisstation zu betreiben“, sagt Wauquiez.
Für sie könnten Mobilfunkmasten, die mit Sonnen- und mit Windkraft betrieben werden, Telefonieren und Surfen in greifbare Nähe bringen. Seit einem Jahr ist nun die hybride Basisstation in Betrieb.
Mobilfunkbetreiber Vodafone, der erst seit gut zwei Jahren im Emirat Katar der Alternativanbieter zur Nummer eins Qtel ist, kooperiert dabei mit dem Netzwerkspezialisten Alcatel-Lucent. Hier in Katars Wüste analysieren beide, wie sich u. a. das Wetter auf die Sendeleistung auswirkt. Sonnenkraft sei leichter prognostizierbar, aber weniger effektiv, beim Wind ist es genau andersherum. Sinkt die Leistung aus den regenerativen Energiequellen unter ein bestimmtes Level, dann stellt der Kontrollrechner automatisch auf Dieselversorgung um.
Auch die Tücken des Standorts wollen bedacht sein. Wie stark beeinflusst der Wüstensand die Leistung der Solarzellen? Werden die Solarzellen nicht ein- bis zweimal im Monat vom Sand befreit, sinkt die Energieausbeute. Was heißt das für die Kosten? Immerhin muss jemand zur Station hinausfahren und die Panels mit dem Besen reinigen.
Wauquiez von Alcatel-Lucent ist dennoch überzeugt, dass der Markt für diese Kombi-Technologie weltweit boomen wird, auch in sonnenreichen Industrieländern wie Italien, Griechenland und Südspanien, in denen eher beständiger Wind weht. Laut Branchenkennern sollen bereits Ende 2012 rund 100 000 Basisstationen weltweit per Sonnen- und Windkraft betrieben werden.
„Das sind zehnmal mehr, als derzeit in Betrieb sind“, sagt der 36-jährige Alcatel-Lucent-Manager begeistert. „Wir investieren massiv in die Entwicklung solcher Lösungen, die auf alternativen Energien beruhen und checken in unserem französischen Forschungslabor in Vélizy alle Technologien und neue Materialien.“
Dabei erinnert sich Wauquiez, wie ihm die Hersteller von Photovoltaikmodulen vor geraumer Zeit nur wenige Minuten Gesprächszeit einräumten. „Seitdem das Potenzial rund um den Globus deutlich ist, werden wir ernster genommen.“
Auch wenn er vorrechnet, dass sich solch hybride Lösungen à la Katar nach drei Jahren amortisiert haben, so sind sie doch noch teurer als vergleichbare Basisstationen, die mit herkömmlicher Energie betrieben werden.
Damit sich das ändert, „müssen vor allem die Speicherbatterien leistungsfähiger werden“, sagt Wauquiez. Und die Energieausbeute je Panel müsse anziehen. Sollten hier Fortschritte erzielt werden, rechnet der Alcatel-Lucent Manager damit, dass sich in „zwei bis drei Jahren solche Basisstationen wirtschaftlich auch in Ländern rentieren, in denen es eine gute Energieversorgung auf herkömmlicher Basis gibt“.
Eine komplette Umstellung auf wind- und sonnenbetriebene Basisstationen ist jedoch selbst im glühend heißen Katar mit Temperaturen im Sommer von bis zu 45 °C nicht möglich.
„In Doha oder anderen Großstädten der Emirate haben wir schlicht keinen Platz für solch große Mobilfunkstationen“, sagt Olaf Heinkel. Der erfahrene 42-jährige deutsche Elektronikingenieur war unter den Ersten, die für Vodafone vor zwei Jahren nach Katar gingen. Seither ist Heinkel dort verantwortlich für den Aufbau des Mobilfunknetzes, das sukzessive ausgebaut wird.
Neue Basisstationen werden derzeit weitaus eleganter in Minaretten auf einer Höhe von bis zu 25 m versteckt. Einige Hundert solcher Minarette gibt es in Doha. „Das poröse und dennoch wetterfeste Material, aus dem sie gebaut sind, könnte für den Mobilfunk nicht besser sein“, sagt Ahmed Hussanein. Der Alcatel-Lucent-Techniker erklärt, dass es die Signale ohne jegliche Einbußen durchlasse. Deshalb spreche Vodafone mit dem Ministerium für Stadtentwicklung über mehr Minarett-Funkstationen.
Zudem hegt der Wüstenstaat ehrgeizige Hightechpläne, die seit dem Zuschlag für die Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 2022 noch mehr an Fahrt aufgenommen haben. Ein mehrere Fußballfelder großer Wissenschafts- und Technologiepark samt Innovationscenter kündet davon. Hier sollen in den nächsten Monaten die klingenden Namen des globalen Hightechbusiness einziehen. Microsoft ist schon da. Auch Vodafone Katar hat hier seinen Firmensitz.
Die königliche Familie rund um Staatsoberhaupt Emir Hamad bin Khalifa al-Thani will in puncto Breitband technisch die Nase vorn haben und favorisiert dabei sowohl Glasfaser als auch Mobilfunk. „Zusammen mit der Regierung und dem Mobilfunkdienstleister Qtel wollen wir ein Glasfasernetz bis zu den Häusern aufbauen, das 95 % der Bevölkerung nutzen kann und sie mit 100 Mbit/s versorgt“, sagt John Tombleson. Dies sehe der nationale Breitbandplan der Regierung bis 2015 vor. Tombleson, der amtierende Chef von Vodafone Katar ist, rechnet sich als Breitbandanbieter auch mit Glasfasern große Chancen im Emirat aus.
Überall wird in Doha gebaut, riesige Plakate mit dem Konterfei des Emirs samt Fußball künden von der WM-Vorfreude zwischen den Kränen. Der Bauboom in Katar ließ nicht nur die Skyline innerhalb kürzester Zeit in die Höhe schießen. Er brachte auch prachtvolle künstliche Lagunenstädte und artifizielle Inseln wie „The Pearl“, auf denen sich Luxus-Apartments und Shops aneinanderreihen. Das neueste Urbanisierungsprojekt, mit dem im Nordosten Dohas über 20 km2 Wüste bebaut werden, heißt „Lusail City“.
Doch noch mehr. Auch der künftige mobile Breitbandturbo Long Term Evolution, kurz LTE, wird hier im Wüstenstaat bereits getestet. Alcatel-Lucent zeigt im Wissenschafts- und Technologiepark die Übertragung eines Youtube-Videos über Mobilfunk in höchster Auflösung mit allen spektakulären Fußballstadien für die Weltmeisterschaft.
Der Regulierer in Katar hat bereits Frequenzspektrum zum Testen freigegeben. Zusammen mit den anderen Staaten des Golfkooperationsrates, zu dem Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrain, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate gehören, hat Katar wie hierzulande das 800-MHz-Spektrum auserkoren. „In Katar wird es keine Auktion geben und LTE voraussichtlich 2012 starten“, blickt Vodafone-Manager Tombleson nach vorne. NIKOLA WOHLLAIB
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