Hacker erklärt den VW-Betrug
Wenn noch irgendwer geglaubt hat, dass die digitale Welt nicht unser ganzes Leben umwälzt, dann sollte er dieser Tage nach Hamburg schauen. Denn beim Chaos Communication Congress zeigt sich: Die guten Hacker prangern nicht mehr nur Spionage und unsicheres Online-Banking an.
Eigentlich ist das große Thema des 32. Jahrestreffens beim Chaos Computer Club die „Gated Community“. Die abgeschlossene Gemeinschaft also. Interessante Themenwahl bei einem Verein. Einem Klub zumal, dessen Mitglieder seit Jahrzehnten Dinge tun, die für die meisten Erdenbewohner ewig geheimnisvoll bleiben werden.
Dieser Tage trifft sich die Hackergemeinde in Hamburg. Und das neueste Beispiel für Enthüllungen, die doch irgendwie geheimnisvoll bleiben, lieferte hier jetzt Felix Domke. Er ist selbst Besitzer eines Diesel-VW – einer von denen, deren Abgaswerte nicht so toll sind wie vom Hersteller mal behauptet. Weil er Hacker ist und das mal genau wissen wollte, untersuchte Domke die Software.
Auto wird zu „alternativem Modus“ gezwungen
Wie er dabei genau vorging, gibt beispielsweise das Online-Fachmagazin golem wieder: „Mit Hilfe eines Hardware-Bugs gelang es ihm, den Flashspeicher für den Infineon TriCore-Chip auszulesen. Dieser enthält 2 MByte Binärcode, den Domke anschließend mit einem Disassembler lesbar machte.“ Diesen Schritten folgten einige weitere, die nicht jedem etwas sagen. Für Nicht-IT-Spezialisten ist nur das Ergebnis wichtig: Domke fand heraus, dass sich die Menge der „AdBlue“ genannten Harnstofflösung, die zur Abgasreinigung in den Motoren dient, bei steigendem Tempo immer weiter reduzierte, schließlich fast bis auf null.
Der Hacker bringt das Verfahren so auf den Punkt: Das Auto werde gezwungen, in einem alternativen Modus zu fahren, bei dem weniger AdBlue abgegeben wird als optimal. Klar ist seit langem, dass VW auf diese Weise ideale Ergebnisse bei Abgastests erzielen wollte, während bei realen Fahrten vor allem Sprit gespart werden sollte. Domke schließt aus den Manipulationen, die er fand, nun zusätzlich: Der Autobauer wollte die Zeit bis zum Nachfüllen der AdBlue-Lösung verlängern.
Spezialist für Auto-Software
Domke hat sich seit einigen Jahren auf die Software in Autos spezialisiert. Vor einiger Zeit demonstrierte er bereits, wie die gesamte Infotainment-Software gegen selbstgewählte Programme ausgetauscht werden kann, die sich dann etwa über die Tasten am Lenkrad steuern lässt – ob E-Mail-Programme, Wetterdaten oder sonstige per Internet übermittelte Daten.
Mit der VW-Präsentation sorgte Domke für die ersten Schlagzeilen des diesjährigen Kongresses. Weniger Widerhall fand tags zuvor der Auftritt von Berliner Hackern, die zeigten, wie leicht es sein kann, EC-Karten-Terminals zu manipulieren. Ihr Fazit: Nicht nur die Software, sondern auch die Hardware solcher Systeme ist sehr betrugsanfällig.
Somalierin hielt die Keynote
Top-Thema bei den rund 130 Vorträgen des Kongresses, an dem rund 12.000 Besucher teilnehmen, soll aber ja die „Gated Community“ sein. Hackergruppen wie der CCC kritisieren in diesem Zusammenhang nicht nur Anbieter wie Apple und Google, die ihre Kunden quasi zwingen, stets ihre Produkte zu nutzen. Die Kritik ist angesichts der Flüchtlingskrise diesmal doppelbödig und allgemeinpolitisch.
Die Keynote der Veranstaltung hielt dementsprechend eine junge Frau, die von sich sagt, dass sie gar nicht weiß, was Hacken ist. Aber die 26 Jahre alte Fatuma Afrah weiß genau, was geschlossene Gemeinschaften sind: Als Kind floh sie aus ihrer Heimat Somalia nach Kenia. Im Jahr 2014 musste sie auch von dort wieder fliehen und kam nach Deutschland. Die Botschaft der Kongressveranstalter war also mehr als eindeutig: Deutschland darf keine geschlossene Gesellschaft sein. Nicht virtuell und nicht im wahren Leben.
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