Hitachi: Attentäter von Boston hätte man binnen Stunden finden können
Dank noch intelligenterer Kamera- und Überwachsungstechniken werden Straftaten in Zukunft noch viel schneller aufgeklärt werden können als heute. Die Täter des Bombenattentats in Boston würden in Zukunft nicht innerhalb von Tagen, sondern von Stunden ermittelt, prophezeit Hubert M. Yoshida, Technologiechef von Hitachi Data Systems, im Interview mit den VDI nachrichten.
„Es wandert immer mehr auch analytische Intelligenz in die Geräte in der Netzwerkperipherie“, so Yoshida. „Die technischen Schnittstellen und Programmiermethoden werden einfacher und stärker automatisiert, Filesysteme werden durch objektorientierte Speicher ersetzt, komplexe Abfragesprachen wie SQL verschwinden.“
Nach dem Anschlag auf den Boston-Marathon hätten solche Systeme die Täter, die von Überwachsungskameras aufgenommen wurden, innerhalb kürzester Zeit identifiziert. „Hätten Maschinen die Aufnahmen der Überwachungskameras scannen und sogar autonom auswerten können, hätte man vielleicht die Täter innerhalb von Stunden finden und damit verhindern können, dass sie überhaupt zu entkommen versuchten – vielleicht hätte sich auch die gesamte Tat verhindern lassen“, so Yoshida.
Aus zwei Tagen Recherche könnten Stunden werden
In Boston hatte das FBI zwei Tage gebraucht, um die Täter auf den Aufnahmen zu finden. Allerdings musste die Bundespolizei an die Öffentlichkeit gehen, um durch Hinweise aus der Bevölkerung die Täter zu identifizieren. Dadurch waren die Täter gewarnt. Bei der Festnahme starben ein Polizist und ein Attentäter.
Solche automatisierten Auswertungssysteme sieht Yoshida auch in anderen Bereichen auf dem Vormarsch, etwa an den Finanzmärkten. „Hier profitieren nur noch diejenigen, die automatisierte Trading- und Analysealgorithmen verwenden und in Sekundenbruchteilen agieren. Solche Lösungen sind aber teuer. Auf diesem Markt hat ein Kleinanleger im Grunde keine Chance mehr, er ist einfach zu langsam.“
Überwachung von Personal durch Sensoren
Mit dem Hitachi Business Sensor hat der Konzern eine Technik entwickelt, die die weitgehende Überwachung zum Beispiel von Verkaufspersonal erlaubt. „Er passt ans Revers, hat fünf Infrarot-Sensoren, kommuniziert drahtlos, hat einen Beschleunigungsmesser, erkennt Temperatur, Stimmhöhe und alles, was sich in 2 m Umkreis befindet und arbeitet mit einer für zwei Tage reichenden Batterie“, beschreibt Yoshida. „Dieser Sensor misst, wie sein Träger sich bewegt, ob er laut oder leise spricht, mit wem er kommuniziert etc. Ein Unternehmen stellte mithilfe des Sensors fest, dass es den Umsatz um 15 % steigern konnte, wenn es nur 16 Sekunden lang einen Mitarbeiter an einem bestimmten Punkt des Verkaufsareals platzierte.“
Yoshida plädiert aber dafür, solche Technologien mit Augenmaß einzusetzen. Letztlich komme es darauf an, „die Verantwortung dafür zu übernehmen, was wir tun, entwickeln und anbieten. Dies vorausgesetzt, bin ich davon überzeugt, dass wir die Welt mit solchen Technologien ein Stückchen besser machen können.“
Hier das Interview im Wortlaut:
Yoshida: Es wandert immer mehr auch analytische Intelligenz in die Geräte in der Netzwerkperipherie. Die technischen Schnittstellen und Programmiermethoden werden einfacher und stärker automatisiert, Filesysteme werden durch objektorientierte Speicher ersetzt, komplexe Abfragesprachen wie SQL verschwinden.
Ein Beispiel: Die Bombenattentate während des Boston Marathon fanden an einem Montag statt. Da an vielen Stellen Überwachungskameras hingen, scannte das FBI sofort das aufgenommene Material. Nur zwei Tage später hatte das FBI zwei Verdächtige identifiziert und ging am Mittwoch mit diesen Informationen an die Öffentlichkeit. Durch Hinweise aus der Bevölkerung konnte man den Verdächtigen Namen zuordnen. wodurch leider auch die beiden erfuhren, dass man sie suchte. Sie versuchten zu fliehen, was vereitelt wurde. Am Freitag war der Fall aufgeklärt, aber ein Polizist und einer der Täter wurden erschossen. Hätten Maschinen die Aufnahmen der Überwachungskameras scannen und sogar autonom auswerten können, hätte man vielleicht die Täter innerhalb von Stunden finden und damit verhindern können, dass sie überhaupt zu entkommen versuchten – vielleicht hätte sich auch die gesamte Tat verhindern lassen.
2004 veröffentlichte der Ökonom Thomas Friedman „Die Welt ist flach“, ein viel gelesenes Buch über Globalisierung. Seine wichtigste Aussage ist, dass durch die Verbreitung schneller Kommunikationsverbindungen und Mobiltelefone viele neue Wettbewerber aus ärmeren und entlegenen Ökonomien oder Regionen mit mehr oder weniger gleichen Chancen auf die Märkte gelangen können: Ein Mobiltelefon lieferte bisher in Akkra, Ghana, und New York dieselben Informationen, ein Programmierer aus Russland, Brasilien oder Indien kann mit seinem Auftraggeber im Westen auf Augenhöhe kommunizieren. Doch mit Big Data ist das nicht mehr der Fall. Durch Big Data bekommen diejenigen einen Vorteil, die die technischen Mittel haben, die vorhandenen Daten optimal analytisch auszuwerten, es gibt also wieder ein Gefälle statt einer flachen Welt.
Ja, natürlich. Zum Beispiel den Börsenhandel. Hier profitieren nur noch diejenigen, die automatisierte Trading- und Analysealgorithmen verwenden und in Sekundenbruchteilen agieren. Solche Lösungen sind aber teuer. Auf diesem Markt hat ein Kleinanleger im Grunde keine Chance mehr, er ist einfach zu langsam.
Man muss sogar. Immer mehr Unternehmen beginnen zu verstehen, dass sie auch gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen müssen, sonst werden die Ungleichgewichte auf der Welt zu groß, und das schadet dann auch den Unternehmen, die vielleicht keine Kunden mehr finden. Wir bei Hitachi fokussieren uns deshalb besonders auf soziale Innovationen, also Innovationen, die der Gesellschaft als Ganzes nutzen. Wir wollen im Grunde, dass die Vorteile der Technologie möglichst allen zugänglich sind.
Anlässlich der Olympiade haben wir in London ein System installiert, das den Zugverkehr entsprechend der Anfangs- und Beendigungszeiten der Veranstaltungen in den Stadien lenkte und das rollende Material mithilfe von Echtzeit-Daten überprüfte, um Ausfälle proaktiv zu verhindern. Dadurch kam es nicht zu Verkehrschaos und Zugausfällen. Das System läuft jetzt weiter in der London Underground. Ähnliche Beispiele gibt es aus der Wasserwirtschaft, dem Gesundheitssystem oder der Prüfung von Lebensmitteln. Um sie zu realisieren, braucht man tiefes Wissen aus den Fachdomänen, das wir bei Hitachi über andere Konzernbereiche bekommen.
IT kann politische Entscheidungen nicht ersetzen. Sie liefert aber Werkzeuge, um bessere Entscheidungen im Sinne der Gesellschaft zu treffen und sie umzusetzen. Zudem gibt es auch sehr interessante Anwendungen für Unternehmen. Wir haben zum Beispiel den Hitachi Business Sensor entwickelt, er passt ans Revers, hat fünf Infrarot-Sensoren, kommuniziert drahtlos, hat einen Beschleunigungsmesser, erkennt Temperatur, Stimmhöhe und alles, was sich in 2 m Umkreis befindet und arbeitet mit einer für zwei Tage reichenden Batterie. Dieser Sensor misst, wie sein Träger sich bewegt, ob er laut oder leise spricht, mit wem er kommuniziert etc. Ein Unternehmen stellte mithilfe des Sensors fest, dass es den Umsatz um 15 % steigern konnte, wenn es nur 16 s lang einen Mitarbeiter an einem bestimmten Punkt des Verkaufsareals platzierte.
Vielleicht. Doch immerhin tragen heute viele freiwillig ein Smartphone mit sich herum, das auch nichts anderes ist als ein komplexer und mächtiger Sensor. Menschen nutzen das Smartphone, um höchst intime Dinge, etwa ihren Schlaf, ihr Bewegungspensum oder ihr Gewicht zu überwachen oder sogar überwachen zu lassen, und finden das nützlich. Letztlich kommt es also darauf an, die Verantwortung dafür zu übernehmen, was wir tun, entwickeln und anbieten. Dies vorausgesetzt, bin ich davon überzeugt, dass wir die Welt mit solchen Technologien ein Stückchen besser machen können.
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