Inside Handy: Ein Schatz in der Schublade
Moderne Handys sind klein und leicht. Aber immer noch stecken in jedem Gerät bis zu 60 verschiedene Stoffe, von denen einige immer knapper werden – bei weltweit mehr als einer Milliarde verkaufter Mobiltelefone pro Jahr eine Herausforderung für die Industrie.
Die Zahl der Mobilfunkkunden steigt rasant. Knapp 5 Mrd. Handyverträge weltweit verzeichnet die UN-Telekommunikationsagentur ITU (International Telecommunication Union). Die Industrie produziert mehr als 1 Mrd. Geräte pro Jahr. Viele nutzen inzwischen neben dem privaten auch ein dienstliches Mobiltelefon – und immer neue Modelle sorgen für wahre Altgerätesammlungen in etlichen privaten und dienstlichen Schubladen.
Während der Absatz blendend läuft, kommen auf die Hersteller an anderer Stelle Probleme zu: Sie benötigen für die Produktion einige Metalle, die immer knapper werden – einige reichen nach jetzigem Wissensstand nur noch wenige Jahre, bei anderen hinkt das Angebot der Nachfrage hinterher. Alternativen? In vielen Fällen bislang Fehlanzeige.
Beispiel Tantal: Kondensatoren mit diesem Metall machen nicht nur sehr kleine Handys möglich, sondern haben auch eine lange Lebensdauer, einen geringen Stromverbrauch und eine hohe Widerstandskraft gegen Temperaturschwankungen.
„Es gibt zurzeit keinen Ersatzstoff für Tantal, der den Anforderungen moderner Mobiltelefone gerecht wird“, sagt Patrick Wäger, wissenschaftlicher Projektleiter bei der Schweizer Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa. Die Industrie arbeitet zwar an Kondensatoren, in denen Aluminium, Keramik oder Niob das Tantal ersetzen, diese Varianten sind aber noch nicht ausgereift.
Rein rechnerisch besteht dennoch kein Zeitdruck: Weltweit gibt es nach einer Schätzung des U.S. Geological Survey (USGS), des geologischen Dienstes der USA, Coltan-Reserven – Coltan ist Ausgangsstoff für Tantal – für weitere 150 Jahre. Aber diese Reserven sind nur bedingt zugänglich: Große Teile liegen in politisch instabilen Regionen wie der afrikanischen Republik Kongo oder sind noch gar nicht erschlossen. Die meisten Hersteller versuchen daher, Tantal-Kondensatoren so klein wie möglich zu produzieren.
Problematischer ist die Situation bei Indium. Laut USGS liegt das weltweite Vorkommen bei 16 000 t, 11 000 t gelten als wirtschaftlich förderfähig – eine recht überschaubare Reserve, da pro Jahr gut 600 t raffiniert werden. Das weiche, silberfarbene Metall wird außerdem nicht direkt gefördert, sondern bei der Verhüttung von Zink gewonnen. Dotiertes Indiumzinnoxid (ITO) erreicht fast metallische Leitfähigkeit und ist trotzdem transparent, das macht es perfekt für die bei Displays notwendige lichtdurchlässige Beschichtung.
„Dass die Indiumproduktion an die gerade wenig attraktive Förderung einiger Basismetalle gekoppelt ist, ist problematisch – ebenso die Nutzungskonkurrenz der verschiedenen Industrien, die auf Indium angewiesen sind“, sagt Volker Handke, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Berliner Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT). Die Solarindustrie, die ITO für Dünnschichtmodule verwendet, kann zwar auf aluminiumdotiertes Zinkoxid ausweichen, für Flachbildschirme, Displays und Leuchtdioden gibt es jedoch noch keine Alternativen zum Indium.
Ein möglicher Weg, um beim Indium die Situation zumindest für einige Jahre zu entschärfen und so für mehr Zeit für die Suche nach Alternativen zu sorgen, wäre ein effizienterer Umgang mit dem Material.
Noch viel ungenutztes Potenzial also – und das gilt für alle Etappen der Indiumverwertung. Denn auch bei der Verarbeitung zu LCD-Displays oder Dünnschichtsolarzellen wird Indium noch nicht optimal genutzt. „Mehr als 50 % Materialausbeute bekommt bei den verschiedenen Dünnschichtverfahren zurzeit niemand hin“, sagt Handke. Beim Sputtern von ITO-Schichten beispielsweise, ein hauptsächlich im LCD-Bereich eingesetztes Verfahren, liege die Materialausbeute nur bei mageren 3 %. Beim Sputtern in der Produktion von Dünnschichtsolarzellen auf Kupferindiumselenid-Basis (CIS-Zellen) würden 23 % erreicht.
Weiterer Spitzenreiter auf der Liste der sich verknappenden Metalle: Gallium. Die Situation ist ähnlich wie bei Indium. Gewonnen wird Gallium ebenfalls nur als Nebenprodukt, vor allem bei der Aluminium- und Zinkherstellung, verwendet wird es – weitgehend alternativlos – ebenfalls in den Bereichen Dünnschichtphotovoltaik, LED und LCD.
Angesichts der großen weltweiten Bauxitvorkommen – Basis für Aluminium – ist Gallium zwar physisch nicht knapp, aber da die Gewinnung an der Aluminiumnachfrage hängt und damit konjunkturellen Schwankungen ausgesetzt ist, gilt die Versorgung trotzdem als problematisch.
Die Studie „Critical Metals“ des Freiburger Öko-Instituts, die 2009 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Unep) veröffentlicht wurde, zeigt: Bei Gallium und Indium könnte es bereits in fünf Jahren Verknappungen geben, wenn die stürmische Nachfrage anhält. Für Lithium zeichnet sich eine solche Verknappung bereits wenige Jahre später ab, da der neue Fokus auf der Elektromobilität seitens der Automobilhersteller zu einer großen Nachfrage nach leistungsstarken Lithium-Ionen-Akkus führen wird.
Palladium und Platin sind ebenfalls betroffen: Die Erholung der globalen Automärkte treibt die Nachfrage nach den Edelmetallen, die vor allem im Automobilbau zur Katalysatorherstellung eingesetzt werden. Für weitere Nachfrage sorgen Medizintechnik und Schmuckindustrie.
Eine Nachfrage, die größer ist als das Angebot, bringt für die Hersteller noch ein weiteres Problem mit sich: steigende Preise. Nicht nur begrenzte Reserven oder konkurrierende Industrien sind der Auslöser. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat einen Ansturm auf Edelmetalle wie Platin, Gold und Silber ausgelöst, der angesichts der aktuellen Währungsturbulenzen weiter anhält. Da die meisten Anleger die Metalle nicht mehr nur in Form von Zertifikaten oder Futures im Depot haben wollen, sondern in physischer Form, bekommt die Industrie hier ungewohnte Konkurrenz. Ein kostenträchtiges Problem, immerhin enthält eine Tonne Han-dys rund 4 g Platin, 340 g Gold und 3500 g Silber.
Recycling gilt derzeit als Königsweg, um bei der Produktion von Mobiltelefonen der Verknappung etlicher Metalle auszuweichen, auch wenn das Zerlegen des Materialmix technisch komplex ist.
Die Studie des Öko-Instituts schlägt vor, die Ressourcen-Einbahnstraße zu einem Kreisverkehr umzubauen. Hierzu brauche es eine spezialisierte Industrie und ein engmaschiges Netzwerks zwischen Käufern und Verkäufern weltweit.
Auch in Deutschland gibt es inzwischen etliche Adressen, wo Mobilfunkkunden ihre alten Handys abgeben oder sogar verkaufen können. Eine Möglichkeit, um den Schatz in der Schublade doch noch zu heben. PETRA HANNEN
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