Chipboykott: USA teilen die Welt in Gut und Böse
Die US-Regierung hat im Januar neue Exportbeschränkungen für KI-Produkte und -services beschlossen. Ob das Bestand hat, ist unsicher.
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Die US-Regierung unter Joe Biden hat am 13. Januar in aller Eile neue Exportkontrollen für verschiedene KI-Produkte und -Services veröffentlicht. Das betrifft vor allem die Grafikprozessoren von Nvidia, die sich am besten zum Trainieren von KI-Modellen eignen. Die Richtlinie baut auf früheren Maßnahmen auf, die sich vor allem auf China, Nordkorea und Russland konzentrierten.
Inhaltlich geht es in der neuen Regelung darum, die Anzahl der KI-Chips, die in bestimmte Länder exportiert werden dürfen, zu begrenzen. Hierzu wird die Welt in drei Gruppen eingeteilt. Eine kleine Gruppe enger Verbündeter und Partner ist größtenteils von den Beschränkungen ausgenommen, da sie als vertrauenswürdige Partner gelten, bei denen das Risiko von Diebstahl und Umleitung in andere Länder gering ist. Diese Länder sind Australien, Belgien, Kanada, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, Japan, die Niederlande, Neuseeland, Norwegen, die Republik Korea, Spanien, Schweden, Taiwan und das Vereinigte Königreich.
„Besorgniserregend“ und damit nicht berechtigt, KI-Technologie zu erhalten, sind die Länder, gegen die die Vereinigten Staaten ein Waffenembargo verhängt haben, etwa die VR China oder Russland. Alle anderen Länder fallen in eine mittlere Kategorie, für die unterschiedliche Regelungen gelten. Zu diesen Ländern gehören unter anderem Mexiko, Portugal, Israel und die Schweiz.
Die Gründe für die KI-Exportverschärfung
Dass Präsident Biden diese Exportverschärfung noch schnell zum Ende seiner Amtszeit erlassen hat, geht auf zwei bedeutende Ereignisse im vergangenen Dezember zurück: OpenAI veröffentlichte sein neuestes Modell, o3, das bei einem Benchmark für komplexes Reasoning 88 % erreichte – bislang lag der Bestwert bei mageren 32 %. „Die Einschätzungen über die zukünftige Leistung von KI müssen angesichts dieser Ergebnisse neu überdacht werden“, sagte damals François Chollet, ein ehemaliger KI-Forscher bei Google und prominenter Skeptiker des Arguments, dass „allgemeine künstliche Intelligenz“ (AKI) in absehbarer Zeit nicht erreichbar sei.
Zeitgleich veröffentlichte auch das chinesische Unternehmen Deepseek ein Open-Source-KI-Modell, das jedes amerikanische Open-Source-Sprachmodell übertraf, einschließlich der Llama-Reihe von Meta. Die Leistung überraschte viele KI-Forscher und US-Beamte, die geglaubt hatten, China hinke in Sachen KI-Fähigkeiten weit hinterher. Doch Deepseek hatte es geschafft, trotz eines weltweiten Chipembargos der US-Regierung gegen den Verkauf an China ein KI-Modell von Weltklasse zu entwickeln.
Damit war die US-Regierung in Zugzwang geraten. Folglich gab die US-Handelsministerin Gina Raimondo als Begründung für die neue Regelung an, dass „die USA zwar derzeit führend in der KI-Entwicklung und im KI-Chip-Design sind; es sei aber entscheidend, dass das auch so bleibt“. Und deshalb sei „die Verordnung so ausgelegt, dass modernste KI-Technologie nicht in die Hände von ausländischen Gegnern fällt“, so Raimondo weiter.
Was mit Trumps Präsidentschaft in Sachen KI-Regulierung zu erwarten ist
Die neue Verordnung soll 120 Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft treten, womit sie in die Zeit der neuen Trump-Regierung fällt. Unklar ist, wie Donald Trump damit umgehen wird. Generell teilen Trump und Biden ähnliche Ansichten über den Umgang mit China. „Ich denke, dass die Trump-Regierung diese Verordnung attraktiv finden wird, weil wir uns in einem kritischen Moment im KI-Technologiewettbewerb mit China befinden“, sagt Greg Allen, Direktor des Wadhwani Center for AI and Advanced Technologies am Center for Strategic and International Studies (CSIS), einem Thinktank in Washington.
Doch Trump wird mit vielen konfrontiert sein, die ihn drängen werden, die neuen Regeln aufzuheben. Der bedeutende Information Technology Industry Council warnte Raimondo bereits in einem Brief, dass „eine hastig umgesetzte neue Regel globale Lieferketten fragmentieren und die US-Unternehmen benachteiligen könnte“.
Auch das am stärksten betroffene Unternehmen Nvidia hat schon massiv gegen die Regelung protestiert. „Durch den Versuch, Marktergebnisse zu manipulieren und den Wettbewerb – das Lebensblut der Innovation – zu unterdrücken, droht die neue Regelung Amerikas hart erkämpften technologischen Vorsprung zu verspielen“, heißt es in einer öffentlichen Stellungnahme von Nvidias Präsident für Regierungsangelegenheiten, Ned Finkle.
Hemmnisse für Meta, Apple und Co. nicht zu erwarten
Was die weiteren Auswirkungen der neuen Beschränkungen angeht, gilt als sicher, dass sie die Rechenzentrumspläne der großen Cloud-Betreiber Meta, Apple, Amazon, Google und Microsoft voraussichtlich nicht behindern werden. Für sie gelten Ausnahmen als vertrauenswürdige Unternehmen, sodass sie weiterhin große globale KI-Cluster aufbauen können.
„Wir sind zuversichtlich, dass wir die hohen Sicherheitsstandards dieser Regel vollständig einhalten und die Technologieanforderungen von Ländern und Kunden auf der ganzen Welt erfüllen können, die sich auf uns verlassen“, sagte Brad Smith, Präsident von Microsoft, in einer Erklärung.
KI aus den USA nur für ausgewählte EU-Staaten?
Unsicherer ist dagegen, wie es mit den KI-Investitionen in den Ländern weitergeht, die hier besonders aktiv sind wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, aber auch Polen. In der EU zeichnet sich bereits politischer Streit ab. Für die EU ist es vor allem ein Dorn im Auge, dass Europa von den USA praktisch zweigeteilt wurde. „Wir sind sehr besorgt über die neuen US-Maßnahmen, die den Zugang zu KI-Chips für ausgewählte EU-Mitgliedstaaten und ihre Unternehmen einschränken“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von EU-Vizepräsidentin Henna Virkkunen und Kommissar Maroš Šefčovič.
Aus der europäischen Industrie kommt Kritik. Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung, fordert die EU-Kommission und die kommende Bundesregierung zum schnellen Handeln auf: „Diese Exportbeschränkungen senden ein fatales Zeichen. Europa muss mit einer Stimme sprechen“, so Weber in einem Statement. Noch gravierender sind die Stimmen der europäischen Unternehmer: „Das ist ein lauter Weckruf für Europa“, sagte Philippe Notton, CEO des französischen KI-Chip-Designers Sipearl. „Es gibt für die USA jetzt europäische Länder erster und zweiter Klasse, letztere können sich fortan nicht mehr auf die USA verlassen“, lautet sein scharfer Kommentar.
KI-Kurs der USA verunsichert auch Unternehmen in Deutschland
Auch für Deutschland gewinnt das Thema mit der bevorstehenden Präsidentschaft von Donald Trump jedoch an Brisanz, die Unsicherheiten bei den Unternehmen steigen. Laut einer aktuellen Bitkom-Umfrage sind 90 % der Unternehmen hierzulande vom Import digitaler Technologien und Services aus anderen Ländern abhängig, insbesondere aus den USA und China. Daher blickt die deutsche Wirtschaft mit Besorgnis in die USA. Die Hälfte der Unternehmen hierzulande passt bereits die Geschäftsstrategie und Lieferketten an.
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