Kommender Mobilfunk: Tête-à-Tête zweier Techniken
Bei der Frequenzauktion der Bundesnetzagentur wurde so viel Spektrum vergeben wie noch nie. Neben klassischen gepaarten Mobilfunkfrequenzen, die zeitgleich empfangen und senden können, zahlten die Bieter auch für ungepaarte Pendants. Sie liegen bei der kommenden Mobilfunkgeneration LTE (Long Term Evolution) rund um 2,6 GHz. Dabei kommt die sogenannte TDD-Technik (Time Division Duplexing) zum Einsatz. Der Up- und Download von Daten und Sprache geschieht zeitversetzt durch schnelles Umschalten. Eine Technik, die China vorantreibt, doch sie kommt auch in Europa zum Einsatz.
So manches Ergebnis der Frequenzauktion der Bundesnetzagentur, die im Mai zu Ende ging, hat auch Mobilfunkexperten überrascht. Zur Erinnerung: Für 4,38 Mrd. € gingen 41 Frequenzblöcke quer durch die mobile Funklandschaft von 800 MHz bis hoch zu 2,6 GHz weg.
Mit den höheren Frequenzen können die Mobilfunkbetreiber vor allem Städte und damit die datenhungrigen iPhone- & Co.-Besitzer auf Basis der kommenden Mobilfunkgeneration LTE (Long Term Evolution) mit Bandbreite versorgen.
Hier wurde nicht nur in das gepaarte Spektrum kräftig investiert. Dort soll künftig die FDD-Technik (Frequency Division Duplexing) zum Einsatz kommen, bei der Up- und Downlink-Kanäle je eine eigene Trägerfrequenz nutzen und somit eine Übertragung in beide Richtungen gleichzeitig vonstatten gehen kann.
Die Überraschung: „Auch das ungepaarte Spektrum im 2,6-GHz-Band ging zu weit höheren Preisen als gedacht an alle vier Netzbetreiber weg“, kommentiert Arne Schälicke von Nokia Siemens Networks (NSN) die Frequenzauktion im Nachhinein.
Der LTE-Experte meint damit zehn 5-MHz-Häppchen der insgesamt 360 MHz im ungepaarten Bereich rund um 2,6 GHz. Sie waren vor allem von Vodafone stark nachgefragt. Auch O2 und E-Plus schlugen hier zu. Das ungepaarte Frequenzspektrum war bisher in hiesigen Gefilden ein unbeschriebenes Blatt.
Zwar wurden auch bei der UMTS-Auktion im Jahre 2000 einge TDD-Frequenzen versteigert, doch Europa, die USA und Japan setzen bislang auf das gepaarte Spektrum und dabei die FDD-Technik.
Dennoch ist im LTE-Standard auch die TDD-Technik (Time Division Duplexing) vorgesehen, die vor allem China als vierte Mobilfunkgeneration auserkoren hat. Dabei werden Daten und Sprache auf nur einer Trägerfrequenz durch schnelles Umschalten zeitversetzt gesendet und empfangen, ohne dass Nutzer dies merken.
Der Vorteil: Wertvolles Spektrum wird gespart, weil nur eine Trägerfrequenz genutzt wird. Der Nachteil: Durch die schnellen Umschaltprozesse, sollen Endgeräte mehr Energie verbrauchen.
Laut Schälicke von NSN zeigten nun die Versteigerungspreise, dass auch hierzulande „Vertrauen rund um TDD-LTE im Markt“ herrsche und dass die Technik ernst zu nehmen sei. Derzeit sind frühe Anwendungen auf Basis von TDD-LTE auf der Weltausstellung in Shanghai zu sehen.
„Das TDD-LTE-Netzwerk ist eine der aufregendsten Innovationen dieser Expo“, sagt Li Changzhu, Vice-President von Huawei China. Darin stimmt ein gemischter Chor aus heimischen wie internationalen Telekommunikationsausrüster ein.
So hat der chinesische Techniklieferant ZTE das internationale Medienzentrum auf der Expo mit dem Mobilfunkturbo ausgerüstet. Journalisten aus aller Welt können sich mit Steckkarten für Notebooks in ein TDD-LTE-Testnetz einloggen und surfen.
Auch Ericsson zeigt Höhepunkte des „Volvo Ocean Race 2008–2009“ als hochauflösendes Video über ein TDD-LTE-Testnetz auf einem riesigen Monitor in dem schwedischen Pavillon. „Wir haben hier eine Basisstation mit zwei Sektoren und einen Server für die Anwendungen im Pavillon, das Kernnetz ist in unserem Shanghaier Forschungs- und Entwicklungszentrum rund 20 km vom Pavillon entfernt“, beschreibt Wangxi Zhao den Versuchsaufbau. Zudem nutze man das Netz von China Mobile und eine Testfrequenz von 2,3 GHz, sagt die hochrangige Produktmanagerin von Ericsson aus Peking.
Ob für Nokia Siemens Networks oder all die anderen Ausrüster, während der Expo ist dieses Netz von China Mobile unentbehrlich. Mit seinen 500 Mio. Handynutzern hat der größte Mobilfunkbetreiber der Welt TDD-LTE maßgeblich nach vorne getrieben. Nicht ohne Grund, denn China Mobile hat als UMTS-Equivalent einen eigenen Standard entwickelt, der ebenfalls auf dem ungepaarten Spektrum beruht und das Kürzel TD-SCDMA trägt. Das steht für den Fachbegriff Time Division Synchronous Code Division Multiple Access.
Um schnell auch die rasant wachsende Gemeinde an mobilen Datennutzern zumindest in den vielen Städten mit über 10 Mio. Einwohnern befriedigen zu können, hat der Mobilfunkriese mit TDD-LTE ein Pfund in der Hand.
Obwohl die Entwicklung von TDD-LTE rund zwei Jahre später angefangen hat, seien große Fortschritte erzielt worden. Davon ist Bill Huang überzeugt. Die Tests auf der Expo hätten gezeigt, dass man beim Herunterladen von Daten bis zu 20 Mbit/s und beim Heraufladen bis zu 6 Mbit/s erreichen könne. „In den kommenden zwölf Monaten können wir die neue Mobilfunkgeneration kommerziell einführen“, sagte der Chef des China Mobile Research Institute.
Hongchun Liu, Shanghaier Chef der TDD-LTE Entwicklung bei ZTE, bestätigt, dass ab Herbst drei Großtests „mit mehreren Hundert Basisstationen und Tausenden Steckkarten für Notebooks in Shenzhen, Nanjing und Xiamen“ für China Mobile von ZTE ausgerollt werden.
„Die Netztechnik steht, aber die Datenkarten für TDD-LTE sind noch eine große Herausforderung.“ Momentan kosteten sie noch bis zu 3000 $.
Thierry Tingaud, Senior Vice-President beim Chiphersteller ST Ericsson, ist zuversichtlich, bereits im Juli China Mobile erste Muster liefern zu können. „Für das kommende Jahr planen wir, die beiden LTE-Modi in Kombination mit TD-SCDMA und HSPA auf eine Plattform zu packen.“
Doch nicht nur in China wird mit TDD-LTE experimentiert. „Für T-Mobile in Tschechien starten wir auch einen LTE-Trial im TDD-Modus“, sagt Peihong Hou, CTO von ZTE Deutschland und Managing Director der ZTE Business Unit Deutsche Telekom. „Anfang nächsten Jahres wird dort auch das Zusammenspiel beider Modi getestet“, sagt Peihong Hou. NIKOLA WOHLLAIB
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