Lieber die Antenne auf dem Dach als das Handy in der Hand
Angesichts drohender Antennenwälder geraten Mobilfunkstationen verstärkt ins Visier kritischer Bürger. Nach Ansicht einiger Wissenschaftler könnten die Belastungen durch elektromagnetische Felder der Sendemasten sogar geringer sein als die von Handys.
Bundeswirtschaftsminister Werner Müller reagierte auf zunehmende Ängste von Bürgern vor Mobilfunk-Antennen. Er will die Voraussetzungen für die Genehmigung einer Sendestation in einer Verordnung festlegen. Die dem Ministerium unterstellte Regulierungsbehörde soll künftig durch Messungen die Einhaltung der Grenzwerte überprüfen und zudem eine Datenbank bereitstellen, die für die Kommunen alle wichtigen Informationen über Sendestandorte enthält. Darüber hinaus werden die Gerätehersteller verpflichtet, die Abstrahlwerte ihrer Handys offen zu legen.
Ob aber nun das Handy und die Sendestationen krank machen, lässt sich kaum eindeutig beantworten. Nach bisherigen Erkenntnissen sind weder Mobilfunkstation noch das Mobiltelefon gesundheitsschädlich, weil die geltenden Grenzwerte ausreichen, um Risiken auszuschließen – sagt zumindest die Industrie und ein Teil der Wissenschaftler. Die Gegenposition: Auch wenn es noch keine wissenschaftlichen Beweise für akute Gesundheitsschäden gibt, „können wir mit Sicherheit sagen, dass die gültigen Grenzwerte die Gesundheit der Menschen nicht ausreichend schützen“, warnt BUND-Geschäftsführer Gerhard Timm.
Eine schnelle Klärung scheint nicht in Sicht, das zeigte auch eine Diskussionsveranstaltung der Forschungsgemeinschaft Funk und der Zeitschrift NetworkWorld Germany auf der IFA 2001. Es sei „äußerst schwierig und sehr teuer, die Strahlung von Mobiltelefonen messtechnisch zu erfassen“, bedauert der Nachrichtentechniker Matthias Wuschek von der Fachhochschule Deggendorf.
Die Arbeitsmedizinerin Ingeborg Ruppe von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Berlin) hält „saubere epidemiologische Untersuchungen“ für unmöglich, weil niemand nur isoliert dem Handy ausgesetzt sei. Die mögliche Gefährdung durch Handystrahlung kann demnach wissenschaftlich nicht einfach untersucht und nachgewiesen werden.
Etwas anders sieht es bei den Sendeanlagen aus. Wuschek gibt zumindest im Hinblick auf den Standort Entwarnung: Die Forderungen nach einem Sicherheitsabstand seien „wissenschaftlich nicht begründbar“. Die Messungen in einem Krankenhaus mit einer Basisstation auf dem Dach zeigten, dass die Emission von einem etwa 900 m entfernten Sender weit höher lag als die Strahlung vom eigenen Haus. Messungen belegten, dass die unmittelbare Nähe zur Mobilfunkstation sogar ihre Vorteile habe, da Handys bei geringer Entfernung weniger Leistung für das Einbuchen in die Basisstation bräuchten. Fazit: Die Antenne auf dem Dach ist weniger belastend als ein Handy, das gerade nach einer Funkzelle sucht.
Die Angst vor Elektrosmog scheint aber auch ein psychologisches Problem zu sein. Ruppe: „Die Frage sei erlaubt, ob tatsächlich das elektromagnetische Feld Verursacher von Beschwerden ist oder die Angst davor.“ Denn bei bislang allen von ihr untersuchten Elektrosensiblen habe sich kein Befund bestätigt.
Die Arbeitsmedizinerin sieht aber weiteren Forschungsbedarf. Vorrangig sollten die Auswirkungen auf das Immunsystem, die Blut-Hirn-Schranke und Krebs weiter untersucht werden. Und: Natürlich fehlt es an Langzeit-Erfahrung. Denn noch war kein Mobilfunknetz kontinuierlich über 20 Jahre im Einsatz. BIRGIT BÖHRET
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