Nvidia bittet Autohersteller zur virtuellen Probefahrt
Autonome Fahrzeuge müssen getestet werden, aber wie und wo soll das passieren, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden? Im virtuellen Raum etwa, sagt Nvidia und stellt ein neues Simulationsprogramm dafür vor.
Autonome Fahrzeuge sollen in Zukunft der breiten Masse zur Verfügung stehen. Schon heute testen dafür immer mehr Hersteller autonome Modelle auf den Straßen. Einige Unternehmen, wie Tesla und Uber, verwenden straßentaugliche Fahrzeuge mit einem Autopiloten. Dabei kommt es allerdings immer wieder zu Unfällen. Nach dem zweiten tödlichen Verkehrsunfall stehen die autonomen Fahrzeuge und deren Technik wieder einmal im Kreuzfeuer. Doch damit die Hersteller ihre Technik verbessern können, müssen die Fahrzeuge auch im Straßenverkehr getestet werden.
Sichere virtuelle Testumgebung für autonome Fahrzeuge
Das Softwareunternehmen Nvidia, das selbst autonome Testwagen fahren lässt, aber eigentlich aus einem Geschäftsgebiet kommt, nutzt die Gunst der Stunde und stellte der Öffentlichkeit nun ein „Drive Constellation Simulation System“ vor. Mit diesem computergestützten System können die autonomen Fahrzeuge problemlos Millionen von Testkilometern fahren, ohne Menschen zu gefährden. Außerdem lassen sich Unfälle und Probleme auf den öffentlichen Straßen verhindern. Und trotzdem können die Hersteller ihre verschiedenen Fahrzeugmodelle ausführlich testen und mittels der Ergebnisse weiter an der verbauten Technik feilen.
Das Simulationssystem basiert auf einer Cloud-Technologie und wurde am 28. März auf der „GPU Technology Conference“ vorgestellt. Im Detail handelt es sich um eine fotorealistische Simulation, mit der die autonomen Fahrzeuge ohne zeitliche Begrenzungen und Sicherheitsbedenken in der virtuellen Realität getestet werden können. Jensen Huang, der CEO und Gründer des Grafikkartenherstellers Nvidia hat das virtuelle Testprogramm während seiner Eröffnungsrede präsentiert.
Wie funktioniert das Drive Constellation Simulation System in der Praxis?
Das System soll den Herstellern eine besser skalierbare und sicherere Testmethode für autonome Fahrzeuge zur Verfügung stellen. Es basiert auf zwei Servern. Auf dem ersten läuft die Nvidia-Software „Drive Sim“. Das Programm simuliert alle Sensoren eines autonom fahrenden Fahrzeugs wie Radar, Lidar und Kameras. Der zweite Server mit dem Programm „Nvidia Drive Pegasus KI-Auto“ verwaltet den gesamten Software-Stack der autonomen Fahrzeuge. Der Computer verarbeitet die simulierten Daten so, als würden sie von echten Sensoren und von Fahrzeugen auf realen Straßen stammen.
Der Server für die fotorealistische Simulation setzt auf Grafikprozessoren (GPUs) von Nvidia. Diese generieren jeweils einen eigenen Strom an simulierten Sensordaten, die zur weiteren Verarbeitung direkt in den „Drive Pegasus“ eingespeist werden. Alle Fahrbefehle des Pegasus werden wieder zum Simulator zurückgeführt und sorgen für eine zuverlässige Vervollständigung der digitalen Feedbackschleife. Dieser sogenannte „Hardware-in-the-Loop-Zyklus“ wird genau 30 Mal in der Sekunde vollzogen. Damit wird sichergestellt, dass sowohl die Software als auch alle laufenden Algorithmen des simulierten Fahrzeugs richtig funktionieren.
Mit den fotorealistischen Datenströmen lassen sich viele unterschiedliche Testumgebungen realistisch erstellen. So können ohne Probleme verschiedene Wettersituationen, wie Regen- oder Schneestürme simuliert werden. Verschiedene blendende Lichtverhältnisse zu unterschiedlichen Tageszeiten oder eine eingeschränkte Sicht in der Nacht sowie alle gängigen Straßenoberflächen und Geländearten lassen sich in der virtuellen Testumgebung ohne Aufwand erzeugen. Ein besonders großer Vorteil des virtuellen Systems: Selbst gefährliche Simulationen auf den Straßen, die in realen Tests glücklicherweise selten vorkommen, lassen sich wiederholt simulieren. So kann die Reaktionsfähigkeiten der autonomen Fahrzeuge getestet werden, ohne dabei einen Menschen in Gefahr bringen zu müssen. Laut Luca De Ambroggi, dem Research und Analyst Direktor von IHS Markit, ist die virtuelle Plattform von Nvidia genau der richtige Ansatz. Mit dem Drive Constellation Simulation System ist ein einwandfreies virtuelles Validieren und Testen möglich. De Ambroggi schätzt, dass das die Entwicklung der selbstfahrenden Fahrzeuge einen großen Schritt voranbringt.
Nvidia besinnt sich mit der VR-Lösung auf seine Wurzeln
Das Unternehmen Nvidia hat 1999 die GPU erfunden und damit die moderne Computergrafik verbessert, das parallele Computing revolutioniert und dem PC-Spielemarkt einen Wachstumsschub verpasst. In den letzten Jahren leitete das auf der GPU basierende „Deep Learning“ eine neue Ära der künstlichen Intelligenz (KI) ein. Indem die GPUs als eine Art Gehirn in Robotern, Computern und in autonomen Fahrzeugen verwendet werden, können Fahrzeuge und Maschinen die Welt um sich herum besser erkennen und verstehen. Damit auch die autonomen Fahrzeuge sicher und straßentauglich werden, benötigen die Hersteller eine zuverlässige Lösung für Evaluationen und Tests. Die selbstfahrenden Fahrzeuge müssen auf Milliarden von Kilometern ausführlich geprüft werden, damit sie die für den Transport von Menschen erforderliche Zuverlässigkeit und Sicherheit erreichen können. Laut Rob Csongor, Vizepräsident von Nvidia, erfüllt das Drive Constellation Simulation System dabei alle nötigen Anforderungen. Immerhin habe Nvidia für die virtuelle Testumgebung die Expertise aus den Bereichen Rechenzentrum und Visual Computing zusammengeführt. Im Gegensatz zu den realen Tests der anderen Hersteller benötigt das System wesentlich weniger Zeit und verursacht deutlich geringere Kosten.
Wie testen die anderen Hersteller ihre autonomen Fahrzeuge?
Jeder Hersteller muss umfangreiche Tests mit seinen autonomen Fahrzeugen durchführen. Wer das nicht in einer virtuellen Testumgebung macht, nutzt Teststrecken oder reale Straßen. Mittlerweile gibt es viele Prototypen und Konzepte, die auf unseren Straßen fahren. In den USA haben die Autohersteller großzügige Freigaben bekommen und testen ihre autonomen Fahrzeuge in Kalifornien, Nevada, Florida, Texas und Washington. Der deutsche Autohersteller Audi hat vor kurzem eine Genehmigung für New York bekommen. Der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt hat vor einigen Jahren die Autobahn A9 für autonome Fahrzeuge zur Verfügung gestellt, im Jahr 2017 folgte die erste Stadt: In Berlin entstand die digital vernetze Protokollstrecke Diginet PS. Den größten Nutzen daraus ziehen die Hersteller BMW und Audi, aber auch Forschungsinstitute wie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Fraunhofer Fokus und die TU Berlin. In Baden-Württemberg soll zukünftig die Autobahn A81 freigegeben werden, Niedersachsen will einen Testring zwischen mehreren Autobahnen aufbauen. Weitere Strecken sollen in Bayern folgen.
Der Autohersteller Nvidia – Kooperationen und Konkurrenten
Das Unternehmen Nvidia kooperiert laut eigenen Angaben mit mehr als 370 Fahrzeugherstellern, Entwicklern, Forschungseinrichtungen und Direktlieferanten auf der Welt. Zu den Autoherstellern gehören Mercedes Benz, Volkswagen, Audi, Tesla, Volvo, Tusimple und Paccar. Unter anderem befinden sich im neuen A8 von Audi Chipsätze von Nvidia. Aber auch mit dem amerikanischen Dienstleistungsunternehmen Uber und dem schwedischen Uniti, das an einem Elektroauto für 14.900 Euro arbeitet, kooperiert der Chiphersteller. Und selbst beim e.Go Mover, dem E-Bus der RWTH Aachen, hat Nvidia die Finger mit im Spiel.
Konkurrenten von NVIDIA gibt es sowohl in der Automobilbranche als auch unter den Technologieunternehmen. Einer der stärksten Konkurrenten in der Chipherstellung ist der Infineon-Rivale NXP. Das Unternehmen profitiert deutlich von der Digitalisierung in der Autoindustrie und ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Auch weltbekannte Unternehmen wie Qualcomm und Intel entwickeln eigene KI-Chips und konkurrieren direkt mit Nvidia. Außerdem hat die Holding Alphabet als Muttergesellschaft von Google unter dem Namen TPU (Tensor Processing Unit) eine ähnliche KI-GPU wie Nvidia umgesetzt.
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