Oh Schreck, die Daten sind weg
Schnell noch ein paar Dinge erlegt und dabei aus Versehen den Materialbericht gelöscht oder direkt den Laptop mit allen wichtigen Infos gegrillt? Keine Panik. Für die Daten ist die Lage zwar ernst, aber nicht hoffnungslos. Denn wer Daten endgültig ausradieren möchte, muss sich anstrengen.
Jeder gewissenhafte Nutzer elektronischer Geräte weiß, dass Back-ups sinnvoll sind. Dennoch beherzigt es nur jeder Dritte und das, obwohl rund 40 Prozent der Deutschen schon einmal digital Daten verloren haben. Das ergibt eine Studie des Datenrettungsspezialisten Kroll Ontrack. Immerhin: Wer einen PC mit einer magnetischen Festplatte (HDD) nutzt, und unfreiwillig Daten löscht, findet sie in der Regel im Papierkorb wieder. Wenn der schon geleert wurde, ist die Datei aber höchstwahrscheinlich noch immer existent. Denn gelöscht heißt, dass dieser Teil der Festplatte zum Überschreiben freigegeben wurde. Auch das Formatieren der Festplatte bedeutet nicht das Aus. Es bedeutet nur, dass das Inhaltsverzeichnis gelöscht wurde. Erst wenn die Dateien Bit für Bit überschrieben wurden, kommt fast jede Hilfe zu spät. Mit einer Rettungssoftware stehen die Chancen also gut, versehentlich gelöschte Daten wiederzustellen.
Ab 850 Grad Celsius wird es für Daten brenzlig
Bei physikalischen Schäden, z.B. wenn ein Auto den Laptop überrollt hat, geht ebenfalls noch etwas. Selbst Hitze bedeutet nicht unbedingt das Aus. Wirklich brenzlig wird es, wenn der Datenträger über seine materialspezifische Curie-Temperatur erhitzt wird, denn dann werden die Magneteigenschaften zerstört. „Bei Festplatten, die aus Aluminium-Nickel-Cobalt bestehen, liegt sie bei 850 Grad Celsius. Trotzdem sind die Erfolgsaussichten bei Bränden noch immer recht hoch, da oft nur das Gehäuse selbst so heiß wird, nicht jedoch die Festplatte“, erklärt Peter Böhret, Managing Director der Kroll Ontrack GmbH in Böblingen. Bei Solid State Disks (SSD) und Flash-Speicher ist die Sache verzwickter.
Die Tücken von SSD und Flash
Bei magnetischen Festplatten werden die Daten in zusammenhängenden Blöcken gespeichert. So lassen sich die Informationen relativ gut wiederherstellen. Solid State Disks (SSD) und Flashspeicher, die im Grunde wie SSDs sind, die in Geräten verbaut wurden, sind anders konzipiert als HDDs. „Bei einer SSD gehen die Zellen nach einer bestimmten Zahl von Schreibvorgängen kaputt. Um die Lebensdauer zu erhöhen, verteilt der Kontrolleur die Daten gleichmäßig auf alle Zellen. So kommen sie auf die gleiche Zahl an Schreibvorgängen. Dadurch wird es aber auch komplizierter, die Daten wieder zusammenzuführen“, erklärt Gianluca De Lorenzis, CEO der FGND Group. Es gebe zwar auch für SSDs Tools um gelöschte Daten wiederherzustellen, ob der Versuch erfolgreich ist, hängt aber stark vom Faktor Zeit ab. „Bei einer magnetischen Festplatte können die gelöschten Daten direkt überschrieben werden. Daher bleiben sie bis zum Schluss auf dem Datenträger vorhanden“, holt der IT-Experte aus. „Bei einer SSD muss der Kontroller die Daten erst physikalisch löschen bevor der Platz zum Überschreiben freigegeben wird. Das kostet aber Zeit. Daher markiert der Kontroller die Daten und löscht sie erst, wenn der Platz gebraucht wird“. So werden die Daten im Laufe der Zeit endgültig ausradiert. Einen gefährlichen Dreh bekommt das Ganze außerdem durch die TRIM-Funktion. Sie eliminiert zum Löschen markierte Daten damit die SSD wieder schneller läuft. Auch wenn der Platz nicht benötigt wird.
Bei Hardwareschäden lieber gleich zum Profi
Wer versehentlich Daten von einer SSD gelöscht hat, sollte also lieber schnell handeln. In puncto Rettungssoftware existieren zwei Varianten: „Forensische Tools wie z.B. DiskRecovery von O&O legen Sicherungskopien der gelöschten Daten ab und können sie so wiederherstellen. Dazu muss das Programm aber natürlich schon vor dem Löschvorgang installiert sein. Für die Datenrettung im Nachgang gibt es Programme wie z.B. Instant Rediscovery“, sagt De Lorenzis, der bei physikalischen Schäden immer dazu rät, einen professionellen Datenretter mit ins Boot zu holen. Bei SSDs wird es aber auch für sie oft schwierig. „Es gibt mehr als 200 Hersteller und keine festen Standards“, bedauert Böhret. Oft müssen die Datenretter Reverse Engineering betreiben, d.h. sie bauen die Festplatten nach, um ihre Funktionsweise zu verstehen. Das macht die Rettung aufwendig und teuer.
Nicht immer sind es die spektakulären Fälle, mit denen die Datenretter zu kämpfen haben. Am häufigsten werden die Dienste von Böhret und seinen Kollegen in Anspruch genommen, weil das Speichermedium nicht erkannt wurde. Dafür kann es viele Ursachen geben. „Sehr oft liegt es daran, dass der Schreib-Lesekopf, der Kontroller oder ein anderes elektronisches Bauteil defekt ist. Oft ist auch der Service-Bereich korrupt, der die Informationen über die Platte speichert“, berichtet der studierte Informatiker. Als Grund nennt er Hardwareausfälle oder Spannungsschwankungen.
Geräte müssen sich im Winter erst akklimatisieren
Auch mit Feuchtigkeit ist nicht zu spaßen. Dabei muss der Laptop nicht unbedingt in die Badewanne plumpsen. Im Winter reicht der Temperaturschied zwischen kaltem Auto und warmer Wohnung. Böhret: „In der warmen Raumluft kondensiert die Feuchtigkeit am kühlen Gerät. Dadurch kann Feuchtigkeit eindringen“. Daher empfiehlt er Laptop & Co. erst dann einzuschalten, wenn sie sich akklimatisiert haben. Möglicherweise entstandenes Kondenswasser könne dann wieder verdunsten.
Wurde die Festplatte geflutet, ist jedoch ein ganz anderes Vorgehen gefragt: „Bevor Sie die Festplatte an einen Dienstleister weitergeben, sollten Sie sie in feuchte Tücher und dann in einen antistatischen Plastikbeutel packen“. Warum das so ist, verrät dieser Bericht, der zwar schon älter, aber keineswegs altbacken ist. Vom Trocknen rät Böhret ab: „Das Schlechteste was Sie tun können, ist das Gerät zu föhnen. Dann trocknet nämlich die Flüssigkeit ein und hinterlässt Verunreinigungen. Diese lassen sich nur schwer entfernen.“
Auf das Gerät zu hauen, ist keine Lösung
Der Informatiker warnt ebenfalls vor Eigeninitiative, wenn die Festplatte seltsame Geräusche von sich gibt oder sich nicht mehr Booten lässt. Das weist nämlich darauf hin, dass die Hardware defekt ist. „Mechanisch zerstörte Festplatten sind sehr empfindlich und sollten nur in einem fast staubfreien Reinraum geöffnet werden.“ Auch wenn das Geruckel nervt, sollte man also lieber nicht auf die Festplatte draufhauen. „Laute Geräte können darauf hinweisen, dass der Schreib-Lesekopf der Festplatte festhängt oder über die Magnetplatte kratzt. Wer gegen das Gerät schlägt während sich die Magnetplatte dreht, riskiert, dass sich der Schreib-Lesekopf noch weiter in die Platte drückt und sich der Schaden verschlimmert.“
Ein Datencrash ist schon schlimm genug. Meist haben sie aber die unschöne Eigenschaft, dass sie zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt passieren. So wie bei unserem Kollegen. Er hatte die Steuererklärung schon fast fertig als seine Festplatte die Grätsche machte. Ein Datenretter musste ran. Seine Erlebnisse hat er in einem Erfahrungsbericht niedergeschrieben.
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