Quantencomputer: Ein Quäntchen Realität
IBM hat Anfang des Jahres den ersten kommerziellen Quantencomputer vorgestellt. Der internationale Konzern will damit eine neue Ära der Computer-Technologie einläuten. Doch wie viel Potenzial steckt aktuell wirklich dahinter? Und welche Möglichkeiten ergeben sich für KI & Co.?
In einem luftgeschützten Glaskasten sieht der auf Hochglanz polierte IBM Q System One beeindruckend aus. Betrachtet man die Größendimension von 2,8 x 2,8 Metern, erinnert die IBM-Innovation jedoch eher an die Computer-Generation, die vor 60 Jahren aktuell war. Auf der Consumer Electronics Show – einer internationalen Fachmesse für Unterhaltungselektronik – in Las Vegas hat IBM Anfang 2019 den ersten kommerziellen Quantencomputer präsentiert. Als erstes sollen Forschungsinstitute und Geschäftskunden vom Q System One profitieren. Noch in diesem Jahr will IBM seine neue Maschine verkaufen. Der Preis und weitere Details sind aber noch nicht bekannt.
Wie realistisch ist das aus der Film- und Fantasiewelt bekannte Supercomputer-Szenario überhaupt? Und was bedeutet die Quantencomputer-Technologie für die künstliche Intelligenz?
So funktioniert ein Quantencomputer
Schon seit den 1970er Jahren gibt es unter Wissenschaftlern den Traum, einst mit einem Quantencomputer Rechenaufgaben zu lösen, für die selbst heutige Supercomputer ganze Jahre bräuchten. Durch die neue Ära der Supercomputer erhoffen sich Visionäre die Lösung vieler Weltprobleme. Ein Quantencomputer könnte den Straßenverkehr optimal koordinieren, bei der Entwicklung neuer Medikamente helfen oder die künstliche Intelligenz auf ein neues Level bringen. Die Funktionsweise des Quantencomputers ist allerdings von so vielen Faktoren abhängig, dass sich führende Experten einig sind: Ernst zu nehmende Quantencomputer im kommerziellen Bereich wird es erst in einigen Jahrzehnten geben.
Von herkömmlichen Computern kennen wir bisher die Bits als Rechen- und Speichereinheit. In der Quantenmechanik werden solche Einheiten als Qubits bezeichnet – soweit so gut. Ein Bit kann immer nur einen von zwei (0 oder 1) Zuständen einnehmen, während sich das Qubit für eine bestimmte Zeitspanne (Kohärenzzeit genannt) in einem Zwischenzustand aus 0 und 1 befinden kann. Der Zwischenzustand wird als Superposition bezeichnet. Bei einer Messung verliert das Qubit die Superposition und wechselt zu einem der klassischen Zustände 0 oder 1. Das Messergebnis wird also in normalen Bits gespeichert. Der Übergang aus der Superposition in den klassischen Zustand wird Dekohärenz genannt.
Die Qubits werden im Labor unter anderem aus Ionen, also geladenen Atomen, hergestellt. Diese werden in sogenannten Paul-Fallen mithilfe von elektrischen Feldern gefangen gehalten. Dabei kann ein Qubit ein nicht angeregtes Ion (mit der niedrigst möglichen Energie) sein, sich also im Zustand Null befinden. Oder es handelt sich um ein angeregtes Ion (mit zugeführter Energie) im Zustand Eins. Nun gibt es also im Prinzip drei Zustände: angeregt (1), nicht angeregt (0) und die Superposition, die den Zwischenzustand beschreibt. Die Ionen bzw. Qubits können durch Laserpulse in diese Zustände gebracht werden. Für die Umsetzung eines Quantencomputers braucht es allerdings nicht nur die Qubits, sondern ein ein Quantenregister, das aus mehreren Qubits besteht. Erst dann können Quantencomputer Rechenaufgaben lösen.
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Herausforderung für die Entwicklung von Quantencomputern
Nun handelt es sich bei der Quanten-Technologie zudem um ein komplexes Unterfangen, da es wesentliche Probleme gibt, die durch die Forschung noch nicht ausreichend gelöst worden sind.
- Problem: Anregung und Isolierung
Die wohl größte Anforderung an Qubits ist paradox. Denn diese müssen zum einen einfach zu manipulieren (leicht anzuregen) und zugleich von möglichen Störeinflüssen perfekt isoliert sein. Das macht die Quantentechnologie so kompliziert und teuer. Die Anforderungen müssen jedoch erfüllt sein, um die quantenmechanischen Effekte ausnutzen zu können. Solange sich das Qubit im Zwischenzustand (Superposition) befindet, kann eine Rechenoperation durchgeführt werden. Die Dekohärenz, also der Übergang von der Superposition in den Zustand 0 oder 1, muss daher so lange wie möglich hinausgezögert werden.
- Problem: Mehr Qubits bedeuten mehr Fehler
Das nächste Problem ist die starke Fehleranfälligkeit von Quantencomputern. Die Fehler steigen nämlich exponentiell mit der Anzahl der Qubits, weshalb bisher in der Forschung nur Geräte mit wenigen Qubits existieren. Auch der kommerzielle IBM-Rechner soll eine Rechenleistung von lediglich 20 Qubits besitzen. Denn diese Fehler können – wegen ihrer Empfindlichkeit gegenüber Störungen von außen – nicht einfach wie beim klassischen Bitsystem korrigiert werden.
Der Wert für künstliche Intelligenz & Co.
Nichtsdestotrotz entwickeln sich Technologien und ganz neue Bereiche wie die künstliche Intelligenz können von künftigen Quanten-Supermaschinen mächtig profitieren. Denn Machine-Learning basiert auf riesigen Datenmengen, die in kürzester Zeit analysiert, sortiert und gespeichert werden müssen. In Bezug auf einfachere Aufgabenbereiche können heutige Supercomputer die KI vorantreiben, in Zukunft braucht es aber neue Ansätze der Computertechnologie, um auch größere Entwicklungssprünge meistern zu können.
Aller 18 Monate verdoppelt sich die derzeitige Leistung von Computerchips. Das setzt nicht nur Hersteller unter Druck, sondern zeigt auch, was künftige Rechner leisten müssen, um komplexe Technologien zu realisieren. Ob Big Data, Cloud Computing, Nanotechnologie, Internet of Things oder KI – die Megatrends sind auf eine neue Computer-Generation angewiesen. Die Quantentechnologie wird von vielen Forschern als die Basis für neue Supercomputer gesehen. Ähnlich komplex wie um die künstliche Intelligenz steht es um unser Klima und das Wetter. Selbst mit neuesten Supercomputern kann das Wetter nur wenige Tage und zudem vage vorhergesagt werden. Auch sämtliche Klimaeinflüsse können noch nicht genau berechnet werden, um genauere Rückschlüsse des Faktors Mensch zu erhalten.
Mehr Marketing als Realität
Wie es jetzt um den Q System One von IBM steht, wissen nur die Experten von IBM. Wissenschaftler vermuten dahinter eher einen Marketingtrick als die angepriesene Revolution, da noch immer existierende Probleme nicht vollständig gelöst wurden. Des Weiteren gibt IBM bei seinem Q System One noch keine genauen Daten an, um ihn seriös bewerten zu können. Außerdem ist IBM nicht der erste Anbieter von kommerziellen Quantencomputern. Bereits seit Jahren bietet das kanadische Unternehmen D-Wave einen Quantencomputer ausschließlich für Optimierungsprobleme an.
Zwar bietet die Quantentechnologie jede Menge Potential für superschnelle Rechenleistung, befindet sich jedoch weiterhin in der Entwicklungsphase. Der Quantencomputer ist nur eine Option und muss nicht die einzige Lösung für die Zukunft bleiben. Mit ein bisschen weniger Hype und etwas mehr Forschung werden aber Unternehmen wie IBM oder wissenschaftliche Institutionen die notwendigen Quantensprünge schaffen.
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