Stau auf der Datenautobahn
Der Forscher Steffen Bondorf hat es sich zum Ziel gesetzt, vernetzte Systeme zu verstehen und herauszufinden, was theoretisch möglich ist. Deshalb hat er ein Modell entwickelt, mit dem Berechnungen auf der Datenautobahn möglich sind.
Man könnte denken, dass es auf der Datenautobahn im Gegensatz zu realen Autobahnen eher geregelt, ruhig und ohne Stau zugeht. Doch das trifft leider nicht zu. Stattdessen nimmt der Datenverkehr immer weiter zu. Und das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Antwortdauer, also die Reaktionszeit. Ein Beispiel: Man startet per Smartphone eine Google-Recherche. Dann landen diese Daten erst einmal beim nächsten Mobilfunkmast. Danach fließen sie weiter an einen Internetknotenpunkt des Netzwerkbetreibers. Von dort aus werden sie weitergeleitet, bis sie dann auf einem der Google-Server landen. Dieser sendet die Antwort retour – in der Regel auf demselben Weg.
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Der Informatiker Steffen Bondorf, der den Lehrstuhl für Verteilte und Vernetzte Systeme an der Fakultät für Informatik der Ruhr-Universität Bochum leitet, beschäftigt sich genau damit. Er hat ein Modell entwickelt, mit dem Berechnungen auf der Datenautobahn möglich sind. Dieses sogenannte Netzwerkkalkül stellt er als Tool anderen Expertinnen und Experten kostenfrei zur Verfügung.
Es ist möglich, Daten auf der Datenautobahn Vorrang zu verschaffen
Nun gibt es bei Google-Anfragen noch den Vorteil, dass aufgrund der Tatsache, dass das Unternehmen auf allen Kontinenten Server betreibt, die Wege verhältnismäßig kurz sind und deshalb auch die Antworten recht schnell erfolgen. Das gilt allerdings nicht für alle Daten, die im Netz verkehren. In anderen Fällen müssen Steuersignale zum Beispiel als interkontinentaler Datenverkehr über Unterseekabel reisen. Dann passieren die Daten unterschiedliche Streckenabschnitte und Knotenpunkte. Das beeinflusst am Ende natürlich auch die Geschwindigkeit. Und somit unterscheidet sich die virtuelle Datenautobahn kaum von der realen Autobahn: Je mehr Verkehr sich dort bewegt, desto länger wird die Wartezeit und verlangsamt das Vorankommen.
Die Hintergründe sind ganz unterschiedlich, wie der Forscher erklärt: „Das Verhalten der einzelnen Komponenten ist einerseits durch technische Gegebenheiten definiert, aber nicht nur. Es werden andererseits auch Standards definiert, die Forschende, Hersteller von Hardware und Vertretende politischer Organe gemeinsam erarbeiten.“ Nun kommt es darauf an, wie man mit dem Stau auf der Datenautobahn umgeht. „Wenn zeitgleich zu viele Datenpakete an einem Internetknotenpunkt ankommen, können sie nicht sofort verarbeitet werden, und es entsteht eine Warteschlange“, sagt Bondorf. Nun gibt es innerhalb des Netzes Standards, die festlegen, nach welcher Priorität Daten behandelt werden müssen, damit es eben nicht zum kompletten Stau kommt. Bondorf vergleicht das mit einer roten Ampel, an der alle warten müssen, während die Feuerwehr aber passieren darf. Grundsätzlich ist es möglich, Daten Vorrang zu geben. Und genau diesen Fakt verwendet Bondorf für seine Arbeit.
Datenautobahn ist ein System aus vielen Komponenten
Es gibt ganz unterschiedliche Beispiele, bei denen klar wird, dass aufgrund des Internets, nicht alles am gleichen Ort stattfinden muss. Ein Callcenter sitzt eher auf einem anderen Kontinent als in der direkten Nachbarschaft. Auch ein Taxi lässt sich in New York von A nach B manövrieren, ohne dass dafür ein Fahrer vor Ort notwendig ist. Das Fahrzeug ließe sich zum Beispiel auch aus Brasilien steuern. Sogar eine Ärztin oder ein Arzt müssen für einen chirurgischen Eingriff nicht im OP stehen, sondern könnte die Instrumente für die Operation von überall in der Welt steuern. Patientinnen und Patienten erspart dies unter Umständen strapaziöse Reisen in Spezialkliniken. Streamingdienste nutzt heute ohnehin fast jeder, auch Videokonferenzen mit Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt sind Standard.
Nun kennt man die Situation: Beim Filmeschauen ruckelt das Bild, während der Videokonferenz frieren die anderen Teilnehmenden ein. Das ist in solchen Situationen zwar ärgerlich, aber nicht lebensbedrohlich. Anders sieht das bei Operationen, Flugsteuerung oder Taxifahrten aus. Hier können Verzögerungen bei der Durchleitung von Steuersignalen für fatale Folgen sorgen. Genau an dieser Stelle setzt Steffen Bondorf mit seiner Forschung an. Er versucht, die Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit der Datenübermittlung mathematisch nachzuweisen. Entscheidend sei dafür, dass man das Internet nicht als Ganzes betrachten könne, sondern die einzelnen Teile. Er hat deshalb sämtliche Stationen und Schnittstellen, die von den Daten passiert werden, in sein Modell integriert.
„Das funktioniert nur, weil die Organisation des Internets streng hierarchisch ist. Die Daten nehmen in dieser Hierarchie gerne den kürzesten Weg zum nächsthöheren Knotenpunkt und wieder zurück“, erläutert Bondorf. Auf diese Art und Weise kann er die Übertragungsdauer berechnen. Im Falle des Taxis darf sie nicht mehr als 700 Millisekunden betragen.
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