Umstieg auf IPv6-Adressen ist für arme Länder kaum bezahlbar
Die europäische Internetadressverwaltung Ripe hat bestätigt, dass sie die letzte Internetadresse der Version 4 (IPv4) vergeben ist. Nicht überall ist der Umstieg auf das Nachfolgerprotokoll IPv6 möglich. Arme Länder können sich den Umstieg kaum leisten. Iranische Provider können wegen des Wirtschaftsembargos nicht umstellen.
Europäische Provider waren zumeist auf die Nachricht vorbereitet: die regulären Adressvorräte beim Réseaux IP Européens Network Coordination Centre (Ripe NCC), dem operativen Arm des für Europa und den Nahen Osten zuständigen Adressverwalters, sind aufgebraucht. Zwar verbleiben der Ripe-Mitgliedschaft noch kleine Reste, von denen gibt es jedoch nur noch ein paar Adressen zum Abschluss für jedermann. Zu wenig, jammerte ein iranischer privater Provider, der für zusätzliche Internetkunden Ipv4-Adressen braucht. Die Adressen erlauben das Auffinden von Adressaten im Internet.
IPv6 und die Politik
„Glasfasernetz und nationaler Internetaustauschpunkt werden von der Regierung betrieben“, so der iranische Provider. Kurzfristige Pläne für den Umbau zu IPv6 gebe es nicht. Fahad AlShirawi, Mitglied im Ripe-Vorstand, unterstreicht, man dürfe nicht vergessen, dass es für den Iran wegen des Embargos schwierig sei, IPv6-fähige neue Router, Switches und Modems zu erhalten. Die IPv6-Datenpakete durch sogenannte Tunnel zu schicken, um sie durch die IPv4-Infrastruktur zu transportieren, sei gesetzlich verboten.
Siahvash Khorsandi, Professor an der Amirkabir University of Technology und Teilnehmer des Anfang des Jahres gegründeten IPv6-Forums Iran, bestätigt, dass das Tunneln durch internationale Austauschpunkte nicht erlaubt sei, wegen bestehender gesetzlicher Auflagen zur Telekommunikationsüberwachung. Tunneln innerhalb des Landes sei allerdings möglich.
„Im Iran haben wir eine ganze Reihe von Schritten gemacht, um Provider von der Notwendigkeit der Migration zu überzeugen und ihnen zu helfen“, so Khorsandi. Laut seinen Informationen gibt es erste IPv6-Verbindungen beim staatlichen Netzbetreiber Telecom Infrastructure Company (TIC). „Damit sollten die TIC-Austauschpunkte das Weiterleiten von IPv6-Datenströmen erlauben“, so die vorsichtige Antwort. Vorerst, so schätzt Alshirawi, müssten IPv6-Provider aber wohl eher mit komplexen Übersetzungstechnologien arbeiten. Das tun ohne ähnliche Zwänge auch in Europa nach wie vor zahlreiche Provider.
Finanzielle Hürden für IPv6 in Europa
Aber auch in Europa gibt es hier und da noch große Hürden. Vorsichtige Prognosen zum weiteren Fortschritt bei der Einführung von IPv6 gab es beim Treffen der IP-Adressverwaltung Ripe vergangene Woche in Amsterdam etwa aus Griechenland.
Zwar starteten Experten des griechischen Providers OTE schon vor fast zehn Jahren die ersten Tests mit dem neuen Protokoll, sagt Yannis Nikolopoulos. Allerdings stellten die OTE-Ingenieure beim globalen IPv6-Startschuss im Sommer erst einmal fest, dass Zigtausend der bei Kunden vorhandenen Router beim Kontakt mit Seiten, die beide Sprachen – IPv4 und IPv6 (Dualstack) – sprechen, eine Fehlermeldung lieferten. Schon vor dem IPv6-Event sei dieser Fehler aufgetreten, er wurde jedoch nicht richtig diagnostiziert und blieb daher in seiner Auswirkung unbemerkt. Doch mit dem Start von mehr und mehr Dualstack-Seiten hätten die Nutzer plötzlich auch große Seiten wie Google nicht mehr erreichen können.
Der sofortige Ersatz der fehlerhaften Heimrouter ist bei vielen Griechen erst einmal nicht in Sicht. Zudem haben es die Techniker in Zeiten klammer Budgets noch schwerer damit, unternehmensintern für etwas „Exotisches“ wie IPv6 zu werben. Daher mussten die Ingenieure erst einmal rasch improvisieren, so Nikolopoulos. Mit Tricks werden nun für die Kunden mit fehlerhaften Routern die nicht auflösbaren IPv6- Antworten herausgefiltert. Diese ziehen allerdings neue technische Probleme nach sich. Erst in einem halben bis drei viertel Jahr gebe es neue, IPv6-taugliche Router, beziehungsweise hoffentlich Softwareupdates für die alten Router.
Google: In 5 Jahren werden 50 % aller Internetnutzer IPv6 haben
Eine aktuelle Google-Statistik zeigt sich durchaus positiv. Sie besagt, dass in fünf Jahren 50 % aller Nutzer IPv6 haben werden. Trotzdem ist auch in Europa noch viel zu tun. Trösten mag man sich in Griechenland vielleicht damit, dass auch im weniger von Krisen geschüttelten Deutschland der Riese Deutsche Telekom seinen Endnutzern erst 2013 IPv6 zur Verfügung stellen wird. Die Einführung wurde bereits mehrfach verschoben.
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