Studie: So wirkt sich Video-Streaming auf das Klima aus
Rechenzentren sind Datenumschlagplätze. Bislang war nicht genau bekannt, inwiefern sie Treibhausgase emittieren. Im Rahmen eines neuen Forschungsprojekts namens „Green Cloud-Computing“ haben Wissenschaftler des Öko-Instituts und des Fraunhofer IZM nun erste Ergebnisse dazu veröffentlicht.
Cloud- und Streaming-Dienste erleben hohe Zuwachsraten. Seit Beginn der Corona-Pandemie ist der Bedarf weiter gestiegen. Das Umweltbundesamt gibt an: Von Februar bis März 2020 habe sich die Nutzung von Streaming-Diensten und Cloud-Gaming um 30% erhöht. Am weltweit größten Internetknoten in Frankfurt am Main konnten Experten im März 2020 den Spitzenwert von 9,16 Terabit Datendurchsatz pro Sekunde messen. Das entspricht der Datenmenge von mehr als zwei Millionen HD-Videos – bei gleichzeitiger Übertragung. Wie sich Cloud-Dienste, zum Beispiel Video-Streaming oder Online-Datenspeicherung, auf das Klima auswirken, war mit Zahlen bisher nicht belastbar zu belegen. Alle vorliegenden Studien basierten auf Rechenmodellen und Annahmen. Das Umweltbundesamt wollte realitätsnähere Ergebnisse und reale Messdaten ermitteln und gab deshalb die Studie „Green Cloud-Computing“ in Auftrag.
„Momentan fliegen digitale Dienste noch unter dem Radar, während andere energieintensive Industrien zum Beispiel schon dem CO2-Emissionshandel unterliegen“, erklärt Jens Gröger, der die Studie für das Öko-Institut als Senior-Researcher geführt hat. „Bei jeder verbrauchten Glühlampe muss inzwischen die Energieeffizienz angegeben werden. Aber wie viel Energie verbraucht die Dekodierung einer Sprachnachricht an die Alexa-Sprachbox oder ein Mailpostfach in der Cloud?“ Die Forscher sind überzeugt, mit der Rechenmethode „Green Cloud-Computing“ künftig alle digitalen Dienstleistungen berechnen zu können.
Server in Rechenzentren emittieren am meisten CO2
Die Rechenmethode „Green Cloud-Computing“ basiert auf festen Bilanzierungsregeln. Deshalb sind sich die Wissenschaftler sicher, damit zuverlässig einen CO2-Fußadruck pro Serviceeinheit berechnen zu können. Für das Beispiel Videostreaming haben die Forscher alle Komponenten des Rechenzentrums beleuchtet: Server, Speichersysteme, Netzwerk und Infrastruktur. Dabei geht mit knapp 0,9 Gramm CO2-Äquivalente pro Stunde der höchste Emissionswert auf das Konto des Servers, gefolgt von der Infrastruktur und den Speichersystemen. Am wenigsten Emissionen trägt das Netzwerk bei. Zusammengerechnet ergibt sich für eine Stunde Videostreaming 1,45 Gramm CO2-Äquivalente pro Stunde, wobei die Datenrate des Videostreams mit zwei Gigabyte pro Stunde HD-Qualität entspricht. Im Vergleich dazu benötigen Online-Speicher für einen Terabyte Speicherplatz im Jahr 100 bis 150 Kilogramm CO2. Ein Büro-Arbeitsplatz in der Cloud kommt auf 59 Kilogramm im Jahr.
Die ersten Ergebnisse zeigen: Es kommt auf die Art der Datenübertragung an. Wer über einen Glasfaser-Anschluss ein HD-Video bis ins heimische Wohnzimmer streamt, belastet das Klima durch Nutzung des Rechenzentrums und der Datenübertragung mit lediglich zwei Gramm CO2 pro Stunde. Mit einem Kupferkabel sind es schon vier Gramm. Nutzt man für die Übertragung der Daten UMTS, also den 3G-Standard, liegt die Belastung bei 90 Gramm CO2 pro Stunde. Mit der Übertragungstechnik 5G werden nur rund fünf Gramm CO2 pro Stunde emittiert. Der Stromverbrauch des Endgeräts wird bei diesen Berechnungen nicht zusätzlich berücksichtigt.
Geringere Auflösung – weniger Datenvolumen und Emissionen
Die Studie hat auch das Datenvolumen für verschiedene Video-Auflösungen betrachtet. Wer auf seinem TV-Gerät mit Ultra-HD-Auflösung Videos schaut, benötigt sieben Gigabit (GB) pro Stunde. Das entspricht der zehnfachen Menge einer HD-Qualität – nämlich 700 MB pro Stunde. Man hat es also durchaus auch selbst in der Hand, die Emissionen zu verringern, indem man einen Film mit geringerer Auflösung anschaut. Auf Geräten mit eher kleinem Display macht sich der Unterschied in der Qualität ohnehin für das menschliche Auge kaum bemerkbar. Auf Webseiten mit Videos kann man zum Beispiel die Autoplay-Funktion standardmäßig auf „Aus“ stellen, um Daten und CO2 einzusparen.
„Klimaverträgliches Streaming ist möglich, wenn man es richtig anstellt und den richtigen Weg zur Datenübertragung wählt. Aus Umweltsicht ist es eine gute Idee, mehr öffentliche WLAN-Hotspots einzurichten, denn das ist klimafreundlicher als Streaming im Mobilfunknetz“, kommentiert Bundesumweltministerin Svenja Schulze die Erkenntnisse. „Mit den richtigen Übertragungswegen und effizienteren Rechenzentren wächst auch der Klima-Vorteil, den Home-Office und Videokonferenzen für den Klimaschutz haben können.“ Dirk Messer, Präsident des Umweltbundesamtes geht davon aus, dass die Datenmengen in den nächsten Jahren stetig wachsen. Schließlich ergäben sich immer mehr Einsatzgebiete wie vernetztes Fahren, größere Heimkinos und vermehrt Videokonferenzen. Er leitet für sich aus den ersten Ergebnissen folgende Schlussfolgerung ab: „Unsere Forschung zeigt, dass wir verstärkt in den Ausbau der Glasfasernetze investieren sollten. Aus Klimaschutzsicht ist auch die neue 5G-Übertragungstechnik vielversprechend.“
Mehr zum Thema Server:
- Datenfriedhof oder Juwelen: Ingenieure haben es mit der Cloud selbst in der Hand
- Blockchain-Lösungen für den produktionstechnischen Mittelstand
- Supercomputer VSC-4: Rechenpower für die Forschung
Ein Beitrag von: