Wie genau lassen sich Transportketten vorhersagen?
Forscher der TU Berlin haben ein Modell entwickelt, mit dem sie einschätzen wollen, wie lange eine Lieferung voraussichtlich bis zum Ziel braucht. Informationen aus den Logistik-Betrieben beziehen sie dabei genauso ein wie eventuelle Störungen entlang der Strecke.
Waren legen oftmals lange Strecken zurück, und entlang der Routen kann es zu vielen Unwägbarkeiten kommen. Trotzdem ist der Wunsch nach einer möglichst genauen Vorhersage groß. Das hat viele Gründe. Beispielsweise haben zahlreiche Unternehmen bereits ihre Lagerkapazitäten reduziert und brauchen das Material für ihre Produktion daher just in time. Außerdem könnten gute Prognosen zu einer besseren Auslastung der Verkehrsmittel führen, weil Anschlüsse, etwa der Umstieg vom Schiff auf den Lkw, besser zu planen wären. Wissenschaftler an der TU Berlin haben sich daher mit diesem Thema befasst und im Rahmen des Forschungsprojektes „Smart Event Forecast for Seaports“ (SMECS) ein Simulations-Modell erarbeitet, für das sie künstliche Intelligenz (KI) einsetzen.
Algorithmen lernen aus früheren Transportaufträgen
„Um Prognosen erstellen zu können, wurde die Transportkette in verschiedene Teilabschnitte – Lkw-Transport, Umschlag auf den Zug, Zugtransport – zerlegt, für die jeweils wiederum individuelle IT-Modelle mit unterschiedlichen Algorithmen entwickelt wurden“, sagt Frank Straube, Professor am Fachgebiet Logistik der TU Berlin. Das reicht als Grundlage für eine annähernd richtige Vorhersage allerdings nicht aus. Deswegen haben die Wissenschaftler zusätzlich Prognosemodellen für den Straßen- und Schienentransport entwickelt und die notwendigen Umschlags- und Rangierprozesse entlang der Route einbezogen. Die Datenbasis erhielten sie durch eine enge Kooperation mit Logistik-Unternehmen.
„Die Lernalgorithmen wurden mit historischen Daten von vier Jahren aus insgesamt 15 verschiedenen IT-Systemen der beteiligten Unternehmen gefüttert. Für die drei ausgewählten Transportstrecken von Leipzig, München und Regensburg nach Hamburg umfasste dies unter anderem 50.000 Schienentransporte, 96.000 Straßentransporte sowie 8,6 Millionen containerbezogene Statusmeldungen“, erläutert Peter Poschmann, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter am TU-Fachgebiet Logistik am Projekt beteiligt war.
Unternehmen stellten Daten über interne Abläufe zur Verfügung
Für die Simulation war es dabei besonders wichtig, dass die Wissenschaftler die Algorithmen zusätzlich mit Daten zu mehr als 50 Faktoren fütterten, die Abläufe im Prozess beeinflussen können. Beispiele für diese Faktoren sind die Personaleinsatzplanungen der Betriebe, Eigenschaften der jeweiligen Fahrzeuge sowie Strecken- und Infrastrukturauslastungen.
Auch diese Informationen stellten die Partner-Unternehmen den Forschern zur Verfügung. So war es möglich, dass die Algorithmen die bisherigen Erfahrungswerte mit diesen Faktoren einbezogen – inklusive dem Einfluss, den Veränderungen auf die Prozesszeiten hatten. Hinzu kamen externe Komponenten wie aktuelle Baustellen oder schlechtes Wetter. Diese Zusammenhänge flossen natürlich in die Berechnung neuer Lieferzeiten ein.
In vielen Fällen gute Vorhersagegenauigkeit
Im Ergebnis ist ein System entstanden, das den beteiligten Unternehmen zum einen die geschätzte Ankunftszeit mitteilt, also die sogenannte ETA-Information (Estimated Time of Arrival). Zudem werden ineffiziente Prozesse entlang des Transportwegs aufgezeigt sowie Störungen und Vorschläge für geeignete Maßnahmen. Für jeden Auftrag werden Daten von 100 unterschiedlichen Modellen herangezogen, sodass die Genauigkeit nach Angabe der Forscher letztlich sehr hoch ist. Für einen Teilprozess, nämlich Schienentransporte bei Fahrzeiten von über zehn Stunden, soll die Vorhersagegenauigkeit bei 86% liegen. Ein anderes Beispiel sind mehrtägige Transporte vom Hinterland in die Häfen. Hier sollen sich die Abweichungen zwischen Prognose und Realität für viele Aufträge nur im zweistelligen Minutenbereich bewegen.
Das System ist zwar noch nicht so weit, dass es Logistikern für die praktische Anwendung zur Verfügung gestellt werden kann, die Wissenschaftler haben aber eine Art Demoversion erstellt. Hier können Anwender webbasiert testen, wie die KI arbeitet. Für diese interaktiven Tests wurden alte Transportaufträge anonymisiert hinterlegt. „Das Projekt beweist die Machbarkeit KI-basierter Prognosen und zeigt die strategische Bedeutung von Daten für die Logistik“, ist Straube überzeugt.
Mehr lesen zu künstlicher Intelligenz:
Ein Beitrag von: