Wie das Google-Projekt Loon funktioniert
Googles ehrgeiziges Projekt, allen Menschen einen Zugang zum Internet zu ermöglichen, nimmt konkrete Formen an. Doch mit seinen Plänen, Stratosphärenballons als mobile Funkmasten zu nutzen, ist der Internet-Riese keineswegs alleine.
Für die meisten von uns, die wir tagtäglich mit unseren Smartphones im Internet surfen, ist diese Zahl unvorstellbar: Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung hat noch immer keinen Zugang zum Internet. Grund genug für Google, im Juni 2013 sein Projekt Loon erstmals unter realen Bedingungen zu testen. Es folgten Tests in Australien und Brasilien und nun sollen die Internet-Ballons im vom Hurrikan Maria völlig verwüsteten Karibikstaat Puerto Rico zum ersten Katastrophenfall ausrücken.
Damit nimmt das Projekt Loon, ein Netzwerk von Ballons, die am Rande des Weltraums unterwegs sind, um Menschen in ländlichen und abgelegenen Gebieten weltweit einen Internetzugang zu geben, konkrete Formen an. Sie könnten darauf hinweisen, dass der einst ambitionierte Plan, ein weltumspannendes Netz aus Ballons zu kreieren, mittlerweile auf realistischeren (will sagen: kleineren) Pfaden wandelt. Stattdessen werden wohl nur einzelne Regionen durch einen Schwarm von Ballonen über ihnen mit Internet und Mobilfunk versorgt.
Die Ballons von Projekt Loon
Die Loon-Ballons wurden eigens für das Google-Projekt konstruiert und entwickelt. Sie sollen den Umweltbedingungen in einer Flughöhe von rund 20 Kilometern über der Erdoberfläche für mindestens 100 Tage widerstehen können. Die dünne Atmosphäre in dieser Höhe bietet so gut wie keinen Schutz vor der UV-Strahlung der Sonne. Hinzu kommen Temperaturen zwischen -65 und -90 Grad Celsius und Windgeschwindigkeiten von zum Teil mehr als 100 Kilometern pro Stunde.
Optisch ähneln die mit Helium gefüllten Ballons einem Tennisball. Sie bestehen aus einem hoch festen Nylonmaterial, das für die Bedingungen in der Stratosphäre ausgelegt ist. Die längste Zeit, die ein solcher Ballon bisher ununterbrochen in der Stratosphäre geflogen ist, waren 190 Tage. Gestartet werden die Ballons von sogenannten Autolaunchern, die mittlerweile in der Lage sein sollen, alle 30 Minuten einen neuen Ballon vollautomatisch aufsteigen zu lassen.
Die technische Ausrüstung der Loon-Ballons
Die bei den Loon-Ballons eingesetzte Technik entspricht in weiten Teilen der Übertragungstechnik von herkömmlichen Funkmasten für das Mobilfunknetz. Allerdings wurden die einzelnen Komponenten größtenteils neu gestaltet und so weit wie möglich verkleinert, um Gewicht zu sparen und sie mit einem Ballon in 20 Kilometer Höhe tragen zu können. Transceiver übertragen die Signale von den Bodenstationen über die Ballons und zurück zu den LTE-Telefonen der Empfänger. Übertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 4 Gigabit pro Sekunde zwischen den Ballonen und rund 30 Megabit pro Sekunde von den Ballonen zurück zur Erde sind so möglich. Die gesamte Technik ist sehr energieeffizient und wird vollständig über Sonnenkollektoren mit umweltfreundlicher Energie versorgt. Die Kollektoren geben nicht nur direkt Energie ab, sondern laden gleichzeitig einen Akku für den Einsatz in der Nacht auf.
Zu Beginn des Jahres wurde öffentlich, dass das Projekt Loon in die X-Abteilung der Alphabet Holding verschoben wurde. Seither wurden die Ausgaben etwas gezügelt, das System musste abspecken. Es sollen nun deutlich weniger Ballons in die Stratosphäre entsendet werden als ursprünglich geplant. Ein weltumspannendes Netz ist damit vorerst nicht realisierbar, wohl aber die Entsendung einzelner Schwärme der Internet-Ballons in bestimmte Regionen.
Navigation und Reichweite des Projekts Loon
Für die Navigation und Steuerung der Ballone nutzt das Project Loon die in der Stratosphäre vorherrschenden Winde. Je nach Höhe strömen sie in andere Richtungen und variieren in der Geschwindigkeit. Dieser Umstand wir genutzt, um die Ballone in Abhängigkeit von der Flughöhe zu navigieren. Um einen Schwarm von Ballonen dorthin zu steuern, wo sie benötigt werden, verwendet Alphabet ein komplexes Vorhersagemodell für Windrichtungen und Windstärken mit speziellen Entscheidungsalgorithmen, die jeden Ballon in eine Windschicht bewegen, die in die gewollte Richtung bläst. Die Ballone bewegen sich dabei in einem Abstand von mehr als 100 Kilometern zueinander. Je nach Flughöhe kann ein einzelner Ballon eine Fläche mit einer Größe von bis zu 5.000 Quadratkilometern abdecken.
Die Position der Ballone wird während des Fluges per GPS überwacht. Das Überwachungsteam am Boden ist zu jeder Zeit mit den lokal zuständigen Flugsicherungsbehörden in Kontakt, um die Sicherheit von Flugzeugen durch zurückkehrende Ballone nicht zu gefährden.
Recycling der Ballons soll Projektkosten senken
Wenn ein Ballon seine Aufgabe erfüllt hat, wird per Funksignal die Heliumfüllung aus dem Ballon freigegeben, und ein Fallschirm geöffnet, an dem der Ballon sicher zur Erde zurückkehrt. Bergungsteams sammeln Ballon und Ausrüstung ein, die so weit wie möglich wiederverwendet werden. Das Recycling von Ballon und Technik ist ein wichtiger Teil des Gesamtkonzeptes, mit dem die Kosten für einen Ballonstart in naher Zukunft auf unter 10.000 US-Dollar gesenkt werden sollen.
Alternative Internetprojekte
Google beziehungsweise die Konzernmutter Alphabet ist nicht das einzige Unternehmen, das sich mit der Bereitstellung von Internetverbindungen für die gesamte Weltbevölkerung befasst. Eines dieser Unternehmen, bzw. deren Ansatz wurde gerade von Loon geschluckt. Die Drohnenfirma Titan Aerospace plante, mit einer ganzen Flotte solarbetriebener Drohnen ein mobiles Netz aufzubauen. Doch nachdem Google das Unternehmen zunächst übernommen hatte, wurde Anfang des Jahres das Aus zugunsten von Loon bekannt gegeben.
Paypal-Gründer und Tesla-Eigentürmer Elon Musk wiederum plant, mit seinem Raumfahrtunternehmern SpaceX ein Netz mit erdnahen Satelliten für den Internetempfang aufzubauen. Mit im Boot: Google, das 2015 bei SpaceX eingestiegen ist. Über die Pläne, 700 Kommunikationssatelliten ins All zu schicken und den Antrag auf eine Betriebserlaubnis für 4.000 Satelliten, hatten wir berichtet.
Dieselbe Idee verfolgt auch OneWeb. Der Firmengründer Greg Wyler kommt ursprünglich von Google, wollte dann mit Musk zusammenarbeiten und gründete schließlich seine eigene Firma mit einem anderen namhaften Investor: Dem britischen Milliardär Richard Branson. Im Gegensatz zu Musk möchte Wyler die Daten von den Satelliten über Laser zu Boden senden. Musk setzt auf Funk.
Der vierte große Mitspieler ist Mark Zuckerberg mit Facebook. Er experimentierte seit 2015 mit der Solardrohne Aquila, die in 18 bis 28 Kilometern Höhe über der Erde kreisen und Internetverbindungen in abgelegenen Erdregionen ermöglichen sollen. Doch 2018 kam das Aus für den Solargflieger, Facebook wird die Internetdrohne Aquila nicht weiter entwickeln. Stattdessen setzt das soziale Netzwerk nun auf ein Netzwerk aus Satelliten.
Wahrscheinlich ist es nur noch eine Frage von wenigen Jahren bis es gelingen wird, auch in den entlegensten Winkeln der Erde einen Internetzugang zur Verfügung zu stellen. Denn die am aktuellen Wettstreit beteiligten Unternehmen sind bekannt für ihre Zielstrebigkeit, verfügen über das entsprechende Know-how und die erforderlichen finanziellen Mittel, um ein so großes und im wahrsten Sinne des Wortes weltumspannendes Projekt zu realisieren.
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