Hat KI ein gefälschtes Raffael-Gemälde entdeckt?
Fälschung oder Faulheit des Meisters? Ein berühmtes Raffael-Gemälde zeigt ein Gesicht, das einer neuen Analyse mittels Künstlicher Intelligenz zufolge nicht vom Renaissancemeister stammt. Es könnte von einem seiner Schüler gemalt worden sein.
Künstliche Intelligenz (KI) kann mittlerweile vieles – Texte schreiben, Krankheiten entdecken oder Bilder malen. Sie kann aber auch Details in Bildern erkennen, die dem menschlichen Auge verborgen bleiben. Künstliche Intelligenz (KI) kann darauf trainiert werden, Details in Bildern zu erkennen, die dem menschlichen Auge entgehen. Jetzt hat ein KI-gesteuertes neuronales Netzwerk eine bemerkenswerte Entdeckung in einem Raffael-Gemälde gemacht: Das Gesicht des Heiligen Josef, oben links im Bild „Madonna della Rosa“, wurde nicht von Raffael gemalt. Obwohl es bereits Vermutungen gab, dass Teile des Kunstwerks nicht vom Meister stammen, liefert die KI nun einen konkreten Beweis: Sie identifiziert diese Abweichung mit einer Wahrscheinlichkeit von 98 Prozent.
Fälschung oder Original?
Die Echtheit von Gemälden ist oft unklar, und dies betrifft nicht immer Fälschungen. In früheren Zeiten führten viele Maler Werkstätten, in denen sie von Mitarbeitern unterstützt wurden. Um zu bestimmen, ob ein Gemälde authentisch ist, setzen Experten verschiedene Methoden ein. Sie analysieren historische Schriftstücke, bestimmen das Alter der Werke, untersuchen die verwendeten Materialien mit chemischen und technischen Verfahren wie Röntgen- und Spektralanalysen und bewerten den Stil, die Farbübergänge und die Pinselführung.
So war die Echtheit des Gemäldes „Madonna della Rosa“ von Raffaels unter Experten lange umstritten. Da haben auch die genannten Methoden nicht viel geholfen. Eine neue Methode, basierend auf KI-Algorithmen, unterstützt nun die These, dass Teile des Gemäldes von einem anderen Künstler stammen könnten. Ein Forschungsteam aus dem Vereinigten Königreich und den USA entwickelte einen spezialisierten Analysealgorithmus, der Raffaels bekannte Pinselführung untersucht.
„Durch tiefgehende Analyse authentischer Raffael-Gemälde trainierten wir einen Computer, seinen Stil genau zu identifizieren, von Pinselstrichen über Farbpalette und Schattierung bis zu allen Details des Kunstwerks“, erklärte Prof. Hassan Ugail, Mathematiker und Informatiker an der Universität Bradford.
KI identifizierte die Fälschung
Maschinelle Lernverfahren erfordern in der Regel das Training anhand einer umfangreichen Sammlung von Beispielen. Dies gestaltet sich schwierig, wenn es um das Gesamtwerk eines einzelnen Künstlers geht. Das Team passte daher eine von Microsoft entwickelte, vortrainierte Architektur namens ResNet50 an. Diese kombinierten sie mit einer herkömmlichen Technik des maschinellen Lernens, der Support Vector Machine.
Die Methode erwies sich als äußerst effektiv und erreichte eine Genauigkeit von 98% bei der Identifizierung von Gemälden Raffaels. Üblicherweise wird sie für die Analyse ganzer Bilder eingesetzt, doch in diesem Fall programmierte das Team sie zur Betrachtung einzelner Gesichter um.
Während die Madonna, das Kind und der heilige Johannes eindeutig Raffaels Handschrift tragen, stammt der heilige Josef offenbar nicht von ihm. Dies stützt frühere Annahmen über die Authentizität des Gemäldes, bei denen das Gesicht des heiligen Josefs als qualitativ minderwertiger im Vergleich zu den anderen Gesichtern bewertet wurde.
Hat ein Schüler Raffaels das Gesicht gemalt?
„Bei der Gesamtanalyse des Gemäldes ‚Madonna della Rosa‘ waren die Ergebnisse zunächst nicht eindeutig“, erklärt Ugail. „Eine detaillierte Untersuchung der einzelnen Bestandteile ergab jedoch, dass bis auf Josephs Gesicht alle Teile des Bildes Raffael zugeschrieben werden können“.
Laut Ugail besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass dieses Element nicht von Raffael, sondern von Giulio Romano, einem seiner Schüler, stammt. Allerdings sei diese Annahme nicht definitiv. Generell unterstreicht die Entdeckung jedoch, wie moderne Technologien – wie beispielsweise Künstliche Intelligenz – dazu beitragen, die Rätsel klassischer Kunstwerke zu entschlüsseln.
Experten datieren die „Madonna della Rosa“ auf die Jahre 1518 bis 1520. Im 18. Jahrhundert begannen Kunstexperten jedoch zu bezweifeln, dass das gesamte Werk von Raffael stammt. Nun scheint der Beweis gelungen, dass Raffael nicht das komplette Gemälde selbst gemalt hat.
KI soll Kunstexperten unterstützen, nicht ersetzen
Macht Künstliche Intelligenz menschliche Kunstexperten bald überflüssig? Das Forschungsteam, das hinter der Studie steht, betont, dass dies nicht der Fall sein wird. KI wird die Kunstexperten künftig unterstützen, aber keinesfalls ersetzen.
„Es geht nicht darum, dass die KI die Arbeit der Menschen übernimmt“, sagt Ugail. „Der Prozess der Authentifizierung eines Kunstwerks umfasst viele Aspekte, von der Herkunft über die Pigmente bis hin zum Zustand des Werks und so weiter. Diese Art von Software kann jedoch als ein Werkzeug zur Unterstützung dieses Prozesses verwendet werden.“
David G. Stork, außerordentlicher Professor an der Stanford University, ist ein Pionier in der Anwendung von Computer Vision auf Probleme in der Geschichte und Interpretation von Gemälden und Zeichnungen der bildenden Kunst und hat ebenfalls zu den jüngsten Forschungen beigetragen. Er stimmt mit Professor Ugail darin überein, dass diese Art der Analyse ein Werkzeug im Prozess der Authentifizierung eines Kunstwerks ist, das in Verbindung mit traditionellen Methoden eingesetzt werden sollte.
Das war Raffael
Raffaello Sanzio da Urbino, besser bekannt als Raffael, war ein italienischer Maler und Architekt der Hochrenaissance. Er wurde am 6. April oder 28. März 1483 in Urbino geboren und starb am 6. April 1520 in Rom. Raffael erlangte vor allem durch seine harmonischen und ausgewogenen Gemälde und seine anmutigen Mariendarstellungen große Anerkennung.
Er war so berühmt, dass man ihn zu Lebzeiten und auch heute noch oft nur mit seinem Vornamen anspricht, während sein Nachname weniger bekannt ist. Bis ins 19. Jahrhundert wurde er oft als der größte Maler aller Zeiten bezeichnet. Neben seiner erfolgreichen Karriere als Maler in Florenz und am päpstlichen Hof in Rom übernahm Raffael auch wichtige architektonische Aufgaben, darunter die Bauleitung des Petersdoms und die Aufsicht über die römischen Altertümer.
Die Ergebnisse der Studie wurden im Fachblatt „Heritage Science“ veröffentlicht.
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