Künstliche Intelligenz 07.09.2023, 10:03 Uhr

Hitzeschlag im Auto: Warum KI demnächst in jedes Auto eingebaut wird

Dank KI-Systemen kann man demnächst zurückgelassene Kinder in Autos erkennen, um sie vor Hitze zu schützen. Diese Technologie soll bald standardmäßig in neuen Autos eingebaut werden, ähnlich wie Sicherheitsgurte.

Kind im Auto

Kinder im Auto vor Hitze schützen - Innovative KI-Systeme und Ultrabreitband-Technologie tragen zur Kindersicherheit in Fahrzeugen bei. (Symbolbild)

Foto: PantherMedia / tiagoz

Das neue System zur Erkennung der Anwesenheit von Kindern in Fahrzeugen, bekannt als „Child Presence Detection“, soll weltweit in Automobilen implementiert werden. Dieses Projekt wird auch von Marquardt, einem Unternehmen mit Sitz in Rietheim-Weilheim im Landkreis Tuttlingen nahe dem Bodensee, vorangetrieben.

Was macht die Hitze im Auto lebensgefährlich für Kinder?

Die Hitze im Inneren eines Autos kann für Kleinkinder lebensbedrohlich sein. Selbst an scheinbar milden Tagen steigt die Temperatur im Fahrzeug schnell auf gefährliche Werte an. Dies liegt an einem Effekt, den viele Menschen nicht vollständig verstehen: dem so genannten „Treibhauseffekt“ im Auto. Die Sonnenstrahlen dringen durch die Fenster ein, erwärmen die Innenluft und die Oberflächen des Autos, die diese Wärme speichern.

Da die meisten Autos nicht ausreichend belüftet sind, können die Temperaturen im Inneren in kürzester Zeit auf über 50 Grad Celsius steigen. Dies ist für Kleinkinder äußerst gefährlich, da sie ihre Körpertemperatur nicht so effektiv regulieren können wie Erwachsene. In einem überhitzten Auto erleiden sie schnell einen Hitzschlag oder einen Hitzschlag, was lebensbedrohlich sein kann.

Vitaldaten der Insassen analysieren

Unter der Federführung von Andreas Becher, einem Experten für Nachrichtentechnik und Innovation, entwickelte ein Team in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Marquardt ein System, das zuverlässig erkennen kann, ob sich ein Kind im Fahrzeug befindet. Dieses System analysiert die Vitaldaten der Insassen und leitet sie an das Fahrzeugelektroniksystem weiter. Auf Grundlage dieser Daten ist es möglich, Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand der Person zu ziehen und mit Hilfe zusätzlicher Sensoren eine grobe Einschätzung des Alters der hilfsbedürftigen Person vorzunehmen. Diese Fähigkeiten ermöglichen es, im Bedarfsfall Notfallwarnungen zu aktivieren.

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Das Team von Mechatronik-Experten bei Marquardt arbeitet seit 2021 intensiv an der Entwicklung von Sensoren und der Schulung einer Künstlichen Intelligenz, um die Atmung von Kindern zuverlässig zu identifizieren. „Die Atmungsbewegung ist ein untrügliches Zeichen von Leben“, zitiert die dpa Andreas Becher.

KI entscheidet, ob ein Notruf erforderlich ist

Das Aufzeichnen der Auf- und Abbewegung des Brustkorbs erfolgt mithilfe von zwei Radarsensoren, die auf der Ultrabreitband-Strahlung (UWB) basieren, erklärte Becher weiter, wie das ganze funktionieren soll. Diese Sensoren sind über jeder Sitzreihe im Fahrzeug angebracht. Anschließend werden die erfassten Daten von einer KI analysiert, kategorisiert und an das Fahrzeugelektroniksystem weitergegeben. Sobald ein Kind im Auto erkannt wird, werden die Eltern innerhalb weniger Sekunden über eine Benachrichtigung auf ihrem Smartphone informiert. Zuvor gibt das Auto visuelle Signale und Hupgeräusche ab. Die KI ist sogar in der Lage, anhand der Vitaldaten zu entscheiden, ob ein Notruf erforderlich ist.

Diese Funktion erweist sich als besonders wichtig, da ein Alarm nur dann notwendig ist, wenn festgestellt wird, dass ein Baby oder Kleinkind ohne Aufsicht im Auto zurückgeblieben ist. Gerade bei Kleinkindern kann davon ausgegangen werden, dass sie nicht in der Lage sind, sich aus der Notlage selbst zu befreien.

Daten von etwa 100 Kindern analysiert

Um sicherzustellen, dass die Software-Algorithmen der KI zuverlässig zwischen der Atmung eines Kindes und anderen Bewegungen, beispielsweise von Gegenständen, unterscheiden können, wurden sie umfangreich mit Daten trainiert.

Ein Kinderarzt, der zusätzlich über technische Qualifikationen verfügt, arbeitete in enger Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsteam, um die Messdaten zu analysieren und die ordnungsgemäße Durchführung des Experiments zu gewährleisten. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen als Grundlage für das Training der Künstlichen Intelligenz, damit sie die Signalmusterfolge, die vom UWB-Radar erfasst wird, präzise interpretieren kann.

Im Rahmen eines medizinisch betreuten Testversuchs wurden die Daten von etwa 100 Kindern im Alter von null bis zehn Jahren aus dem Mitarbeiterkreis analysiert. Angesichts der starken emotionalen Bedeutung dieses Themas zeigten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine erhebliche Bereitschaft, sich an diesem Experiment zu beteiligen, berichtet Becher.
Die Atmung der Probanden wurde in einem Testfahrzeug aufgezeichnet und wies ein spezifisches Muster auf. Die Sensoren waren in der Lage, diese Atembewegungen zuverlässig zu erkennen, selbst wenn dicke Stoffe oder eingebaute Kindersitze im Spiel waren. Diese gesammelten Daten bildeten die Grundlage für die Entwicklung der KI.

Serienentwicklung gemeinsam mit der Automobilindustrie

Laut Becher erwies sich die Radar-Technologie als äußerst vielversprechend. Das System sollte in der Lage sein, das Vorhandensein eines Kindes im Fahrzeug zu erkennen, selbst wenn es nicht sichtbar war, beispielsweise wenn es zugedeckt war oder sich im Fußraum des Autos befand. Aus diesem Grund wurden Kameras frühzeitig aus dem Auswahlprozess ausgeschlossen. „Hier geht es um das Leben von Kindern – wir wollten sicher sein, dass man das zuverlässig erkennt“, sagte Andreas Becher.

„Wir haben seit 2021 intensiv an einer Lösung gearbeitet. Das Ergebnis ist ein funktionaler Prototyp, der den Nachweis erbracht hat, dass unser System zuverlässig funktioniert und die zu erwartenden Vorgaben des EURO NCAP bereits jetzt erfüllt“, kommentiert Markus Kramer, Head of Innovation bei Marquardt. „Der nächste Schritt ist der Einstieg in die Serienentwicklung gemeinsam mit der Automobilindustrie.“

Continental erweitert die digitale Zugangslösung CoSmA

Auch Unternehmen wie Bosch und Continental entwickeln derzeit Ultrabreitband-Systeme. Ein Sprecher von Continental erklärt, dass die Verwendung von Funkwellen in Fahrzeugen im Grunde genommen nichts Neues sei. Diese Technologie ermöglicht es bereits, dass das Smartphone als Autoschlüssel fungiert und den Fahrern einen kontaktlosen Zugang ermöglicht. „Im Prinzip werden Funkwellen ausgesendet, die reflektiert werden“, erklärte der Sprecher gegenüber der dpa. „Im Endeffekt tastet der Sensor Atemfrequenzen ab und ein Algorithmus verarbeitet die Daten“.

Continental hat die digitale Zugangslösung CoSmA um eine Funktion erweitert, die die Erkennung von Kindern im Auto ermöglicht. Dadurch wird zusätzliche Sicherheit für die Passagiere gewährleistet.

Die Funktion zur Erkennung von im Auto zurückgelassenen Kindern wird in die bereits bestehende CoSmA Ultrabreitband-Zugangslösung integriert. Diese Lösung ermöglicht es, das Smartphone als Autoschlüssel zu nutzen und gewährt den Fahrern einen kontaktlosen Zugang zum Fahrzeug. Um zurückgelassene Kinder zu erkennen, arbeitet das Breitband-System im sogenannten reflektiven Modus. Hierbei empfängt es die zuvor ausgesandten Ultrabreitband-Signale, die durch die Mikrobewegungen eines Objekts zurückgeworfen werden.

Durch die Erfassung von Frequenz- oder Phasenänderungen des zurückgesendeten Signals ist es möglich, die Entfernung und Geschwindigkeit des sich bewegenden Ziels zu messen. Die Sensoren sind in der Lage, selbst die geringsten Bewegungen, wie sie beispielsweise durch die Atembewegungen des Brustkorbs eines Kindes verursacht werden, zu erfassen. Die Ultrabreitband-Erkennungsfunktion kann aufgrund spezifischer Atemfrequenzen und feiner Körperbewegungen zwischen Kleinkindern, Kindern und Erwachsenen differenzieren. Wenn Kinder im Auto zurückgelassen werden, sendet diese Erkennungsfunktion spätestens nach zehn Sekunden eine Warnung an den Fahrer, sei es akustisch, visuell oder haptisch. Zusätzlich ist die auf Ultrabreitband basierende Erkennungsfunktion in der Lage, Kinder in jeder Sitzposition zu identifizieren, unabhängig davon, ob sie zugedeckt sind oder sich im Fußraum der Kabine verstecken, heißt es in der Continental-Pressemitteilung.

Traurige Statistik

Jedes Jahr sterben weltweit vor allem kleine Kinder aufgrund von Hitzeeinwirkung, weil sie unbeaufsichtigt in abgestellten Fahrzeugen zurückgelassen werden. In den USA, wo solche Vorfälle seit Jahren systematisch erfasst werden, sind seit 1998 weit über 900 Kleinkinder auf diese tragische Weise ums Leben gekommen. Die Mehrheit von ihnen, nämlich knapp 85 Prozent, ist vier Jahre alt oder jünger. Auch in Europa und anderen Teilen der Welt gibt es bedauerlicherweise regelmäßig tragische Todesfälle dieser Art.

(mit dpa)

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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