Für schnellen Windkraftausbau: Künstliche Intelligenz erkennt Vogelarten
Windpark-Projekte werden immer wieder durch Klagen oder langwierige Genehmigungsprozesse ausgebremst. Häufig geht es um Naturschutz und dann meist um Vögel oder Fledermäuse. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz sollen zukünftig sehr viel schneller Gutachten erstellt werden können.
Für den Bau von Windparks sind umfassende Prüfungen notwendig, die den Naturschutz betreffen. Insbesondere sensible Vogel- oder Tierarten können das Errichten von Windkraftanlagen erheblich verzögern oder verhindern. Hier kommt vielleicht bald Künstliche Intelligenz ins Spiel. Das Fraunhofer IEE erarbeitet seit Anfang des Jahres ein System, mit dem sich Vögel und andere Tiere auf den Flächen anhand von Audio-Signalen automatisiert erkennen und klassifizieren lassen. Unterstützung bekommt das Institut hierbei von den Universitäten in Kassel, Kiel und Chemnitz sowie Partnern aus der Praxis. Ziel ist es, mit Hilfe von Deep-Learning-Verfahren, die verschiedenen Tierarten zeitlich sehr viel schneller zu erfassen, als es Menschen möglich ist. Das soll die Genehmigungsverfahren beschleunigen und Rechtssicherheit schaffen.
Windpark-Projekte werden immer wieder durch Klagen ausgebremst
Wer heute einen Windpark errichten möchte, braucht ein dickes Fell und langen Atem, denn meist läuft es mit der Genehmigung nicht so glatt, wie gewünscht. Das ist auf der einen Seite gut, wenn auf den Artenschutz Rücksicht genommen wird, auf der anderen Seite sorgt es für Verzögerungen beim Bau, was meist auch mit höheren Kosten verbunden ist.
„Windpark-Projektierer sehen sich immer wieder durch Klagen ausgebremst. In rund 70 Prozent der Fälle bringen die Kläger dabei Naturschutzbelange vor, etwa die Hälfte davon wegen Vögeln oder Fledermäusen. Mit unserem KI-gestützten System können die Unternehmen sehr effizient hochwertige, aussagekräftige Gutachten zur Artenpopulation erstellen. Das mindert nicht nur ihren Zeit- und Kostenaufwand, sondern steigert auch die Rechtssicherheit – ein großer Vorteil mit Blick auf die Genehmigungsverfahren wie auf mögliche Klagen“, erklärt Projektleiter Dr. Christoph Scholz vom Fraunhofer IEE, der zugleich auch für die Universität Kassel tätig ist.
Das Anfang des Jahres gestartete Forschungsprojekt trägt den Namen „Deep Bird Detect“. Neben dem Fraunhofer Institut arbeiten die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, die TU Chemnitz, die Uni Kassel und mehrere Partner aus der Praxis an dem Vorhaben. Das Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren und wird vom Bundesumweltministerium (BMUV) mit knapp zwei Millionen Euro gefördert. Es ist Teil der Initiative „KI-Leuchttürme für Umwelt, Klima, Natur und Ressourcen“, deren Ziel es ist, mit Künstlicher Intelligenz ökologischen Herausforderungen zu begegnen.
Manuelle Auswertung der Audio-Daten kostet viel Zeit
Die für den Bau von Windkraftanlagen benötigten Gutachten werden in der Regel von Ornithologie-Experten erstellt, die oftmals mit Tonaufzeichnungen aus dem Planungsgebiet arbeiten. Das Abhören dieser Aufnahmen kostet jedoch sehr viel Zeit, häufig liegen erst nach Monaten oder Jahren Ergebnisse vor. Was unter anderem auch daran liegt, dass es nur wenige Fachleute gibt, die diese Aufgabe übernehmen können. Solche Artenschutzgutachten werden daher oft zu einem Flaschenhals beim Genehmigungsverfahren.
Ein weiterer Nachteil bei der manuellen Auswertung: Es wird nicht immer alle Audiosignale der Tiere erfasst, da der Aufwand für eine lückenlose Untersuchung viel zu hoch wäre. Eine Prüfung erfolgt daher nur stichpunktartig, so dass manche Arten möglicherweise verborgen bleiben. Das macht die Gutachten rechtlich angreifbar. Generell sind die vom Naturschutzrecht geforderten Gutachten sinnvoll, da sie windkraftsensible Tierarten schützen und den Projektierern eine rechtliche Absicherung verschafft. Mit Künstlicher Intelligenz soll das noch besser funktionieren.
KI soll lückenlose Analyse der Audiosignale ermöglichen
Anders als ein menschlicher Gutachter soll das vom Fraunhofer IEE und seinen Partnern zu entwickelnde automatisierte KI-System die Audiosignale vollständig auswerten können. Und das zudem sehr viel schneller. Es werden damit dann sowohl quantitativ als auch qualitativ ausreichend Daten gesammelt, um die Auswirkungen auf die Natur beurteilen zu können, die mit dem Bau eines Windparks einhergehen. „Die Daten sind eindeutig nachvollziehbar, was für zusätzliche Rechtssicherheit sorgt“, betont Projektleiter Scholz.
Darüber hinaus soll es die einheitliche Erfassungsmethodik von „Deep Bird Detect“ ermöglichen, Vergleiche mit anderen Ökosystemen zu ziehen. So lassen sich langfristige Entwicklungen auf diesen Flächen beobachten und es kann ein ganzes Monitoring-Netzwerk eingerichtet werden. Mit Hilfe dieses Netzwerks lassen sich automatisiert und frühzeitig artspezifische geographische Veränderungen erkennen. Die Forschenden wollen die Methodik zudem so gestalten, dass sie sich auf andere Tierarten wie Fledermäuse, Amphibien oder Insekten übertragen lässt. Das System kann dann später nicht nur für die Errichtung von Windparks, sondern auch für die Projektierung von großen Gebäuden oder Verkehrswegen genutzt werden.
So funktioniert Deep Bird Detect
Die Audioaufnahmen sollen von kompakten, robusten Rekordern vorgenommen werden, die mit Solarenergie betrieben werden. So werden die Vögel und andere Tiere bei der Erfassung so gut wie nicht gestört. Diese Geräte sind zudem in der Lage, die Signale in Echtzeit auszuwerten. Die Forschenden setzen hierbei auf Deep-Learning-Verfahren wie FewShot Learning, Contrastive Learning und Active Learning. Die Verfahren sollen so weiterentwickelt werden, dass sie die gewünschten Anforderungen erfüllen.
„Im Kern geht es in unserem Projekt aus technischer Sicht darum, existierende Technologien und Verfahren auf ein Feld zu übertragen, das bislang noch nicht mit KI adressiert wurde“, sagt Prof. Dr. Sven Tomforde von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Für die Darstellung der Ergebnisse will die Forschungsgruppe zudem eine leicht verständliche App entwickeln, so dass der Einsatz von KI für alle an der Planung und Genehmigung beteiligten Akteure transparent und nachvollziehbar ist.
„Um die Energiewende- und Klimaschutzziele zu erreichen, muss der Ausbau der Windenergie deutlich beschleunigt werden. Dazu wollen wir mit unserem Forschungsprojekt beitragen: Wir machen das Erstellen der Gutachten deutlich effizienter, steigern die Rechtssicherheit – und bringen mit der besseren Erfassung zugleich auch den Naturschutz voran“, erklärt Scholz.
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