KI-gestütztes 3D-Tracking liefert detaillierte Einblicke in Korallenriffe
Forschende konnten erstmal mithilfe von KI-gestütztem 3D-Tracking die Bewegungsmuster von Korallenriff-Fischen präzise erfassen. Die neue Methode liefert wichtige Erkenntnisse über das Verhalten der Meeresbewohner für das ökologische Gleichgewicht der Riffe.
Korallenriffe zählen zu den vielfältigsten Ökosystemen der Erde. Sie bieten Lebensraum für unzählige Meeresbewohner und dienen als natürlicher Küstenschutz. Darüber hinaus sind Korallenriffe wichtige Kohlenstoffspeicher und damit Klimaschützer.
Doktorfische spielen wiederum eine zentrale Rolle bei der Erhaltung dieses fragilen Ökosystems. Denn sie fressen Algen, die sonst das Wachstum von Korallen behindern könnten. Ohne diese Fische könnten Algen überhandnehmen, das Korallenwachstum ersticken und letztlich das gesamte Riff-Ökosystem destabilisieren. Noch dazu liefern Doktorfische wichtige Einblicke in die Gesundheit des Riffs. Veränderungen in ihrem Verhalten oder in ihrer Population können frühzeitige Indikatoren für Umweltveränderungen sein, wie zum Beispiel steigende Wassertemperaturen oder Verschmutzungen.
Um die Wege der Riff-Fische im Roten Meer besser ergründen zu können, haben Forschende des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) neue Techniken zur Untersuchung von Korallenriffen eingeführt: Stereo-Video-Technologie mit KI-gestütztem 3D-Tracking. Die neue Methode ermöglicht präzise Einblicke in die Bewegungsmuster und den Energieaufwand zweier Doktorfischarten in ihrem natürlichen Habitat.
KI-gestützte Fischbeobachtung in 3D
Im Fokus der Untersuchung standen zwei Doktorfischarten: Der Braune Doktorfisch (Acanthurus nigrofuscus) und der Gelbschwanz-Doktorfisch (Zebrasoma xanthurum).
Um mehr Daten über die Fische zu erhalten, setzte das Forschungsteam das vortrainierte Programm YOLOv5 (You Only Look Once version 5) ein. Dabei handelt es sich um ein neuronales Netzwerk zur Objekterkennung in Echtzeit. Dieses optimierten die Forschenden mit zusätzlichen Hintergrundbildern aus dem Roten Meer, um Fische in den Videoaufnahmen besser zu identifizieren.
Anschließend klassifizierte das neuronale Netzwerk die erkannten Fische nach Arten. Da es nur wenige Bilder beider Doktorfischarten gab, nutzten die Forschenden für das zielgerichtete Training der KI zusätzlich Bilder der Citizen-Science-Webseite ‚iNaturalist‘. Für die dreidimensionale Datengewinnung verwendeten die Forschenden einen DeepSORT-Algorithmus (Simple Online and Realtime Tracking with a Deep Association Metric). Dieser ermöglicht ein robustes Multi-Objekt-Tracking, indem er die erkannten Fische über aufeinanderfolgende Videoframes hinweg verfolgt.
“DeepSORT kann die Bewegungen einzelner Fische selbst dann nachverfolgen, wenn sie kurzzeitig aus dem Sichtfeld verschwinden oder von anderen Objekten verdeckt werden. Durch die Integration der 3D-Informationen aus den Stereo-Bildpaaren erzeugt der Algorithmus präzise dreidimensionale Bewegungsmuster der Fische“, erklärt Julian Lilkendey, Fischökologe und Leiter des Forschungsteams.
Korallenriffe profitieren von KI-gestützter Forschung
Die Kombination dieser fortschrittlichen Techniken mit einem Ansatz zur Modellierung des Energieverbrauchs der Fische lieferte neue Erkenntnisse über die Ökologie der Doktorfischarten. So zeigte die Studie, dass der Braune Doktorfisch ein spezialisiertes Fressverhalten aufweist und bestimmte Algen auf spezifischen Untergründen bevorzugt. Im Gegensatz dazu demonstrierte der Gelbschwanz-Doktorfisch ein generalisiertes Fressverhalten. Trotz ihrer geringen Biomasse tragen beide Arten wesentlich zur Beweidung des Riffs bei und nutzen die aufgenommene Energie aus der Nahrung ähnlich effizient für ihre Fortbewegung.
KI-gestütztes 3D-Tracking gewährt neue Einblicke
Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Nischenaufteilung und die Rolle von Doktorfischen beim Erhalt des ökologischen Gleichgewichts in Korallenriffen. Veränderungen im Fressverhalten und Energiebudget dieser Fische können das Wachstum von Algen und die Ansiedlung von Korallenlarven beeinflussen, was sich auf die Gesundheit und Biodiversität des gesamten Riff-Ökosystems auswirken kann.
Die detaillierte Analyse ermöglichte den Forschenden somit einen tieferen Einblick in die Funktionsweise mariner Ökosysteme und schuf die Grundlage für ein besseres Verständnis der Energieaufnahme, -umwandlung und -verteilung innerhalb des Riffs. Lilkendey betont die Bedeutung der neuen Methodik: „Mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung konnten wir die dreidimensionalen Bewegungen vieler Fische in einem Korallenriff gleichzeitig analysieren. Unser neuer methodischer Ansatz ermöglicht es uns, tiefer in die Komplexität des Fischverhaltens und daraus resultierenden Energieflüsse einzutauchen.“
Diese Forschungsmethode eröffnet außerdem neue Wege zur Erstellung von ‚Energy Seascapes‘ – detaillierten Visualisierungen des Energieverbrauchs von Tieren in marinen Ökosystemen. Solche Kartierungen sind essenziell für die Entwicklung wirksamer Gesundheitsindikatoren und innovativer Schutzmaßnahmen für Korallenriffe.
Die Forschung zum KI-gestützten 3D-Tracking wurde kürzlich im Fachmagazin „Ecology and Evolution“ veröffentlicht. An dieser Studie waren auch Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Labors für Informatik, Robotik und Mikroelektronik (LIRMM) der Universität Montpellier sowie der Auckland University of Technology (AUT) beteiligt.
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