Sport mit der KI: Trainer lässt Weihnachtspfunde purzeln
Sensorarmband anziehen, App starten, Hanteln scannen: Ein KI-Coach des Start-ups Liftwise soll Training im Fitnessstudio effizienter machen.
Die Weihnachtszeit war ein Schlemmerfest: 150 Spekulatius, 80 Dominosteine, eine Weihnachtsgans mit Klößen und viele Gläser Rotwein sorgten für höchsten Genuss. Dumm nur, dass einiges an Speck auf den Hüften gelandet ist. Das gilt es jetzt abzutrainieren – mit den besten Neujahrsvorsätzen. Doch schon am 20. Januar siegt die Gemütlichkeit. Zu verlockend ist die heimische Couch, zu anstrengend das Hantelschwingen. „Viele Menschen kennen das Problem, dass sie Sport nicht nachhaltig in ihren Alltag integrieren können“, sagt Moritz Dreßler, Mitgründer des Start-ups Liftwise aus Karlsruhe. „Um diese Menschen das ganze Jahr über zu motivieren, haben wir einen digitalen KI-Fitnesstrainer entwickelt. Er folgt einem Gamification-Ansatz und soll spielerische Leichtigkeit und Spaß ins Training bringen.“
Der Fitnesscoach der Karlsruher setzt sich aus drei Komponenten zusammen: einem Armband, das optisch an eine Smartwatch erinnert, einem kleinen Funkchip, der auf Hanteln und andere Fitnessgeräte aufgeklebt ist, und einer Smartphone-App.
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Das Zusammenspiel funktioniert wie folgt: Der Sportler installiert die App und beantwortet zu Beginn einige Fragen, etwa zu Alter, Fitnesslevel und Trainingszielen. Die App entwickelt daraufhin einen individuellen Trainingsplan. Danach geht der Sportler zur ersten Übung, beispielsweise zu den Freihanteln, wo acht Bizeps-Curls mit einer 10 kg schweren Kurzhantel auf dem Programm stehen.
Liftwise
- Gründung: 2024
- Branche: Trainings-Apps
- Mitarbeiter: 3
- Vertrieb: weltweit
- Umsatz: k. A.
„An dieser Stelle war ich früher immer genervt, wenn ich in einer Fitness-App viel Tippen musste, um Übungen auszuwählen und zu dokumentieren. Um für mehr Flow im Training zu sorgen, haben wir diese Arbeit automatisiert.“ Hält der Sportler das Armband an den Funkchip auf der Hantel, startet eine automatische Identifikation. Die Datenübertragung erfolgt über Near Field Communication (NFC), eine Technologie, die es unter anderem auch der Girocard ermöglicht, Daten über kurze Entfernung mit dem Bezahlterminal im Supermarkt auszutauschen. Das Armband wiederum gibt die Hanteldaten per Bluetooth automatisch an das Smartphone weiter.
Beginnt der Träger nun mit der Bizepsübung, erkennt das Armband die spezifischen Bewegungen der Übung, sodass die App automatisch beginnt, die Wiederholungen mitzuzählen. Möglich wird diese Bewegungserkennung durch mehrere Sensoren im Armband, die unter anderem die Orientierung des Handgelenks erfassen. „Dank der Kombination mit KI-Algorithmen wird es möglich, Trainingsbewegungen von anderen Aktionen wie Wassertrinken oder Herumspazieren zuverlässig zu unterscheiden.“
Sport mit der KI: Der Trainer macht Vorschläge, wie das Krafttraining effektiver wird
Mithilfe der Sensorik im Armband kann der KI-Trainer zudem gezielt Tipps für ein effektiveres Training geben. Beim Bizeps-Curling beispielsweise ist es wichtig, den Bewegungsbereich, die sogenannte Range of Motion, maximal auszuschöpfen. In der unteren Position sollte der Sportler den Muskel vollständig dehnen, in der Endphase hingegen maximal kontrahieren, um den Muskelaufbau zu fördern und Verletzungen zu vermeiden. Erkennt das Armband, dass eine dieser Bewegungsphasen nicht korrekt ausgeführt wird, macht der KI-Coach in Echtzeit Verbesserungsvorschläge.
„Wir messen also Parameter, die sonst nur Profisportlern zugänglich sind“, sagt Dreßler. Dazu zählt auch die sogenannte Time under Tension, also die Zeit, die der Muskel unter Spannung steht. Diese Phase ist ein primärer Reiz für das Volumenwachstum, da sie die Muskelfasern dazu anregt, sich anzupassen. „Merkt der KI-Trainer, dass der Sportler die Time under Tension verkürzt, gibt er einen Hinweis und den Tipp, vielleicht auf ein niedrigeres Gewicht zu wechseln.“
Der Gamification-Ansatz erhöht die Motivation
Wenn der Anwender die Übung daraufhin sauber ausführt, belohnt ihn der KI-Coach mit sogenannten Liftpoints. „Der Gamification-Ansatz bringt hier eine spielerische Komponente in das Training. Es ist bei einer langsamen und anstrengenden Bewegungsausführung motivierend zu sehen, wenn die Liftpoints als Belohnung ansteigen.“ Für den Extraschub Motivation sorgt die Möglichkeit, sich über die Punkte mit anderen Trainierenden zu vergleichen. Das Fitnessstudio kann beispielsweise einen Monitor im Raum platzieren, der ein Ranking mit den aktuellen Liftpoints der Mitglieder anzeigt.
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Bislang ist der KI-Coach nur bei einigen Pilotkunden in Karlsruhe verfügbar. Denn die Gründung des Start-ups liegt erst ein knappes Jahr zurück. Moritz Dreßler hatte zuvor Wirtschaftsingenieurwesen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) studiert, sein Kommilitone Titus von Plüskow Elektrotechnik. Beide Studenten teilten eine Begeisterung für Sport und waren sich einig, dass Fitnessstudios in puncto Digitalisierung noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben.
Sport mit der KI: Gründerstipendium „Exist“ ermöglichte den Start
Mit ihren Masterarbeiten in der Tasche wagten die Kommilitonen deshalb die Unternehmensgründung. Sie bezogen ein kleines Büro auf dem Campus, beantragten erfolgreich das Gründerstipendium „Exist“ des Bundeswirtschaftsministeriums, entwickelten den ersten Prototypen des KI-Trainers und erprobten das System bei Pilotkunden in Karlsruhe. Das zukünftige Wachstum soll durch einen Business Angel unterstützt werden. Eine Venturecapital-Finanzierung ist nicht geplant. „Die ersten Fitnessstudios und ihre Mitglieder sind von Liftwise begeistert, weil der KI-Coach eine kostengünstige Alternative zum Personal Coach ist. Während ein persönlicher Trainer bis zu 100 € pro Stunde und mehr kosten kann, können Studios das Armband für rund 15 € pro Monat an Mitglieder vermieten.“
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