KI trainiert Behördensprache und zieht bei der Arbeitsagentur ein
Die Bundesagentur für Arbeit setzt verstärkt auf künstliche Intelligenz, um dem demografischen Wandel zu begegnen und Prozesse effizienter zu gestalten. Doch nicht alle KI-Modelle sind dafür geeignet – zunächst muss die KI einiges lernen: z.B. die Behördensprache.
Die Bundesagentur für Arbeit plant, künftig verstärkt künstliche Intelligenz (KI) einzusetzen, um ihre Mitarbeitenden im Hinblick auf den demografischen Wandel zu unterstützen. Dazu hat die Behörde einen Rahmenvertrag mit dem Heidelberger IT-Unternehmen Aleph Alpha abgeschlossen. Dieser Vertrag hat eine Laufzeit von vier Jahren und ein Volumen von etwa 19 Millionen Euro, wie eine Sprecherin der Agentur in Nürnberg bestätigte. Zuvor hatte das „Handelsblatt“ darüber berichtet.
„Wir haben als Bundesagentur für Arbeit einen unglaublichen Handlungsdruck“, sagte Stefan Latuski, Chief Information Officer der Bundesagentur für Arbeit (BA), gegenüber dem Handelsblatt. Der Grund für den verstärkten Einsatz von KI ist vor allem der demografische Wandel in der Bundesagentur für Arbeit, die über 115.000 Mitarbeiter hat. Laut Angaben werden bis 2032 etwa 32.000 Mitarbeiter in den Ruhestand gehen. „Es ist illusorisch, diese große Zahl von Menschen wieder zu rekrutieren.“
Prozesse effizienter automatisieren
Mit Hilfe von KI kann die Behörde ihre Dienstleistungen verbessern und viele Prozesse effizienter automatisieren. Dadurch soll das vorhandene Personal sich stärker auf wichtigere Aufgaben konzentrieren können, so die Sprecherin. Der IT-Chef sehe künstliche Intelligenz als Schlüsseltechnologie, um bestehende Herausforderungen zu bewältigen. Neue Sprachmodelle könnten Texte in ähnlicher Qualität wie ein Mensch erstellen und Fragen beantworten. In der Bundesagentur für Arbeit solle KI den Mitarbeitern helfen, in Zukunft mehr Aufgaben in kürzerer Zeit zu erledigen. Dadurch könnten sie sich stärker auf ihr Kerngeschäft konzentrieren.
Zeiteinsparungen von über 30 %
Laut diesem Medienbericht plant die Bundesagentur für Arbeit unter der Leitung von Andrea Nahles, zur modernsten digitalen Behörde im öffentlichen Sektor in Europa zu werden. Dabei soll künstliche Intelligenz in drei Bereichen zum Einsatz kommen:
Erstens bei der (Teil-)Automatisierung von Prozessen wie der Bearbeitung von Anträgen und der Erstellung von Bescheiden. Zweitens bei der digitalen Erfassung und Dokumentation von Wissen der Mitarbeitenden, das bisher noch nicht digitalisiert wurde. Drittens soll KI in der Beratung von Kundinnen und Kunden helfen, die sich über das Angebot der Agentur informieren oder eine Berufsberatung in Anspruch nehmen möchten.
In den letzten Monaten habe die Arbeitsagentur mit eigenen Entwicklern eine KI-Plattform entwickelt und erste Pilotprojekte gestartet, um die Technologie zu erproben. Die Erwartungen nach den Tests seien hoch: Bei der Erstellung von Bescheiden könnten Zeiteinsparungen von über 30 % erzielt werden. Latuski habe betont, dass es keinen Weg daran vorbeiführe, die Prozesse weiter zu digitalisieren und mit KI zu automatisieren.
Mitarbeitende werden nicht ersetzt
Latuski hat ebenfalls hervorgehoben, was die künstliche Intelligenz bei der Bundesagentur für Arbeit nicht tun werde: Sie werde weder die Arbeitsplätze der Mitarbeitenden gefährden noch eigenständig Entscheidungen treffen. Es wäre ein schwerwiegender Fehler, wenn KI allein über das Schicksal der Kundinnen und Kunden entscheiden würde, habe der CIO betont.
Stefan Latuski erklärte, dass die Bundesagentur für Arbeit in der Testphase verschiedene Modelle unterschiedlicher Anbieter getestet habe. Ausschlaggebend für die Wahl von Aleph Alpha sei gewesen, dass die BA die Technologie eigenständig betreiben könne und dass Aleph Alpha die Entscheidungsprozesse seiner KI am besten transparent darstelle. „Wir wollen in jedem Fall sicherstellen, dass die KI keine Kundinnen und Kunden diskriminiert“.
KI lernt Behördensprache
Jonas Andrulis, der Chef von Aleph Alpha, habe eingeräumt, dass die Modelle seines Unternehmens nicht in jedem Einsatzgebiet die beste Lösung seien. Aus diesem Grund setze Aleph Alpha auch auf die Integration anderer Modelle in das hauseigene System Pharia OS, wie zum Beispiel das Llama-Modell von Meta.
Besonders bei spezialisiertem Wissen aus Unternehmen und Behörden hätten die eigenen Pharia-Modelle jedoch klare Vorteile. Wenn es um Informationen gehe, die sich stark von den typischen Internetdaten unterscheiden, könnten diese Modelle die bessere Wahl sein. Der Hintergrund sei, dass Sprachmodelle meist mit großen Datenmengen aus dem Internet trainiert würden. Aleph Alpha habe jedoch besonderen Wert darauf gelegt, seine Modelle gezielt mit deutscher Behördensprache zu schulen.
Für Behörden, die in ihren KI-Projekten noch nicht so weit fortgeschritten sind wie die Bundesagentur für Arbeit, stellt Aleph Alpha bundesweit die App F13 zur Verfügung. Diese KI-Anwendung, die grundlegende Funktionen für die Verwaltung bietet, wurde in Zusammenarbeit mit der Landesverwaltung Baden-Württemberg entwickelt. Neben der Bundesagentur für Arbeit hat Aleph Alpha bereits weitere Behörden als potenzielle Kunden im Blick. Das Unternehmen kündigte an, dass sein KI-Assistent F13 nun bundesweit verfügbar sei. F13 werde zunächst Funktionen wie Recherche, Faktenprüfung, Übersetzungen, Textgenerierung, Zusammenfassungen und Transkription anbieten.
KI im Gericht?
Mecklenburg-Vorpommerns Justizministerin Jacqueline Bernhardt hält es für möglich, dass künstliche Intelligenz auch in den Gerichten des Bundeslandes zum Einsatz kommen könnte. „Die künstliche Intelligenz erfasst die Justiz mit großen Schritten. Hier müssen wir überlegen, wenn wir die Justiz modern aufstellen wollen, wie wir die KI auch in die Justiz implementieren können, vor allem als Mittel der Arbeitserleichterung“, sagte die Linken-Politikerin auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.
Die Ministerin erklärte, dass seit diesem Jahr in einer speziellen KI-Werkstatt die mögliche Integration von künstlicher Intelligenz diskutiert und untersucht werde. „Gleichzeitig mit der Einführung der E-Akte widmen wir uns auch dem Thema künstliche Intelligenz,“ so Bernhardt. Inzwischen arbeiten alle 13 Fachgerichte im Land mit der elektronischen Akte.
In Deutschland sowie international testen oder nutzen Anwälte bereits KI-Technologien. Experten gehen davon aus, dass auch Richter sich auf diese Entwicklungen einstellen müssen.
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