Neues KI-Modell bringt Hoffnung für die Therapie seltener Krankheiten
Ein KI-Tool namens TxGNN eröffnet neue Möglichkeiten bei der Behandlung seltener und bisher unheilbarer Krankheiten. Es identifiziert potenzielle Wirkstoffe aus bestehenden Medikamenten für mehr als 17.000 Erkrankungen und übertrifft dabei bisherige Ansätze.
Weltweit leiden etwa 300 Millionen Menschen an einer der mehr als 7.000 bekannten seltenen Erkrankungen. Für die meisten dieser Krankheiten existieren bislang keine wirksamen Therapien, was sowohl für die Betroffenen als auch für das Gesundheitssystem eine enorme Belastung darstellt.
Das neuartige KI-Modell TxGNN, entwickelt von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Harvard Medical School, könnte nun einen Wendepunkt in der Behandlung dieser Erkrankungen markieren. Es nutzt die Kraft der künstlichen Intelligenz (KI), um in bestehenden Medikamenten neue Anwendungsmöglichkeiten zu entdecken und gibt damit betroffenen sowie Ärztinnen und Ärzten neue Hoffnung im Kampf gegen seltene und vernachlässigte Krankheiten.
TxGNN hebt sich von bisherigen KI-Modellen durch seinen krankheitsübergreifenden Ansatz ab. Anstatt nur für einzelne Erkrankungen trainiert zu werden, erkennt es gemeinsame Merkmale verschiedener gesundheitlicher Beschwerden. Diese Fähigkeit ermöglicht es, Wissen über gut erforschte auf weniger verstandene Erkrankungen zu übertragen. Die KI wurde mit riesigen Datenmengen trainiert, darunter DNA-Informationen, Zellsignale, Genaktivitäten und klinische Notizen. Durch diesen umfassenden Ansatz kann TxGNN selbstständig neue Erkenntnisse generieren und diese auch auf Krankheiten anwenden, für die es nicht explizit trainiert wurde.
Künstliche Intelligenz revolutioniert die Arzneimittelforschung
Künstliche Intelligenz zu nutzen, um neue Anwendungen für bestehende Medikamente zu identifizieren, bietet enorme Vorteile gegenüber der klassischen Arzneimittelforschung. Erstens ermöglicht KI eine deutlich schnellere Entwicklung, da bereits zugelassene Wirkstoffe zügiger für neue Indikationen eingesetzt werden können. Zweitens reduziert dieser Ansatz die Kosten erheblich, da die aufwendige Entwicklung komplett neuer Medikamente entfällt. Drittens profitieren Patientinnen und Patienten von einem besseren Sicherheitsprofil, da die Risiken zugelassener Wirkstoffe bereits bekannt sind.
Darüber hinaus kann die künstliche Intelligenz mögliche Nebenwirkungen und Kontraindikationen vorhersagen – ein großer Fortschritt gegenüber dem bisherigen Trial-and-Error-Ansatz in frühen klinischen Studien. TxGNN hat in ersten Tests hervorragende Ergebnisse geliefert. Es identifizierte Arzneimittelkandidaten aus fast 8.000 Medikamenten für 17.080 Krankheiten, darunter auch solche, für die es bisher keine verfügbaren Behandlungen gibt. Im Vergleich zu führenden KI-Modellen für die Wiederverwendung von Medikamenten indentifizierte TxGNN mögliche Medikationen durchschnittlich fast 50 Prozent besser. Bei der Vorhersage von Kontraindikationen erreichte es sogar eine um 35 Prozent höhere Genauigkeit.
Eine Besonderheit von TxGNN ist seine Fähigkeit, Erklärungen für seine Vorhersagen zu liefern. Diese Transparenz kann das Vertrauen von Medizinerinnen und Medizinern in die KI-gestützten Empfehlungen stärken und ist ein wichtiger Schritt zur Integration von KI in den klinischen Alltag. Die Kombination aus Präzision und Nachvollziehbarkeit macht TxGNN zu einem spannenden Werkzeug für die klinische Forschung, insbesondere im Bereich seltener Erkrankungen.
Neue Hoffnung durch KI-gestützte Therapieansätze
Die Umnutzung bestehender Medikamente, auch als Drug Repurposing bekannt, ist ein attraktiver Ansatz. Er basiert auf der Tatsache, dass die meisten Medikamente multiple Wirkungen haben, die über ihre ursprünglichen Ziele hinausgehen. Viele dieser Effekte bleiben bei der Entwicklung und Zulassung unentdeckt und zeigen sich erst nach jahrelanger Anwendung. Tatsächlich haben fast 30 Prozent der von der FDA zugelassenen Arzneimittel nach der Erstzulassung mindestens eine zusätzliche Behandlungsindikation erhalten. TxGNN nutzt dieses Potenzial, indem es große Datenmengen analysiert und Verbindungen herstellt, die für den Menschen oft nicht erkennbar sind.
In einem Test wurde das System aufgefordert, Medikamente für drei seltene Erkrankungen zu finden, die es während seiner Ausbildung nicht gesehen hatte. Die Empfehlungen des Modells stimmten in allen Fällen mit dem aktuellen medizinischen Wissen überein und lieferten zusätzlich plausible Begründungen für die Auswahl. Die Entwicklerinnen und Entwickler von TxGNN haben das Tool kostenlos zur Verfügung gestellt und ermutigen Forschende, es für die Suche nach neuen Therapien zu nutzen. Insbesondere für bisher nicht behandelbare Erkrankungen könnte dies einen Durchbruch bedeuten. Das Team arbeitet bereits mit mehreren Stiftungen für seltene Krankheiten zusammen, um dabei zu helfen, mögliche Behandlungsmethoden zu ermitteln.
Ausblick: KI als Gamechanger in der Medizin
TxGNN ist ein deutlicher Fortschritt in der Anwendung von KI in der Medizin. Es zeigt eindrucksvoll, wie sich die Grenzen des bisher Möglichen verschieben lassen und so neue Perspektiven in der Behandlung komplexer und seltener Erkrankungen möglich werden. Die Fähigkeit von TxGNN, aus vorhandenen Daten neue Erkenntnisse zu ziehen und diese auf unbekannte Krankheitsbilder zu übertragen, könnte die Arzneimittelforschung grundlegend verändern. Gleichzeitig wirft der Einsatz solch fortschrittlicher KI-Systeme auch wichtige ethische und regulatorische Fragen auf. Wie kann sichergestellt werden, dass die Empfehlungen der KI zuverlässig und sicher sind? Wie lässt sich das System in den klinischen Alltag integrieren, ohne dass es zu einer Überabhängigkeit von der Technologie kommt?
Diese Fragen müssen in den kommenden Jahren sorgfältig diskutiert und beantwortet werden. Trotz dieser Herausforderungen überwiegt das enorme Potenzial von TxGNN und ähnlichen KI-Systemen. Sie könnten nicht nur die Entwicklung neuer Therapien beschleunigen, sondern auch die Kosten für die Gesundheitssysteme weltweit reduzieren. Die künstliche Intelligenz könnte sich so als wahrer Gamechanger in der Medizin erweisen.
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