KI-Simulation 02.10.2024, 07:00 Uhr

Reise in die Zukunft: Haben Sie heute schon mit sich selbst gesprochen?

MIT-Forschende haben ein System namens „Future You“ entwickelt, das es Nutzenden ermöglicht, mit einer Simulation ihres potenziellen zukünftigen Ichs zu sprechen. Durch den Austausch mit dieser virtuellen Version der eigenen Person soll das Gefühl der Selbstkontinuität gestärkt werden. Eine erste Studie zeigt vielversprechende Ergebnisse.

Blick in die Zukunft

Blick in die Zukunft: KI ermöglicht ein Gespräch mit einem zukünftigen eigenen Ich.

Foto: PantherMedia / Khakimullin

Stellen Sie sich vor, Sie könnten durch die Zeit reisen und Ihr zukünftiges Ich treffen. Dank der Fortschritte der generativen künstlichen Intelligenz (KI) ist das jetzt möglich – natürlich nur virtuell. Ein Forschungsteam vom Massachusetts Institute for Technology (MIT) hat gemeinsam mit Partnern ein System namens „Future You“ entwickelt. Es bietet Usern die Möglichkeit, eine Simulation ihres potenziellen Ichs im Alter von 60 Jahren abzurufen und sich mit ihm auszutauschen.

Das klingt nach einer Spielerei, hat aber einen ernsten psychologischen Hintergrund: Es geht darum, das Konzept der Selbstkontinuität zu stärken. Selbstkontinuität bezieht sich auf das Gefühl, dass man über die Zeit hinweg im Kern dieselbe Person bleibt, auch wenn sich äußere Umstände und einzelne Aspekte der Persönlichkeit verändern.

Weniger Angst dank eines KI-Sprachmodells

Selbstkontinuität ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Ist sie besonders ausgeprägt, kann das die Entscheidungsfindungen positiv beeinflussen, etwa in Bezug auf die finanzielle Vorsorge oder die Karriere. Das haben Studien gezeigt.

Future You nutzt ein leistungsstarkes Sprachmodell, das auf Basis von Nutzerinformationen eine individuelle Simulation des zukünftigen Ichs erstellt. In der Interaktion mit dieser virtuellen Version können die User Fragen zu ihrer möglichen Zukunft stellen und Ratschläge erhalten.

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Pat Pataranutaporn, Doktorand am MIT Media Lab, sieht in der KI-Technologie eine Art Zeitmaschine: „Wir können diese Simulation nutzen, um Menschen dabei zu helfen, mehr über die Konsequenzen der Entscheidungen nachzudenken, die sie heute treffen.“ Eine erste Nutzerstudie zeigte, dass die Teilnehmenden nach einer halbstündigen Interaktion mit Future You weniger Angst vor der Zukunft hatten und sich stärker mit ihrem zukünftigen Selbst verbunden fühlten.

Future You: Realistische Simulation

Die Idee, das zukünftige Selbst zu konzeptualisieren, ist nicht neu und reicht bis in die 1960er-Jahre zurück. Frühere Ansätze, wie das Schreiben von Briefen an das zukünftige Ich oder die Anwendung von VR-Brillen, waren jedoch wenig interaktiv und somit begrenzt in ihrer Wirkung. Mit dem Aufkommen generativer KI und leistungsstarker Sprachmodelle sahen die Forschenden die Chance, eine Simulation zu erschaffen, die auf die individuellen Ziele und Wünsche der User eingeht.

„Das System macht die Simulation sehr realistisch. Future You ist viel detaillierter als das, was eine Person sich ausdenken könnte, wenn sie sich nur ihr zukünftiges Selbst vorstellt“, sagt Pattie Maes, Professorin am MIT. Die KI stellt den Usern persönliche Fragen und nutzt die Antworten, um eine Hintergrundgeschichte zu erzeugen, die als Basis für den Dialog dient.

So funktioniert das Gespräch mit dem zukünftigen Ich

Die User interagieren auf zweierlei Weise mit Future You: Zum einen reflektieren sie ihr aktuelles Leben und ihre Ziele, während sie ihr künftiges Selbst konstruieren. Zum anderen denken sie im Anschluss darüber nach, ob sie sich tatsächlich so sehen, wie sie es in der Simulation erlebt haben.

Um den Nutzern die Vorstellung ihres zukünftigen Ichs zu erleichtern, generiert das System ein altersgemäß fortgeschrittenes Foto und verwendet in den Antworten Formulierungen wie „als ich in deinem Alter war“.

Sicherheitsvorkehrungen in der KI-Simulation

Um zu verhindern, dass sich die Simulation in eine negative Richtung entwickelt, haben die Forschenden Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Future You weist die User unter anderem darauf hin, dass es nur eine mögliche Version ihres zukünftigen Selbst zeigt und dass sie die Möglichkeit haben, ihr Leben zu ändern. Durch alternative Antworten im Fragebogen kann ein völlig anderes Gespräch entstehen. „Dies ist keine Prophezeiung, sondern eine Möglichkeit“, betont Pataranutaporn.

Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen Sicherheitsvorkehrungen ergänzen, um einen Missbrauch des Systems, etwa zu Werbezwecken, zu verhindern. Außerdem soll Future You spezielle Anwendungsmöglichkeiten bieten, etwa zur Erkundung verschiedener Karrierewege oder zur Visualisierung der Auswirkungen alltäglicher Entscheidungen auf den Klimawandel. „Wir hoffen, dass Future You den Menschen dabei hilft, mehr über die Konsequenzen ihrer heutigen Entscheidungen nachzudenken“, sagt Maes.

Ein Beitrag von:

  • Nicole Lücke

    Nicole Lücke macht Wissenschaftsjournalismus für Forschungszentren und Hochschulen, berichtet von medizinischen Fachkongressen und betreut Kundenmagazine für Energieversorger. Sie ist Gesellschafterin von Content Qualitäten. Ihre Themen: Energie, Technik, Nachhaltigkeit, Medizin/Medizintechnik.

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