Smarte Textilien: Wenn der Handschuh bei der Arbeit hilft
Virtuelle Spiele und auch Arbeitswelten werden immer lebensechter und intuitiver. Forschende haben mit einer smarten Kunststofffolie nun eine Möglichkeit gefunden, die Kommunikation zwischen dem Menschen und diesen Welten deutlich natürlicher zu gestalten.
Forschende der Universität des Saarlandes haben eine Kunststofffolie entwickelt, die als Sinnesorgan für Computersysteme fungiert. Sie ermöglicht auf natürliche Art und Weise die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine – und zwar ganz ohne Tastatur, Maus oder Controller, also ohne Tasten und Knöpfe. Als Basis setzen die Forschenden auf eine Silikonfolie. Diese bedruckten sie auf beiden Seiten mit einer hochdehnbaren Elektrodenschicht. Sobald eine elektrische Spannung entsteht, drückt sich die Folie zusammen. „Sie weicht dabei zur Seite aus und vergrößert ihre Fläche. Hierbei ändern sich zugleich die Messwerte der elektrischen Kapazität“, erklärt Paul Motzki, Professor für smarte Materialsysteme für innovative Produktion.
Smarte Fensterbeschichtung dämmt und kühlt
Die Forschenden sehen eine große Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten für die smarte Folie: Sie könne nicht nur auf Textilien, sondern auch auf unterschiedlichen Gegenständen sinnvolle Dienste leisten. Denn das Besondere an der smarten Folie ist, dass sie der Benutzerin oder dem Benutzer eine direkte Rückmeldung geben kann. Das geschieht in Form von haptischen Signalen wie Klopfen, Vibrieren und Druck oder auch durch akustische Signale, also Töne. Dementsprechend sind Einsätze bei Video- und Online-Spielen am naheliegendsten, ebenso in Arbeitshandschuhen.
Smarte Textilien unterstützen bei der Arbeit
Der Handschuh gilt derzeit bei den Forschenden als Favorit, weil er die Hand bedeckt, die als eines der wichtigsten Kommunikationswerkzeuge des Menschen gilt und sich damit virtuell vernetzen ließe. Deshalb hat das Team der Universität des Saarlandes einen Arbeitshandschuh mit der smarten Folie ausgekleidet. Indem ein Mensch diesen bei der Arbeit trägt, weiß ein damit verbundenes Computersystem, wie zum Beispiel der Industriemonteur Hand und Finger bewegt. Stellt man sich den Monteur nun in einer virtuellen Industrie-4.0-Umgebung vor, könnte der Handschuh mit der smarten Folie spezielle Gesten erkennen und dadurch beim nächsten Handgriff den Monteur unterstützen – sei es bei der Auswahl des richtigen Bauteils oder, indem er die Greifkraft misst, auch beim Anziehen von Schrauben. Denkbar wäre auch, dass der Monteur rein durch Bewegungen der Hand einfache Prozesse steuert. In Kombination mit Warntönen könnte das sogar die Qualität verbessern, weil das System Fehler frühzeitig erkennt und darauf hinweist.
Da die Folie besonders dünn ist, lässt sie nicht nur in einem Handschuh verwenden, sondern auch in Kleidungsstücken. Davon würden zum Beispiel Kinder auf Quarantäne-Stationen profitieren. Denn die Folie kann die Körpernähe der Eltern spürbar machen. Dafür müssten allerdings dann Eltern und Kinder gleichzeitig eine der smarten Folien einsetzen – ohne sich am selben Ort zu befinden: Während die Eltern die eine Folie streicheln, spürt das Kind auf seiner Folie genau diese Nähe. Unterstützung erhalten die Forschenden in diesem Bereich von Kolleginnen und Kollegen des Homburger Medizin-Campus der Universität des Saarlandes. Ziel sei es, Kindern in Quarantäne einen virtuellen Raum zu bieten, indem sie ihren Eltern realitätsnah begegnen können – Emotionen inklusive.
Kunststofffolie wird zum Sinnesorgan
Und so funktioniert die Folie im Detail: Die Forschenden können jeder Stellung der Folie, ganz wie sie sich gerade verformt, exakt einen Messwert der elektrischen Kapazität zuordnen. Auf diese Art und Weise entstehen Sensoreigenschaften, weitere Technik ist dafür dann nicht mehr notwendig. Wenn man sich das Beispiel des Arbeitshandschuhs noch einmal vor Augen führt, bedeutet das: Hinter jedem Dehnen, Ziehen oder Stauchen von Hand und Finger stehen einzelne Messwerte. Algorithmen sind in der Lage, diese Bewegungsabläufe in einer Regelungseinheit zu berechnen. Ein Computersystem kann sie dann weiterverarbeiten.
Und die Folie kann noch mehr: Sie lässt sich gezielt ansteuern. Dadurch sind Bewegungsabläufe jeglicher Art aus der Ferne produzierbar. „Das reicht vom hochfrequenten Vibrieren bis hin zu stufenlosen Hub- oder Klopfbewegungen oder dem Halten einer bestimmten Position. Die Frequenz und Schwingungen können wir beliebig verändern“, sagt Sebastian Gratz-Kelly, der im Rahmen seiner Doktorarbeit an den smarten Textilien forscht. Dadurch sei es auch möglich, dass sich die Folie fühlbar gegen den Finger der Benutzerin oder des Benutzers drückt. Das Forschungsteam stellt ihre smarte Folie vom 17. Bis 21. April auf der Hannover Messe vor.
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