Gesichtsverschmelzung: Illegale Grenzübertritte durch Facemorphing?
Das Fraunhofer IGD entwickelt Methoden zur sicheren Erkennung und Abwehr von Facemorphing-Attacken, die eine wachsende Gefahr für biometrische Sicherheitssysteme darstellen. Kriminelle verwenden Facemorphing, um sich alternative Identitäten zuzulegen und unerkannt in andere Länder zu reisen.
Biometrische Systeme erkennen Personen automatisch anhand biologischer Merkmale und Verhaltensweisen, wie Gesichtsgeometrie, Fingerabdrücken, Irismustern, Venenmustern, Stimme oder Unterschriften. Ursprünglich wurden sie vor allem in hoheitlichen Bereichen wie Grenzkontrollen und forensischen Datenbanken eingesetzt.
Heute finden biometrische Verfahren zunehmend Anwendung im Alltag, etwa beim Login auf Smartphones und PCs, bei Zugangskontrollen und im Zahlungsverkehr. Besonders die Fingerabdruck- und Gesichtserkennung haben sich beim Entsperren mobiler Geräte etabliert. Diese Technologien bieten hohe Sicherheit und mehr Benutzerfreundlichkeit im Vergleich zu traditionellen Authentifizierungsmethoden.
Wenn zwei Gesichter miteinander kombiniert werden
Trotz der Vorteile bergen biometrische Verfahren aufgrund der langfristigen Speicherung persönlicher Daten auch Risiken. Und eins davon ist, wie bereits erwähnt Facemorphing. Facemorphing bezeichnet das Überlagern und Kombinieren zweier Gesichter auf einem Foto, sodass ein neues Gesicht entsteht, das den beiden Ursprungsbildern stark ähnelt. Was zunächst wie eine einfache Photoshop-Spielerei wirkt, hat jedoch weitreichende Folgen.
So kann man beispielsweise sein eigenes Gesicht mit dem eines Freundes oder Prominenten verschmelzen, was zu faszinierenden Ergebnissen führt. „Befindet sich ein solches Foto auf einem Pass oder Ausweisdokument, können Kriminelle, die beispielsweise ein Einreiseverbot in ein bestimmtes Land haben, mit so einem Foto trotzdem die Grenzen passieren“, erklärt Dr. Naser Damer vom Fraunhofer IGD in einem Interview.
Im menschlichen Gesicht gibt es bestimmte Punkte, die als „Merkmalspunkte“ oder „interest points“ bezeichnet werden, wie die Mundwinkel und Augenwinkel. Insgesamt spricht man von 68 klar definierten Merkmalspunkten. Bei der traditionellen Methode des Gesichts-Morphings werden zwei Gesichter genutzt, die sich in vielen dieser Punkte ähneln. Die Positionen dieser Merkmalspunkte können entweder manuell oder automatisch erkannt und dann mit Bildbearbeitungssoftware gemittelt, um ein neues Gesicht zu erstellen. Die Mittelwertbildung der Gesichtspunkte ist dabei ein wichtiger Schritt im Facemorphing.
Ein gemorphetes Bild bleibt oft unentdeckt
Mit anderen Worten: Mit Hilfe von Facemorphing können Menschen mit kriminellem Hintergrund problemlos eine neue Identität erschaffen und sich als diese ausweisen.
Dabei wird ein Passfoto erstellt, das biometrische Merkmale mehrerer Personen kombiniert und bei der Beantragung eines Ausweises eingesetzt. „Weder das menschliche Auge noch eine Maschine erkennen diesen Betrug“, erklärt Florian Kirchbuchner, Experte für Biometrie am Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD in einer Pressemitteilug.
Besonders an Flughafensicherheitskontrollen werden Identitätsprüfungen in großem Umfang automatisiert durchgeführt. Kriminelle nutzen diese Umstände und versuchen, mit gefälschten Bildern einzureisen. „Ein gemorphetes Bild bleibt oft unentdeckt, da biometrische Systeme darauf trainiert werden, gewisse Veränderungen im Gesicht ihres Gegenübers zu akzeptieren“, sagt Kirchbuchner.
Facemorphing-Erkennung entwickeln
Forschende des Fraunhofer IGD arbeiten derzeit an Erkennungsalgorithmen, die darauf ausgelegt sind, unbekannte Angriffe zu antizipieren. Kirchbuchner erklärt, dass das Ziel darin besteht, eine verallgemeinerte Facemorphing-Erkennung zu entwickeln, um schneller als die Kriminellen zu reagieren.
Im Rahmen von Athene, dem Nationalen Forschungszentrum für angewandte Cybersicherheit, morpht das Fraunhofer IGD unter anderem auch selbst Bilder. So beschäftigen sich die Forschenden auf verschiedenen Ebenen mit Biometrie. Ein Forschungsprojekt widmet sich dem Identitätsmanagement, insbesondere der Untersuchung von Facemorphing. Dabei sehen die Forschenden das Erkennen, Aufdecken und Identifizieren von Facemorphing-Attacken als eine ihrer Hauptaufgaben.
Die Forschungsgruppe setzt dabei auf Technologien des Deep Learning und der künstlichen Intelligenz (KI). Kirchbuchner beschreibt, dass generative adversarische Netzwerke (miteinander konkurrierende) genutzt werden, um vollständig maschinell neue Gesichter zu erzeugen, die Merkmale beider ursprünglicher Gesichter aufweisen. Dies ermögliche es ihnen, potenzielle Angriffsmethoden frühzeitig zu identifizieren und ihre Erkennungssysteme entsprechend vorzubereiten. „Ein möglicher Anwendungsfall sind Head-Mounted Displays, wie sie in VR/AR-Anwendungen und im Metaverse genutzt werden z.B. zur Unterstützung der Beamten bei der Grenzkontrolle oder auch zur Identifizierung des Nutzers selbst. Dabei kann der Träger anhand der Augenregion eindeutig identifiziert werden, selbst bei unterschiedlichen Augenpositionen und Bewegungen“, erklärt der Experte.
Auf der it-sa in Nürnberg, die vom 22. bis 24. Oktober stattfindet, wird das Fraunhofer IGD seine neuesten Forschungsergebnisse vorstellen. Ein Höhepunkt in Halle 6, Stand 6-314, soll ein Demonstrator sein, der eine Flughafensituation nachbildet. Besucher und Besucherinnen haben die Möglichkeit, in die Rolle einer Grenzbeamtin oder eines Grenzbeamten zu schlüpfen und spielerisch zu testen, ob sie auf Ausweisen morphte Bilder erkennen können. Außerdem können sie ein Foto von sich aufnehmen, es morphen lassen und einen Ausweis als Biometrieexperte erstellen.
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