Weltraumlogistik 15.04.2024, 10:58 Uhr

90 Minuten Lieferzeit weltweit: Frachttransport aus dem Orbit

Ein amerikanisches Raumfahrtunternehmen plant Frachttransporte aus dem Weltraum. Innerhalb von 90 Minuten sollen Lieferungen an jeden Ort der Welt möglich sein.

Sierra Space Ghost

Die generelle Funktionsweise des Sierra Space Ghost wurde mittels Hubschrauber-Abwürfen getestet.

Foto: Alex Walker

Können wir bald jeden Ort der Welt innerhalb von 90 Minuten beliefern? Das private US-Raumfahrtunternehmen Sierra Space will es möglich machen. Die Lieferung soll aus dem Orbit erfolgen. Konkret geht es um Frachtlieferungen auf Abruf. Dabei wird die Fracht für bis zu fünf Jahre auf einer Plattform im All „zwischengeparkt“ und bei Bedarf an Ort und Stelle gebracht. Mögliche Frachten könnte militärische, aber auch humanitäre Güter wie zum Beispiel Waffen, aufblasbare Boote, Nahrungsmittel oder Medikamente umfassen.

Lieferung innerhalb von 90 Minuten auf 90 Meter genau

Wenn wir heute Güter von Deutschland nach Australien bringen wollen, dauert das fast einen Tag. Sierra Space möchte das in 90 Minuten schaffen. Das Raumfahrtunternehmen sieht vor allem Vorteile für militärische Anwendungen, indem es Soldaten auf dem Schlachtfeld schneller mit notwendigen Ressourcen versorgen könnte. Doch die Ambitionen von Sierra Space gehen über den militärischen Bereich hinaus. Das Unternehmen will auch in der Katastrophenhilfe und bei humanitären Einsätzen eine wichtige Rolle spielen.

Ihr Raumfahrzeug, der Sierra Space Ghost, hat das Potenzial, den Transportsektor zu revolutionieren. Es kann in Regionen landen, in denen es bisher keine Landebahnen gab. Ein weiterer Vorteil ist sein steuerbares Ruder- und Fallschirmsystem, mit dem die Fracht bis auf 90 Meter genau an den Zielort gebracht werden kann. Diese Eigenschaften könnten den Ghost zu einem wertvollen Werkzeug in verschiedenen Einsatzgebieten machen.

Sierra Space Ghost Funktionsweise

Soll die Lieferung zugestellt werden, wird die Plattform abgebremst und sinkt Richtung Erde.

Foto: Sierra Space

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Wie würde es funktionieren?

Wer irgendwann einmal versorgt werden will, muss Jahre im Voraus festlegen, was er geliefert haben möchte. Das können Überlebensausrüstungen, aufblasbare Boote, Lebensmittelrationen oder Waffen sein. Diese Fracht wird ins All geschossen und dort zunächst auf Vorrat gelagert. Die Ghost-Plattform kann bis zu fünf Jahre im Orbit bleiben, bevor die Vorräte benötigt werden.

Wenn die Zeit für die Lieferung gekommen ist, bremst ein De-Orbit-Triebwerk den Satelliten so weit ab, dass er in die Erdanziehungskraft eintritt. Dadurch wird der Abstieg zur Erdoberfläche eingeleitet. Während des Wiedereintritts schützt ein Hitzeschild die Nutzlast vor der extremen Hitze. Nach dem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre wird der Hitzeschild entfernt. Eine schirmähnliche Weichhülle öffnet sich, um die Landung zu erleichtern.

Eine Ladung kostet Millionen

Laut Erik Daehler, Vizepräsident von Orbital Missions & Services, kann das Ghost-System auf verschiedene Größen skaliert werden. Die Ladung darf zwischen 250 und 800 Kilogramm schwer sein. Wer sich ein Vorratslager im All vorhalten möchte, muss zudem gut bei Kasse sein. „Der Bau jeder Einheit kostet derzeit einen zweistelligen Millionenbetrag. Sierra Space arbeitet jedoch daran, diese Kosten auf einen einstelligen Millionenbetrag zu senken“, sagte Daehler.

Im Februar 2024 führte Sierra Space erste Falltests mit dem Ghost durch. Diese ermöglichte den Testingenieuren, die Flugeigenschaften des Systems besser zu verstehen. Außerdem ging es darum, wie die Bergungsarbeiten am Boden möglichst schnell abgeschlossen werden können.

Mit Unterstützung des in Florida ansässigen Unternehmens Operator Solutions wurden drei Testartikel von einem Sikorsky S-76-Hubschrauber abgeworfen, um einen stabilen Flug der Hardware bei Unterschallgeschwindigkeit zu gewährleisten. Sierra Space wird in kommenden Tests auf Hyperschall skaliert. Wann das System dann weltraumtauglich ist und eingesetzt werden kann, ist bislang nicht bekannt.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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