Allianz gegen den Diebstahl von hochwertiger Fracht
Hochwertige Unterhaltungselektronik steht bei Diebesbanden hoch im Kurs. Bereits heute verursacht der Frachtdiebstahl in Europa laut EU-Schätzungen einen Schaden im Wert von jährlich 8,2 Mrd. € – mit steigender Tendenz. Die Betroffenen wehren sich mit „Tapa“. In der „Transported Asset Protection Association“ wollen weltweit bereits mehr als 800 Unternehmen – darunter sämtliche großen Handy-, Chip- und Spielkonsolenhersteller – vereint für mehr Sicherheit im Warentransport sorgen.
Wer heute noch eine Bank überfällt, ist selber schuld, denn das eigentlich für die organisierte Kriminalität interessante Kapital rollt nach Ansicht von Thorsten Neumann, Leiter „Global Supply Chain Security“ beim Mobiltelekommunikationsspezialisten Nokia, Ratingen, inzwischen in Form von hochwertigen Produkten über die Straßen.
„Je nach Inhalt kann eine einzige Lkw-Ladung schnell mehr als 10 Mio. € wert sein“, erklärte Neumann Ende vergangenen Jahres auf dem DHL Innovation Day in Troisdorf. Und den Dieben werde ihr Handwerk oft sehr leicht gemacht. „Denn meist wird die Ladung nur von einem einzigen Fahrer bewacht“, berichtete der Sicherheitsexperte.
Die High-Value-Industrie, zu der auch die Mobiltelefonhersteller gehören, repräsentiert nach den Angaben des Nokia-Managers zwar nur rund 6 % des Gesamtvolumens in der Logistik, aber auf sie entfielen 27 % der Diebstahlverluste. Nach Aussage von Neumann ist 1 kg an Mobiltelefonen etwa genauso viel wert, wie 1 kg Gold. Doch niemand käme auf die Idee, Gold mit einem unbewachten ungepanzerten Lkw zu befördern.“
„Insgesamt kommt es laut einer EU-Untersuchung europaweit jedes Jahr zu etwa 8,2 Mrd. € an Verlusten innerhalb der Transportkette“, so Neumann. Der reale Verlust für die Unternehmen sei aber etwa fünf mal höher zu bewerten, denn hierbei wären weitere Kosten, u. a. für Versicherungen zu berücksichtigen.
Die Diebe seien meist hervorragend organisiert und gingen immer brutaler vor – im Extremfall würden sogar komplette Lkw samt Fahrer entführt. Neumann berichtete von einem Fall aus der Benelux-Region: Ein großer Chip-Produzent habe z. B. innerhalb von sechs Wochen fünf Überfälle an der niederländischen Grenze verzeichnet. Dabei sei die Ware meist entweder in Deutschland gestohlen und sofort in die Niederlande gefahren worden oder umgekehrt.
Neumann: „Das Problem der EU sind einerseits offene Grenzen, andererseits hat jedes Mitgliedsland seine eigene Polizeibehörde. Dies wird von Kriminellen ausgenutzt.“ Ein weiteres Problem sieht der Sicherheitsexperte darin, dass die Polizei einen Lkw- oder Transportgut-Diebstahl – solange er ohne Waffengewalt geschieht – nicht mit höchster Priorität behandele. Neumann: „Die Aufklärungsrate im Bereich Cargo-Crime liegt bei gerade einmal 2 %.“ Würden die Täter ermittelt, drohten ihnen dann auch nur vergleichsweise geringe Strafen.
In einer Allianz versuchen die Geschädigten, sich künftig erfolgreicher gegen den Frachtdiebstahl zu wehren. Mithilfe von Tapa (Transported Asset Protection Association), London, wollen betroffene Unternehmen das Ruder selbst in die Hand nehmen und den Transportdiebstahl reduzieren.
Die Organisation hat laut Neumann mehr als 800 Mitgliedsunternehmen weltweit, davon 260 aus Europa. Alle bedeutenden Hersteller von Unterhaltungselektronik und viele Logistikdienstleister sind neben vielen weiteren Herstellern aus anderen Branchen in den vergangenen Jahren der Allianz beigetreten. Heute gelten deren Sicherheitsanforderungen weltweit als industrieller Standard für Cargo-Betrieb und Transportsicherheit.
Zur Vermeidung des Warendiebstahls erfasst der Tapas Incident Information Service kontinuierlich Daten von kriminellen Vorfällen und stellt sie den Mitgliedern zur Verfügung. Diese werden so in die Lage versetzt, durch die Nutzung der aktuellsten Cargo-Crime-Informationen gefährliche Orte zu umgehen, ihre Güter während des Transportes zu schützen und gegebenenfalls gestohlene Waren umgehend zu melden und möglichst rasch wieder aufzufinden.
Tapa schließt sich zudem regelmäßig auf höchstem Level mit Strafverfolgungsbehörden und anderen relevanten staatlichen Einrichtungen zusammen, um die Mitglieder bei ihren Anstrengungen gegen die Kriminalität zu unterstützen. Dank der globalen Kooperation hätten alle Mitgliedsunternehmen ihre Verlustzahlen senken können, vorausgesetzt, sie hätten die Tapa-Standards angewendet, wie Neumann betonte.
„Gemeinsam mit unseren Logistikpartnern konnten wir bei Nokia dadurch in nur zwei Jahren unsere Verluste um 72 % reduzieren“, verkündete der Sicherheitsexperte, der auch Vorsitzender von Tapa CEMEA (Central Europe, Middle East, Eastern Europe, Africa) ist, den insgesamt 184 Teilnehmern des DHL Innovation Day in Bonn. Zu den Logistikdienstleistern unter den Tapa-Mitgliedern zählt DHL Freight. Mit seinem High-Value-Service will das Bonner Tochterunternehmen der Deutschen Post den Langfingern das Handwerk legen. Die strengen Sicherheitsvorkehrungen wie Kameraüberwachung und Zugangskontrollen beginnen bereits an den Terminals. Für den Transport werden speziell geschulte und für Gefahren sensibilisierte Fahrer eingesetzt, auf Wunsch begleitet ein zweiter Fahrer den Transport. Auch kann die gesamte Tour über GPS in Echtzeit kontrolliert werden. Vor der Abfahrt werden die High-Value-Container und -Anhänger verplombt. Für Ruhezeiten während des Transports stehen den Fahrern gesicherte und genau festgelegte Parkplätze zur Verfügung.
Seit Kurzem deckt der neue DHL-Service auch für Stückgut und Teilladungen die erforderlichen Sicherheitsstandards ab und erweitert damit das bereits bestehende High-Value-Transportangebot. Sowohl klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) als auch Großkunden haben laut den Informationen des Logistikdienstleisters nun die Möglichkeit, hochwertige Sendungen bis zu einem Gewicht von 2500 kg diebstahlgeschützt per Landtransport zu versenden.
„Wir erwarten, dass die Anforderungen an den Transport hochwertiger Produkte hinsichtlich Sicherheit und Informationsmanagement weiter steigen werden“, begründete Thomas George, CEO von DHL Freight die Ausweitung des Angebots. Im ersten Schritt würden zehn Länder bedient: Neben Deutschland, den Niederlanden und Ungarn auch Großbritannien, Österreich, Belgien, Schweiz, Tschechien, Polen und die Slowakei. Bis 2012 soll der Service in allen europäischen Ländern zur Verfügung stehen. R. MÜLLER-WONDORF
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