Betriebslogistik wird „grün“
In Regalbediengeräten, Stetigförderern, fahrerlosen Transportsystemen, Elektrohängebahnen und Staplern steckt ein erhebliches ökologisches und wirtschaftliches Potenzial: Experten schätzen, dass sich bis zu einem Drittel der Energiekosten in diesem Bereich mit Ansätzen von „Green Logistics“ einsparen lassen – etwa durch Energierückgewinnung, Power-Management sowie Abschalten in Schwachlastzeiten oder durch Optimierung der Anfahrpositionen.
Logistik und Umwelt ist nicht bloß ein Modethema, sondern führt zu langfristigen Änderungen in der logistischen Wertschöpfung, urteilt die Studie „Trends und Strategien in der Logistik – Globale Netzwerke im Wandel“ der Bundesvereinigung Logistik e.V. (BVL), Bremen. Dies bedeutet für den Industriebetrieb, sich auch mal mit der Frage auseinanderzusetzen, warum etwa eine Förderanlage läuft, auch wenn auf ihr nichts transportiert wird? Warum fährt ein Stapler die meiste Zeit ohne Last und nicht konsequent den kürzesten Weg? Und warum muss ein Förderband permanent und auf Höchstleistung laufen, auch wenn gegen Nachmittag die Auslastung abnimmt?
Das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML), Dortmund, hat aufgezeigt, dass in den innerbetrieblichen Logistiksystemen heute rund 40 % der Gesamtkosten durch Ausgaben für Energie entstehen. Bis zu einem Drittel dieser Kosten ließe sich, so das IML, mit Ansätzen von Green Logistics einsparen: beispielsweise durch Solarmodule auf dem Lagerdach oder durch Optimierung der Heiz- oder Kühlkosten.
In Regalbediengeräte, Stetigförderer, fahrerlose Transportsysteme, Elektrohängebahnen, Stapler ließen sich zum Beispiel energiesparende Antriebe einbauen und freiwerdende Energie nutzen, statt ungenutzt als Wärme im Bremswiderstand abgestrahlt zu werden. Hersteller von Lagertechnik bieten seit geraumer Zeit solche Antriebe mit Energierückgewinnung: Beim Bremsen wird die Bewegungsenergie etwa von Regalbediengeräten (RBG) wieder ins Netz eingespeist. Und der Anfahrzeitpunkt der einzelnen Geräte wird rechnergesteuert zeitlich so gelegt, dass nicht alle RBG gleichzeitig anfahren und damit Verbrauchsspitzen erzeugen.
Unter dem Begriff „Viastoreblue“ hat der Intralogistik-Spezialist Viastore Systems, Stuttgart, ein Konzept entwickelt, welches nicht nur die einzelnen Energieverbraucher im Lager wie auch im Logistikzentrum erfasst, sondern die gesamte Anlage im Blick hat: Denn das Power-Management des Warehouse-Management-Systems (WMS) verwaltet die Daten der Leistungs- und Energiemessungen in der Datenbank. „In der Intralogistik schleichen sich schnell Energiefresser ein,“ warnte Christoph Hahn-Woernle, geschäftsführender Gesellschafter von Viastore.
Zum Beispiel dann, wenn Stapler oder Regalbediengeräte unnötig lange Wege fahren müssen, weil die Artikelklassifizierung nicht mehr dem aktuellen Stand entspricht, und ein dereinst als C-Artikel klassifiziertes Produkt ungünstig oder weit hinten im Lager liegt, aber mittlerweile häufig gebraucht wird. Stattdessen versperren vermeintliche A-Artikel die günstig gelegenen Fächer.
„Eine leistungsstarke Lagersoftware mit intelligentem Kennzahlensystem kann die Automatikteile eines Lagers zwischen ,Stand-by“ und ,Full Speed“ individuell automatisch steuern,“ ergänzte Hahn-Woernle. Ein intelligentes Warehouse-Management-System ermittele durch wegoptimierte Fahrstrategien Einlagerfächer abstandsoptimal zur nächsten auszuführenden Auslagerung und vermeide so unnötige Fahrstrecken. Die automatische Einlagerung etwa von Paletten erfolge dabei mit Regalbediengeräten, die standardmäßig mit energiesparender Technologie ausgerüstet sind. Leerfahrten und unnötig weite Fahrten würden im Sinne eines effizienten Umgangs mit Energie und Kosten so gut es geht vermieden.
„Bei der grünen Logistik handelt es sich um einen Megatrend, der gerade aufkommt,“ bestätigte auch Harald Seifert, Geschäftsführer von Seifert Logistics, Ulm. Dieses Thema werde die Logistikbranche auch in den kommenden Jahren beschäftigen. Entsprechend diesem Langfristtrend setzen das Caroussel-System oder das Case-Picking-System von SSI Schäfer, Giebelstadt, auf ökonomische und gleichzeitig ökologische Flächen- bzw. Gebäudenutzung. Die Systeme verfügen über Energierückgewinnung sowie Optionen für verbrauchs- und verschleißmindernden Schwachlastbetrieb. Fahr- und Hubantriebe fahren synchron. „Grüne Logistik ist nicht bloß ein Modetrend,“ urteilte denn auch Harrie Swinkels Geschäftsführer von SSI Schäfer aus Giebelstadt.
Energieeffiziente Betriebslogistik reicht aber auch tief in Montage- und Produktionslinien hinein: Für die Just-in-time-Versorgung ihrer automatisierten Produktionslinien im Werk Hildesheim, wo täglich 18 000 Anlasser die hochautomatisierten Fertigungslinien verlassen, hat die Robert Bosch GmbH veraltete und schwere Systembehälter bei laufendem Betrieb durch 50 000 neue Werkstückträger ersetzt. Die Bereitstellung der einzelnen Baugruppen für die Endmontage erfolgte bislang in thermoplastischen Schaumgussbehältern, „die teuer und oft schwerer als ihre Inhalte waren und zudem kaum Optionen für Produktänderungen zuließen“, so Helmut Lehmann, Abteilung Auftrags- und Lieferplanung/Logistikprojekte bei Bosch. Die von SSI Schäfer neu entwickelten leichten Werkstückträger sind durch verschiedene, austauschbare Einsätze exakt auf die Anforderungen der jeweiligen Baugruppen zugeschnitten. 50 000 Behälter und Inlays in sieben Varianten sind nun bei Bosch im Umlauf. EDGAR LANGE/KIP
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