Für Mensch und Maschine gleichermaßen lesbar
Barcodes auf den Verpackungen sind praktisch für die Warenlogistik und für den Kassierer. Der muss nicht mehr den Preis eintippen. Und die Kasse weiß sofort den richtigen Mehrwertsteuersatz und hat den Warenabfluss registriert. Der Nachteil der Striche: Man kann sie nicht lesen. Das soll jetzt ein neues Super-Label ändern.
Warenfluss und Lagerhaltung sind die beiden Seiten der gleichen Medaille: der Logistik. Es geht darum, stets den Überblick zu haben über Abverkauf von Waren und Zufluss von Lagerbeständen. Für jeden ist dieses strenge Kontrollsystem beim täglichen Einkauf im Supermarkt spätestens an der Kasse sichtbar. Mit rotem Laserlicht liest die Kassiererin den Barcode auf der Verpackung der gekauften Waren in die Kasse ein. Damit addiert die Kasse jedoch nicht nur die Preise der Waren, sondern sie registriert auch jeden Warenabfluss für die Lagerhaltung. So wird automatisiert dafür gesorgt, dass die Regale im Laden immer gut gefüllt sind und es kaum Ladenhüter gibt.
Maschinenlesbare Codes sind ein Segen für die komplexe Warenlogistik
Für die rollende Logistik hat sich weltweit das RFID-Label etabliert, wobei RFID für „Radio-Frequency IDentification“ steht. Hierbei funkt das Etikett an ein Lesegerät die Informationen über den Inhalt, den das verpackte Produkt enthält. So können die Wege der Produkte verfolgt und lückenlos dokumentiert werden. Auch Zugangskontrollen lassen sich über das RFID-System leicht realisieren. Für die Generation Smartphone hat sich der so genannte QR-Code durchgesetzt, ein Matrixcode, der beim Auslesen auf dem Smartphone-Display Internetseiten, Texte oder Filme anzeigt. Barcode, QR und RFID haben jedoch einen großen Nachteil. Sie sind für den Menschen nicht lesbar, den Barcode kann vielleicht ein „Wetten, dass …?“ -Kandidat nach jahrelanger Übung in gewissen Grenzen interpretieren. Der große Rest der Labels bleibt für das menschliche Auge kryptisch verschlüsselt.
Die Daten im Super-Label können jederzeit geändert werden
Abhilfe schafft jetzt ein Super-Label, welches Ingenieure des Instituts für Integrierte Produkte Hannover (IPH) in einem zweijährigen Forschungsprojekt entwickelt haben. Ihr Auto-ID-System kann von Maschinen gelesen werden wie Barcode oder QR, es zeigt aber die Information über das gelabelte Produkt auch für Menschen lesbar auf dem Etikett an. Damit wird beendet, dass ein Mitarbeiter im Baumarkt ein Produkt erst scannen muss, wenn ein Kunde den Preis erfahren möchte, weil die Beschriftung am Regal fehlt. Besonders pfiffig an dem Super-Label ist, dass es wiederbeschreibbar ist. Ändert sich zum Beispiel der Inhalt einer Verpackung, so kann der Mitarbeiter die auf dem Label gespeicherten Daten anpassen. Wie durch Zauberhand ändert auch das für den Menschen lesbare Etikett seine Beschriftung.
Möglich wird dieser Trick durch optische Kommunikation zwischen Smartphone und Super-Label. Eine Leuchtdiode des Senders schickt rotes Licht mit einer Wellenlänge von 660 Nanometern zum Label. Damit ist die Information für Barcode, QR-Code und RFID-Funktechnik jederzeit mit dem normalen lesbaren Etikett deckungsgleich. Ein unschätzbarer Vorteil für die hochkomplexe Logistik unserer Zeit.
Lagerumgebung nachgebaut: Einladung zum Ausprobieren auf der Hannover-Messe
Auf der Hannover-Messe vom 8. bis zum 12. April 2013 können Besucher sich mit dem neuen Super-Label vertraut machen und die Vorteile kennen lernen. IPH-Ingenieure bauen am Niedersächsischen Gemeinschaftsstand A10 in Halle 2 eine Lagerumgebung nach. Besucher können sich eine Android-basierte App herunterladen und das Label testen. In Kombination mit einem Sender können sie es nicht nur auslesen, sondern auch neu beschreiben. Sie können zum Beispiel die Artikelmenge über die App auf dem Smartphone ändern. Das Super-Label reagiert darauf in Echtzeit und verändert die Klarschrift auf dem Display und den QR-Code.
Das zweijährige Forschungsprojekt endet mit dem Monat April. Dann soll das Super-Label seine Praxistauglichkeit beweisen. Das IPH sucht derzeit Unternehmen, die das Label in ihre Intralogistik integrieren wollen, um es auf Herz und Nieren zu prüfen. Gleichzeitig wollen die Ingenieure die Label-Technik weiter entwickeln, denn die hat noch echte Schwächen. So ist die Reichweite des roten Lichts auf einen Meter beschränkt. Besonders störend ist, dass das Display das Licht stark reflektiert, was die Lesbarkeit erheblich beeinträchtigt. Dann gilt es, das Super-Label energieautark über einer Solarzelle auszustatten.
Es begann mit einem Zehnerpack Fruchtkaugummi
Auch für die heute allgegenwärtigen Strichcodes war es ein langer Weg von der Idee bis zum Durchbruch. Den Einfall für einen solchen Code hatten zwei Ingenieur-Studenten bereits im Jahr 1948. Norman Joseph Woodland und Bernard Silver meldeten ihr gedrucktes Morse-Alphabeth zum Patent an. Die eigentlich geniale Idee der Warenflusskontrolle staubte lange Jahre vor sich hin. Erst 1973 einigten sich in den Vereinigten Staaten von Amerika Händler und Hersteller auf einen Standard, den vom Ingenieur George Laurer für IBM entworfenen „Universal Product Code“ (UPC). Am 26. Juni 1974 scannte ein Kassierer in einem Supermarkt in Ohio das erste Produkt mit dem aufgedruckten UPC in die Kasse – es war ein Zehnerpack mit Fruchtkaugummi.
In Deutschland war es eine Gewürzmischung der früheren Firma Wichartz aus Wuppertal, die am 1. Juli 1977 mit dem Strichcode bedruckt wurde. Doch es dauerte, bis dessen Vorteile auch in den Köpfen der Supermarktbetreiber ankamen. Die erste Scannerkasse stand im Oktober 1977 in einem Supermarkt in Augsburg. Zwei Jahre später, 1979, waren gerade einmal neun Scannerkassen in Deutschland im Einsatz, aber bereits 15.000 Produkte trugen den Strichcode auf ihrer Verpackung.
Aldi widerstand dem Siegeszug der Scannerkassen am längsten
Es war ein Siegeszug im Schneckentempo: Fünf Jahre nach der Einführung der Barcodes, im Juni 1982 standen in 66 deutschen Supermärkten insgesamt 535 Scannerkassen. Aufmerksame Zeitgenossen erinnern sich vielleicht noch an den Medienhype, als der Discounter Aldi im Jahre 2000 auf die modernen Scannerkassen umstellte. Bis dahin konnte der Aldi-Kunde immer nur darüber staunen, mit welcher Geschwindigkeit die Kassiererinnen die Preise aller Produkte nahezu fehlerfrei in die Kassentasten hämmerten. Alles Geschichte: Heute tragen in Deutschland 98 Prozent der Lebensmittel einen solchen maschinenlesbaren Strichcode. Und morgen wird vielleicht das Super-Label aus Hannover die Mensch-Maschinen-Kommunikation spürbar erleichtern.
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