Hilfe für Krisengebiete: Dank neuem Tool effizienter und günstiger
Medizinische Güter sind gerade in Kriegs- und Krisengebieten von unschätzbarem Wert. Sie dorthin zu bekommen, ist aber weder günstig noch eine leichte Aufgabe. Für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz gehört dies zum Tagesgeschäft. Dank eines neuen Planungstool funktioniert das nun effizienter und günstiger. Das Tool ist auch für andere Organisationen nutzbar.
Wichtige medizinische Geräte, Medikamente und Verbandsmaterialien in Krisen- und Kriegsgebiete zu transportieren, ist eine besondere Herausforderung. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) ist eine der Organisationen, die diese komplexe Aufgabe regelmäßig übernimmt. Der Weg der Güter führt in der Regel über die Zentrale in Genf, dann in Logistikzentren und Zwischenlager, bis sie dann in den Krisengebieten ankommen. Für die Logistikabteilung des IKRK ist das ständig eine Gratwanderung: Was wird gebraucht? In welcher Menge? Wo ganz besonders? Es geht also um den Einkauf dieser notwendigen Utensilien und zugleich auch um die Verteilung und den Transport.
Mit KI die interne Liefertreue auf ein hohes Niveau gehievt
Hilfe bei dieser komplexen Aufgabe bekommen die Mitarbeitenden des IKRK nun von einem Lagerbestandsrechner und einem Planungsverfahren. Beides entwickelt von einem Forschungsteam der ETH Zürich unter Führung von Stephan Wagner, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Lehrstuhlinhaber Logistikmanagement an der ETH Zürich, und Bublu Thakur-Weigold, Expertin für globale Wertschöpfungsketten.
Neues Planungstool vom IKRK in Krisengebieten im Einsatz
Zwölf Standorte in Afrika, im Nahen und Mittleren Osten und in der Ukraine sind mit dem Tool im Jahr 2023 ausgestattet worden. Das Ergebnis: Das IKRK konnte die Lagerbestände um 24 Prozent reduzieren. Auf die Qualität der Versorgung hatte dies keinerlei Einfluss. Insgesamt 3,6 Millionen Schweizer Franken ließen sich dadurch einsparen.
Die für die Logistik zuständigen Mitarbeitenden beim IKRK hatten bereits eine Planungssoftware im Einsatz. Doch wie sich herausstellte, konnte diese die Schwankungen nicht gut berücksichtigen, sowohl bei der Nachfrage bestimmter Güter als auch bei deren Lieferzeiten. „Durch die Zusammenarbeit mit der ETH Zürich haben wir herausgefunden, wie stark die Nachfrage und die Lieferzeiten für unterschiedliche Produkte schwanken. Der Lagerbestandsrechner ermöglicht uns, für jedes Produkt das optimale Gleichgewicht zwischen gewünschtem Versorgungslevel und nötigem Lagerbestand zu ermitteln“, erklärt Samah El Sayed, die für das IKRK die globalen Lieferketten koordiniert.
Daten als Basis für effizienteren Transport in Krisengebiete
Da sich das neue Planungstool in die bestehende Logistiksoftware des IKRK einbinden ließ, war es für die Mitarbeitenden sofort nutzbar. Die Planung von Bestellmengen und Lagerbeständen basiert nun auf Daten und funktioniert als eigenständiger Prozess. Medizinische Waren, die beständig lieferbar sind und deren Nachfrage relativ konstant ist, lassen sich dank des neuen Systems mit einem Versorgungsrad von 98 Prozent gewährleisten. Bei Gütern, deren Lieferzeiten und Nachfrage stark schwanken, will das IKRK 85 Prozent der Nachfrage sofort decken können. Auch das ist nun dank des Planungstools zuverlässig möglich. Gleichzeitig bedeutet dies eine Reduzierung der Lagerbestände, was beim IKRK die Kosten senkt.
Der neue Planungsprozess bietet darüber hinaus weitere Vorteile. Auch die Koordination zwischen den Logistikteams des IKRK und dem Gesundheitspersonal in den Krisengebieten lässt sich so verbessern. Das Personal vor Ort erhält mehr Informationen, welche Produkte in welchen Mengen geliefert werden können. Zugleich stärkt das ihre Position und sie geben bessere Prognosen an das Logistikteam, welches Material sie in welcher Anzahl künftig benötigen. Das Zusammenspiel der Beteiligten erreicht dadurch ein neues Niveau und das hat großen Einfluss auf die Qualität der Versorgung.
Planungstool auch für andere Organisationen nutzbar
„Mit dem neuen Ansatz konnten wir unseren Partnern in den Gesundheitseinrichtungen klar zeigen, bei welchen Gütern wir welche Risiken übernehmen würden. Das führte dazu, dass sie sich nicht mehr nur auf unsere Lagerbestände verließen und ihre eigene Planung verbesserten“, erläutert El Sayed. Willkommener Nebeneffekt: Mit dem Tool erhielten die Logistikerinnen und Logistiker des IKRK eine bedeutende Hilfe, mit der sich auch die Finanzkrise des IKRK besser bewältigen ließ. Darüber hinaus können auch andere humanitäre Organisationen von diesem Tool profitieren.
Das IKRK gibt es seit 1863. Sein Ziel hat sich seitdem nicht geändert. Es widmet sich dem Schutz und der Unterstützung von Menschen, die von bewaffneten Konflikten und Kämpfen betroffen sind. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Weiterentwicklung des humanitären Völkerrechts. Das ist auch die Grundlage für die Arbeit des IKRK, das sich durch freiwillige Beiträge der Vertragsstaaten der Genfer Konventionen, der nationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften, supranationaler Organisationen sowie öffentlicher und privater Quellen finanziert.
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