Intelligente Verpackungen sprechen mit uns
Smart Packaging ist in aller Munde. Doch wofür ist es gut? Wir zeigen Ihnen, was Verpackungen heute schon können und welche Rolle Ingenieure bei der Entwicklung umweltfreundlicher Alternativen spielen.
In Australien machen Weinliebhaber neuerdings Bekanntschaft mit so genannten Talking Labels. Auf den Weinflaschen von „19 Crimes“ sind britische Gelehrte, Künstler und Kriminelle zu sehen, die im 18. Jahrhundert nach Down Under strafverschifft wurden und sich dort ein neues Leben aufbauten. Sobald der Kunde das Smartphone zückt, die App herunterlädt und das Etikett auf der Flasche einscannt, erwachen die Kolonisten zum Leben, starren und sprechen ihn an.
„Verpackungen sind immer noch ein Albtraum“
Intelligente Verpackungen versprechen eine stärkere Anziehungskraft und mehr Absatz – vor allem aber eine bessere Umweltverträglichkeit. Und die ist bitter nötig. Die Plastikmassen im Ozean und an Land nehmen mittlerweile so gewaltige Ausmaße an, dass die Verpackungsindustrie immer stärker unter Druck gerät. Nachhaltigkeit war auch auf der Lebensmitteltechnikmesse Anuga Food Tec im März in Köln das beherrschende Thema. „Verpackungen sind immer noch ein Albtraum“, sagt Nachhaltigkeits-Papst Michael Braungart, der an der Erasmus-Universität Rotterdam lehrt und sich seit Jahrzehnten für umweltfreundliches Produktdesign einsetzt. „Ein Produkt mit giftigen Inhaltsstoffen hat ein Qualitätsproblem“, meint er. Plastik, das Weichmacher abgibt und bei der Verbrennung Dioxin entstehen lässt – die meisten Verpackungen sind eine Plage.
Bei Bosch Packaging Technology versucht man, zaghaft gegenzusteuern. Gemeinsam mit dem schwedischen Papierspezialisten BillerudKorsnäs entwickelte Bosch eine gesiegelte Papierverpackung, ein echtes Kraftpapier. Trockene Produkte wie Zucker, Getreide, Mehl oder Pulver können nun staubdicht in diesem biologisch abbaubarem Monomaterial-Papier verpackt werden. Das heißt: Kunststofffolie adé. Bosch übernahm Packstoff- und Maschinenentwicklung, Mechanik und Elektrik. Die Schweden zeichneten für die Prozessentwicklung und Anwendungstechnik des Papiers verantwortlich. Dafür gab es im vergangenen Jahr immerhin den Branchenaward Green Star.
Ein ganz spezielles Exemplar ist auch die Green Fiber Bottle von Carlsberg, eine Bierflasche aus nachhaltig erwirtschafteten Holzfasern. Entwickelt wurde sie vom dänischen Verpackungshersteller EcoXPac und Kilo Design, einem Industrie-Design-Studio aus Kopenhagen. Der österreichische Wettbewerber VPZ aus Graz wirbt unterdessen damit, „aus Algen Schaumstoff, aus Pflanzen Folien und aus Buchenholz Netze“ zu machen. Die Ideen sind zahlreich, die Hoffnungen groß.
Smart Packaging: RFID-Chips und Nanopartikel
„Man bekommt das Essen nicht zu den Menschen ohne Verpackung“, skizziert Pierre Pienaar, Vizepräsident der World Packaging Organisation (WPO), die Basis aller Bemühungen. Immerhin müssen die Waren heute teilweise über den gesamten Globus transportiert werden. Ganz ohne Umhüllung geht es also nicht. Smart Packaging könne aber helfen, die Lebenszeit der Produkte zu verlängern, den Zustand des Inhaltes zu kontrollieren und dem Verbraucher den Frischegrad anzuzeigen – und so Lebensmittelverschwendung zu reduzieren.
Intelligente Verpackungen sind interaktiv: Sie regulieren, kontrollieren, kommunizieren. Zum Beispiel durch Sensoren, Zeit-Temperatur-Indikatoren oder eingebaute RFID-Chips. „Nanotechnologie wird immer wichtiger“, ergänzt Pienaar. Denn Nanopartikel verleihen Verpackungen eine längere Haltbarkeit und eine größere Elastizität.
Intelligent Verpackungen stellen Ingenieure und Industrie vor Herausforderungen
All das deutet auf wachsende Herausforderungen für die Verpackungsindustrie und ihre Protagonisten hin: Verpackungsdesigner, Lebensmitteltechniker, Entwicklungs- und Verpackungsingenieure, auch Data Scientists sind gefragt. Natürlich auch Vertriebsingenieure und Maschinenbauer. Denn die Anlagen, die die Verpackungen produzieren, werden ebenfalls immer komplexer.
Vor allem, wenn die Verpackungen der Zukunft nicht nur intelligent, sondern auch unterhaltsam sein sollen. Der Entertainment-Faktor spielt in der Verpackungsindustrie eine immer größere Rolle. Glaubt man WPO-Vizepräsident Pienaar, dann waren die sprechenden Aufkleber längst nicht das Ende der Fahnenstange. Die Industrie arbeite schon an Flaschen, die anfangen zu sprechen, sobald man ihren Verschluss aufdreht. Diese Neuerung indes dürfte längst nicht jeder für intelligent halten…
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