Unfälle in der Ostsee 20.01.2025, 13:00 Uhr

Russlands Schattenflotte: Was lässt sich dagegen tun?

Eine marode, russische Schattenflotte fährt durch die Ostsee in die Welt. Das unterläuft Sanktionen und gefährdet die Umwelt. Was lässt sich nur dagegen tun?

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Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace demonstrieren in der Ostsee vor einem Schiff, das russisches Öl transportiert. Eine marode Schattenflotte fährt durch die Ostsee und bringt russisches Erdöl in die Welt. Das unterläuft Sanktionen und gefährdet die Umwelt. Was nur lässt sich dagegen tun?

Foto: picture alliance/dpa | Frank Molter

Warnungen vor rostigen Tankern, die russisches Öl nach Indien und China bringen und die Umwelt gefährden, häufen sich in Medienberichten. Dabei soll das Öl über der festgesetzten Obergrenze von 60 $/bbl (bbl: Barrel) gehandelt worden sein. Auch die Umweltorganisation Greenpeace legte eine Analyse zum Schiffsverkehr solcher Tanker in der Ostsee vor und fordert Sanktionen, um eine drohende Ölkatastrophe abzuwenden. Dem steht jedoch das internationale Seerecht entgegen. Umweltrisiken bieten zwar einen Hebel, aber auch das ist in den internationalen Seestraßen von Dänemark ein Balanceakt.

Es gab bereits eine Kollision in Dänemark

Im März dieses Jahres schlugen die Wellen hoch, als die „Andromeda Star“ (IMO 9402471) in dänischen Gewässern mit einem Frachtschiff kollidierte. Der 15 Jahre alte Tanker war auf dem Weg zum russischen Ostseehafen Primorsk, um Öl zu laden. Stattdessen musste er in Dänemark eine Werft anlaufen. „Alte Schrotthaufen“, nannte Mikael Pedersen, der seit 22 Jahren für den dänischen Staatsdienst DanPilot arbeitet, gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg im August solche Tanker. „Und es gibt mehr von ihnen als je zuvor.“ Im Schnitt geht Lotse Pedersen zweimal die Woche in der Nähe der Insel Bornholm oder der Küstenstadt Gedser an Bord eines solchen Schiffes und unterstützt es, von dort bis zur Nordspitze von Skagen durchzufahren. Eine Passage dauert mindestens 24 Stunden, sodass eine Übernachtung an Bord notwendig ist.

Viele Tanker der Schattenflotte seien unter den Lotsen gut bekannt, so Pedersen. Das Schiffsalter, undurchsichtige Eigentumsverhältnisse, unklare Versicherungen und Gutachten über Sicherheitsstandards und die Beflaggung durch Länder wie Gabun oder die Cookinseln, die eine schlechte Sicherheitsbilanz aufweisen, machten die Zugehörigkeit zur Schattenflotte schnell erkennbar. Weil einige dieser Tanker in einem so schlechten Zustand seien, lehnen Lotsen Aufträge ab. „Es kann einfach so dreckig sein“, sagte Pedersen. „Wir können dort nicht leben.“ Und der Lotse müsste dort nicht leben, aber zumindest längere Zeit dort arbeiten.

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Wieso gewährt Dänemark den Schiffen freie Fahrt?

Diese Schilderungen machen klar, dass das Szenario einer Ölpest nicht weit hergeholt ist, zumal der Schiffsverkehr in den dänischen Gewässern dicht ist. Hinzu kommt, dass einige Tanker in Eigenregie unterwegs sind und keine Lotsendienste in Anspruch nehmen, weil sie Kontrollen befürchten. Selbst Schiffe, die wie die Andromeda Star seit dem Sommer auf der Sanktionsliste der EU stehen, lassen sich von einer Durchfahrt nicht abhalten.

Für Russland käme das sonst einer Kriegserklärung nahe, der harte Vergeltungsmaßnahmen folgen sollten. Das erklärte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, laut Interfax im Mai. Sie berief sich dabei auf das Seerecht der Vereinten Nationen und insbesondere auf den Kopenhagener Vertrag von 1857, der die Durchfahrt von Schiffen durch den Großen und Kleinen Belt von Dänemark regelt. „Du darfst internationale Gewässer befahren, auch wenn du für ein Land unterwegs ist, mit dem wir geopolitisch nicht befreundet sind“, erklärte hierzu Bloomberg zufolge Kristina Siig, Professorin für Seerecht an der Universität von Süddänemark. „Dänemark ist kein Ort, wo wir einfach einen Zaun errichten und dann russische Ölsanktionen durchsetzen können. Aber wenn es einen Weg dafür gibt, dann ist es die Umwelt.“

Drohende Ölkatastrophe wäre ein Vorwand für restriktive Maßnahmen

Insofern ist die Allianz für Preisobergrenzen, zu der die G7, die EU, die USA, Kanada und Neuseeland gehören, ein zahnloser Tiger. Sie kann nicht wirklich gegen Schiffe vorgehen, die die Preisobergrenze von 60 $/bbl umgehen oder bereits auf der Sanktionsliste stehen. Ihre Empfehlungen an Schiffsverkehrsteilnehmer sehen Meldungen bei Behörden vor, wenn sie verdächtige Schiffe sichten. Das mag Ertappte aufschrecken, sodass sie Fahrten einschränken oder ganz einstellen.

Zugleich sind reichlich Tanker verfügbar, um Öl von den russischen Ostseehäfen Primorsk und Ust-Luga unter dem Sanktionsradar nach Asien zu verschiffen. Das zeigt eine Liste mit 192 Tankern, die die Umweltorganisation Greenpeace basierend auf Schiffsdaten von Marine Traffic und Lloyds zusammengestellt hat und im Oktober veröffentlichte. Die aufgelisteten Schiffe sind bei der branchenüblichen International Group of P&I Club, die Schutz gegen Risiken wie Leckagen und Kollisionen bietet, als nicht versichert aufgeführt. Russische Versicherungen sind eingesprungen. Dass diese im Notfall die Haftung übernehmen, ist wenig wahrscheinlich. Auch die Schiffseigner bleiben im Dunkeln, sodass sie nicht belangt werden können.

Die Anrainerstaaten bleiben demnach auf den Kosten sitzen, wenn es zu einer Ölkatastrophe kommt. Das gibt Anlass, sich zu wappnen, ohne das internationale Seerecht außer Kraft zu setzen. Im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS) von 1982 bieten Regelungen wie der Artikel 145 Küstenstaaten die Möglichkeit, den Schiffsverkehr einzuschränken, wenn Schiffe eine ernsthafte Gefahr für die Umwelt darstellen. Sacharowa warnte davor, auch dieses Argument zu nutzen, und sieht im Umweltschutz einen Vorwand zur Einführung von restriktiven Maßnahmen. So bleibt es ein Balanceakt, Tanker in den als sakrosankt geltenden Seestraßen von Dänemark festzusetzen.

Sanktionen gegen Russland und andere Staaten nur begrenzt wirksam

Ölförderung mit einer Pferdekopfpumpe in Russland durch Elkhovneft, eine Tochter von Tatneft, eine der größten russischen Öl- und Gasproduzenten.

Foto: Imago/Itar-Tass/Yegor Aleyev/Tass Publication

Sanktionen bieten dafür keine rechtliche Handhabe, solange etwaige Tanker keine Häfen anlaufen. Außerdem „ist der Markt für Rohöltanker mit über 10.000 Schiffen viel größer, sodass ältere Öltanker für einen Bruchteil der Kosten eines modernen LNG-Tankers erworben werden können“, weiß Malte Humpert, Experte für Schiffsverkehr und Fachautor bei gCaptain und High North News. Die globale LNG-Flotte habe gerade mal die Marke von 1000 Schiffen überschritten, von denen die Mehrheit weniger als 15 Jahre alt ist. Im Vergleich dazu gibt es Tausende von Öltankern, die 30 bis 40 Jahre alt sind.

„Einigen Schätzungen zufolge sind mehr als 600 Öltanker Teil einer globalen Schattenflotte, die sanktioniertes russisches, iranisches und venezolanisches Rohöl transportiert“, so Humpert. Ebenso sei der Ölumschlag von Schiff zu Schiff technisch einfacher zu handhaben, um Spuren zu verschleiern und die Herkunft des Öls zu verbergen. „Infolgedessen waren die westlichen Sanktionen gegen russische Ölexporte nur begrenzt wirksam und dem Land ist es gelungen, die Preisobergrenze von 60 $/bbl zu umgehen“, schließt Humpert daraus.

Dennoch kann das Minus für Russland größer werden, je mehr Tanker der Schattenflotte auf der Sanktionsliste stehen. Dann dürfte China das Sanktionsrisiko einpreisen und Preisabschläge fordern. Auch Schiffsmanöver und der Unterhalt einer übergroßen Schattenflotte haben letztlich ihren Preis. Die Andromeda Star befindet sich laut Vesseltracker aktuell vor der chinesischen Küste und dreht dort ihre Runden.

Ein Beitrag von:

  • Josephine Bollinger-Kanne

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