Logistik 13.08.2010, 19:48 Uhr

Stark wachsende Verteilerverkehre brauchen emissionsarme Lkw-Antriebskonzepte

Immer mehr Menschen werden künftig in größer werdenden Städten leben. Entsprechend schnell wird der innerstädtische Verteilerverkehr anwachsen. Gleichzeitig sprechen immer mehr Kommunen – meist abgasabhängige – Einfahrtsbeschränkungen aus. So sind vor allem die Automobilhersteller gefordert, neue Antriebskonzepte für emissionsarme Lieferfahrzeuge zu entwickeln.

Die Aufgaben im Verteilerverkehr werden in den nächsten Jahren weiter zunehmen. So führt der Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft beispielsweise zur Zunahme von Bringdiensten, wie Sylvia Diederichsmeier, Leiterin zukünftige Märkte und Kunden in der Society and Technology Research Group der Daimler AG, Stuttgart, kürzlich auf dem Distributions-Symposium 2010 des Nutzfahrzeugherstellers in Germersheim hervorhob. Die Gründe dafür liegen laut der auf gewerbliche Kraftfahrzeuge fokussierten Zukunftsforscherin häufig in der Veränderung der Ansprüche der Konsumenten. Für ein höheres Paketversandaufkommen sei zudem das weitere Wachstum der Zahl der Onlinekäufer und die Ausweitung des Angebotes verantwortlich.

Darüber hinaus führen auch die zunehmenden Kundenwünsche nach schneller Belieferung zu einer vermehrten Häufigkeit der Zustellung. Die Zukunftsforscherin sieht daher größere Herausforderungen auf die Verteilerverkehrsbranche zukommen. Diederichsmeier: „Die Ballungsräume wachsen weiter an. Immer mehr Menschen zieht es in die Städte. Einerseits wachsen die Klein- und Mittelstädte in den Randgebieten der Großstädte, andererseits erfahren auch die Innenstädte eine Revitalisierung. Bereits heute lebe die Mehrheit der Weltbevölkerung in Städten. Nach Prognosen der UNO werde der weltweite Anteil der städtischen Bevölkerung bis 2030 auf mehr 60 % steigen und im Jahr 2050 rund 70 % erreichen.

Trotz Überlastung der Infrastruktur wird dabei der Warentransport in den Städten aufgrund fehlender Alternativen in Zukunft hauptsächlich über die Straße abgewickelt werden, prognostizierte die Expertin. Zugleich würden Emissionen und Lärm in den Fokus der Umweltpolitik der Städte rücken, um die Lebensqualität zu verbessern. Dennoch könnten die Städte den Lkw nicht vollständig ausschließen.

Diederichsmeier: „Die Förderung des Einsatzes von leichten Fahrzeugen durch gewichtsmäßige Einfahrtrestriktionen ist nicht effizient und löst die Probleme der Städte nicht. Wenn man beispielsweise einen 40-t-Lkw zur Belieferung eines Supermarktes durch kleinere Fahrzeuge ersetzen würde, müssten rund 17 Transporter eingesetzt werden.“ Deshalb werde der Lkw auch im Verteilerverkehr der zukünftigen Städte eine wichtige Rolle spielen.

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Über sinnvolle City-Logistiksysteme mit Umladepunkten sei deshalb zu diskutieren. Diederichsmeier: „Die Städte werden den Einsatz umweltfreundlicher Fahrzeuge gesetzlich stark bevorzugen. Einfahrbeschränkungen und City-Maut werden sich zunehmend an den Emissionen orientieren.“ Erste Ansätze dazu seien in Städten wie London, Stockholm, Bologna sowie den deutschen Umweltzonen zu erkennen.

Insgesamt rücke die Reduzierung der Kohlendioxidemissionen (CO2) künftig auch im Stadtverkehr stärker in den Fokus. Durch die Politik würden für die Städte neue Möglichkeiten geschaffen werden, entsprechende Regulationen einzuführen. Nach Ansicht der Zukunftsforscherin werden in den Städten künftig Areale definiert, die einen Einsatz von Nutzfahrzeugen notwendig machen, die emissionsfrei fahren können. Durch den Einsatz von alternativen Fahrzeugantriebskonzepten entstünden hier neue Möglichkeiten.

Als eines der ersten Unternehmen teste Lekkerland, Frechen, die Hybrid-Lkw von Mercedes-Benz. Der Großhändler wird dabei den „Atego BlueTec“ ab 2011 für Auslieferfahrten einsetzen. „Wir prüfen alternative Antriebstechnologien regelmäßig auf ihre Einsetzbarkeit in der Praxis, um unsere Logistikprozesse so umweltschonend wie möglich zu gestalten“, erklärte Kay Schiebur, der bei Lekkerland für die Bereiche Einkauf und Logistik verantwortlich ist. „In Deutschland setzen wir beispielsweise im Bereich Kleinlogistik bereits Erdgasfahrzeuge ein und wir sind zuversichtlich, dass sich auch der Hybrid-Lkw nächstes Jahr in der Praxis bewähren wird“, so der Logistikexperte.

Der von Lekkerland eingesetzte Hybrid-Lkw zählt laut den Unternehmensinformationen zu einer Innovationsflotte von insgesamt 50 Fahrzeugen, die im Praxistest die Alltagstauglichkeit und das Sparpotenzial der Zukunftstechnologie unter Beweis stellen sollen. Bei dem Nutzfahrzeug handelt es sich um einen „Atego 1222 L“ mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 11,99 t. Der Lkw kostet allerdings rund 45 000 € mehr als ein vergleichbares Fahrzeug mit konventionellem Antrieb. Dafür ermöglicht er – je nach Fahrleistung – eine Reduktion des Kohlendioxidausstoßes von jährlich bis zu 4 t, wie Schiebur erläuterte. Zum Vergleich nannte der Experte die Daten für einen bisher im Verteilerverkehr eingesetzten Lkw mit Dieselmotor. Dieser verursache jährlich einen CO2-Ausstoß von durchschnittlich etwa 29 t.

Doch geht es Schiebur nicht nur um die CO2-Vemeidung. Auch das Thema Lärmschutz und damit die Verminderung von Verkehrslärm in den Innenstädten gewinne künftig immer mehr an Bedeutung. „Die Toleranzschwelle der Bewohner wird weiter sinken. Wir glauben, dass der Hybridantrieb eine gute Antwort darauf sein kann und seine Stärken deshalb vor allem im Verteilerverkehr liegen“, so der Logistikexperte.

Ziel der Innovationsflotte ist es zunächst, ihre Leistungen in der Verteilerverkehrspraxis zu erproben, um die Zuverlässigkeit des Nutzfahrzeugs auch in der Hybridvariante sicherzustellen. Für den Automobilhersteller stehen dabei die konkreten Erfahrungen und Meinungen der Kunden im Mittelpunkt. „Beim Hybrid sind wir derzeit noch in einer Erprobungsphase“, betonte Manfred Schuckert, Konzernstratege für Emissionen und Sicherheit Nutzfahrzeuge bei Daimler. Das Problem seien noch die Kosten. „Erst wenn diese sinken sind wir auch in der Lage, ein entsprechendes Fahrzeugangebot in größerer Stückzahl an Kunden zu geben“, räumte Schuckert ein. R. MÜLLER-WONDORF

Ein Beitrag von:

  • Rolf Müller-Wondorf

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