„Veraltete Lagertechnik kostet mehr Energie, als sich viele Firmen träumen lassen“
Ökologie und Ökonomie auf einem Nenner: Energieeffizienz wird zum Megatrend in der Industrie. Die Entwickler von Lagerlogistik stehen da nicht zurück, denn mit intelligenter Software lassen sich die Warenbewegungen in Automatiklagern und damit der Energieverbrauch spürbar senken. Zu den Vorreitern gehört die Stuttgarter Viastore Systems GmbH – und ihr Entwicklungsleiter Martin Krebs. VDI nachrichten, Stuttgart, 26. 2. 10, kip
Wer nachts in ein modernes Hochlager einbricht, braucht starke Nerven. Ohne Vorwarnung fahren in der Dunkelheit Regalbedienungsgeräte durch die langen Gänge und hinauf in die bis zu 40 m hohen Regale. Dort sortieren sie Paletten und deren Inhalte nach einem geheimnisvollen Plan um. „Das wirkt ganz schön gespenstisch“, so Dr. Martin Krebs, Ressortleiter Entwicklung bei der Viastore Systems GmbH in Stuttgart.
Krebs und seine 18 Mitarbeiter sorgen mit ihren standardisierten Warehouse-Management- und Materialfluss-Systemen dafür, dass die nächtliche Arbeit einen Sinn macht und den Lagerangestellten die Arbeit erleichtert, wenn diese morgens zur Frühschicht kommen. Die Software sorgt dafür, dass Waren schon so sortiert daliegen, dass sie mit wenigen Handgriffen eingepackt werden können.
Als Krebs 1991 zum Unternehmen kam – „als einfacher Programmierer“ -, hieß es noch Haushahn Automationssysteme, eine Tochter des Aufzugsherstellers Haushahn, nach dem Verkauf der Aufzugsparte 1999 firmierte das Unternehmen um. Das baut als Generalunternehmer Automatiklager, auch wenn das Softwarethema Warehouse Management immer mehr an Bedeutung gewinnt: Etwa die Hälfte der 350 Mitarbeiter ist mit Programmierung beschäftigt.
Im Kern geht es darum, Waren so geschickt wie möglich im Lager zu verstauen und zu transportieren, dass möglichst wenig Zeitaufwand und Kosten anfallen. Für diese Intralogistikprozesse ist die Entwicklungsabteilung von Krebs zuständig. 1 Mio. Codezeilen sind auf diese Weise bisher entstanden, alles standardisiert und unabhängig von Datenbank- und Betriebssystem-Typ. „Das ist wichtig, weil wir mit allen Plattformen zurechtkommen müssen, um als Generalunternehmer auftreten zu können“, betonte Krebs.
Eine Sonderstellung habe man auch beim Automatisierungsgrad. Der betrage bei Viastore je nach Anwendung bis zu 100 %, bei Lagern vieler Wettbewerber seien in vergleichbaren Fällen immer noch manuelle Schritte beim Warenhandling enthalten. Auch für das vollautomatische Greifen unterschiedlicher Waren haben die Stuttgarter ein Robotersystem namens Viapick entwickelt.
Dennoch bekommen auch die weltweit 350 Mitarbeiter von Viastore die Wirtschaftskrise zu spüren. Die Kunden halten sich derzeit mit Modernisierungen und Neubauten zurück. Lieber nichts ändern, heißt die Devise, obwohl nach der Einschätzung von Martin Krebs gerade jetzt der richtige Zeitpunkt für Modernisierungen wäre: „Wer seine Prozesse jetzt nicht in Ordnung bringt, ist für den Aufschwung nicht gerüstet.“
Dennoch arbeite man bei der Modernisierung eines Lagers am offenen Herzen des Unternehmens, sagt Krebs. Die Ware muss minutengenau bereitgestellt, verpackt und verladen werden, ansonsten werden die Kunden der Viastore-Kunden sauer. Dass so eine Operation reibungslos klappt, haben die Viastore-Ingenieure schon öfters bewiesen. Neue Motoren werden installiert, eine neue Software wird aufgespielt, ohne dass die Lagerarbeiter etwas davon merken.
Nutzung von Bremsenergie ist ein wichtiges Thema für Entwickler von Lagerlogistik
Ist die Wirtschaftskrise erst vorbei, werden Lager wieder verstärkt in den Fokus rücken. Thema Nummer eins: Energie- effizienz. Der Laie ist verblüfft und fragt sich, warum das Herumliegen von Ware Energie kostet. Nicht so sehr das Liegen, vor allem das Bewegen. Im Schnitt wird in einem großen Lager jede Palette einmal pro Tag bewegt – bei einigen 10 000 Paletten, die bis 2 t wiegen können, ein riesiger Aufwand, der enorme Energie verbraucht. Kein Wunder, dass die Technik mit armdicken Kabeln und mitunter eigenen Trafostationen mit Strom versorgt wird.
Wie aber setzt man die tonnenschweren Regalbediengeräte auf „Energie- diät“? Auf diese Frage haben die Via- store-Entwickler einige verblüffende Antworten gefunden. Ein Konzept fährt bereits auf der Straße: Elektro- und Hybridautos, die Bremsenergie zurückgewinnen und in einem Akku speichern. Auch in automatischen Lagern werden große Lasten unter hohem Energieaufwand beschleunigt und wieder abgebremst – Energie, die sich zurückgewinnen lässt. Doch wegen der großen Energiemengen und den kurzen Takten kommen Zwischenspeicher mit Akkus hier nicht in Frage, die Energie wird sofort wiederverwendet.
Zudem hat das Viastore-Team die Lagersoftware so weiterentwickelt, dass der Fahrweg der Bediengeräte nicht nur nach zeitlichen, sondern auch nach energetischen Aspekten optimiert verläuft. Bisher fuhren sie in einer geraden Linie von A nach B, also beispielsweise 20 m in die Regalgasse und gleichzeitig 30 m nach oben. Das ist mit der Optimierung anders. Im genannten Fall würde das Gerät 20 m in die Gasse fahren und die Bremsenergie, die kurz vor Erreichen des Endpunkts anfällt, in den Motor zur Aufwärtsbewegung speisen. Fährt die Palette nach unten, wird die Energie, die beim Bremsen frei wird, wieder zur Vorwärtsbeschleunigung genutzt. Ein Perpetuum mobile ist das natürlich nicht, weiß der promovierte Physiker Martin Krebs, aber nach seinen Erfahrungen lassen sich so bis zu 20 % der Energie einsparen: „Unsere intelligente Software sorgt dafür, dass die Bewegungszeiten trotz der längeren Wege nicht steigen und das Lager genauso schnell arbeitet.“
An einer weiteren Maßnahme arbeiten die Entwickler gerade. Messungen haben ergeben, dass der Energieverbrauch eines Regalbediengeräts 14 %. niedriger ist, wenn die Motoren nur mit halber Geschwindigkeit laufen. Statt mit Vollgas fahren die Geräte also besser gemächlicher durch die Regalzeilen, wenn wenig Aufträge anstehen. Dazu beurteilt die Software ständig, welches Arbeitstempo nötig ist, um die Aufträge auszuführen. B. MÜLLER/KIP
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