Anonymous erklärt Islamischem Staat den Cyber-Krieg
Nach den Anschlägen von Paris hat das Hacker-Kollektiv Anonymous dem Islamischen Staat offiziell den Krieg erklärt. Der findet im Netz statt und richtet sich gegen die Online-Präsenz des IS, vor allem auf Twitter. Inwieweit die Kampfansage von Anonymous wirkungsvoll ist, bleibt zunächst offen.
Nach den Terror-Anschlägen in Paris erklären die Aktivisten von Anonymous dem Islamischen Staat den Krieg im Internet. Verlesen wird die Kriegserklärung in einem Video auf YouTube, das mittlerweile mehrere Millionen Mal angeklickt wurde. Die Person mit dunklem Kapuzenpulli und Guy-Fawkes-Maske liest mit verzerrter Stimme eine Erklärung vor, in der sie zunächst ihre Trauer über die Getöteten und Solidarität mit den Angehörigen ausdrückt. Dann geht es an die Adresse der IS-Sympathisanten: „Die Mitglieder von Anonymous aus aller Welt werden euch aufzuspüren. Wir werden nicht aufgeben und nicht vergeben. Erwartet eine totale Mobilisierung von unserer Seite.“
OpParis soll der größte Einsatz von Anonymous werden
Die OpParis (Operation Paris) soll laut Anonymous der größte Einsatz der Hacker-Gruppe gegen den IS werden. Auf dem gleichnamigen Twitter-Account erklärte Anonymous gestern, bereits mehr als 5500 mutmaßliche IS-Kämpfer und Sympathisanten bei Twitter aufgedeckt zu haben. Der Cyber-Krieg gegen den IS ist allerdings keine völlig neue Aktion von Anonymous, sondern hatte im Januar dieses Jahres nach dem Anschlag gegen das Magazin Charlie Hebdo begonnen, damals als „Operation Isis“.
Mittlerweile taucht auch immer häufiger der Begriff „Daesh“ als Synonym für die Terror-Organisation auf und wird von den Aktivisten und einigen Politikern verwendet. Das Wort klingt im Arabischen sehr ähnlich wie die Abkürzung des vollen arabischen Namens der Organisation und wird gleichzeitig abfällig verwendet, weil es einen bigotten oder Zwietracht säenden Menschen bezeichnet. Der Name wird von der Gruppe selbst abgelehnt, was für ihre Gegner ein Grund mehr ist, ihn zu verwenden.
Tipps, wie man den Hackern wenige Angriffsfläche bietet
Die Reaktion der IS-Anhänger auf das Video von Anonymous und die darin enthaltenen Drohungen ließ ebenfalls nicht lange auf sich warten. „Was sollen die schon hacken?“ fragten sich IS-Sympathisanten beim Nachrichtendienst Telegram und nennen die Hacker „Idioten“, die nicht mehr könnten, als ein paar Social-Media-Konten zu hacken. Dennoch gibt man sich untereinander Tipps, um möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten: „Öffnet keine Links aus unbekannten Quellen. Ändert eure IP-Adressen regelmäßig und sprecht bei Telegram nicht mit Leuten, die ihr nicht kennt.“
Wie effektiv Anonymous mit seinen Cyberattacken gegen IS tatsächlich ist, bleibt in dieser Propaganda-Schlacht völlig unklar. Nach einer Untersuchung der Wissenschaftler J.M. Berger und Jonathon Morgan sollen IS-Unterstützer allein zwischen September und Dezember 2014 etwa 46.000 bis 70.000 Twitter-Accounts benutzt haben. Dagegen arbeiten die Aktivisten mit der regelmäßigen Veröffentlichung von langen Listen von Twitter-Accounts und fordern die Twitter-Nutzer auf, diese bei Twitter zu melden, um damit eine Löschung des Accounts zu erreichen.
Ob dem IS durch die Hacker ein Schaden entsteht, ist unklar
Das gelingt auch einerseits, allerdings wechseln die Terroristen permanent ihre Account-Namen, um ihren Verfolgern einen Schritt voraus zu sein. Darüber hinaus versucht Anonymous, andere Social-Media-Dienste anzugreifen und Propagandawebseiten durch gezielte Überlastung lahmzulegen. „Die informationstechnischen Strukturen von Anonymus, aber leider auch vom IS, sind derzeit nicht aufgeklärt“, sagte Ronald Schulze, IT-Experte beim Bund Deutscher Kriminalbeamte, im Gespräch mit Web.de. Ob dem IS dadurch ein wirklicher Schaden entstehe, könne nicht eindeutig gesagt werden.
Hinzu kommt, dass die Aktivisten von Anonymous weniger einheitlich agieren, als dies in der Kriegserklärung auf YouTube beispielsweise den Anschein hat. Ihr struktureller Zusammenhalt ist eher lose und sie organisieren sich immer wieder neu zu einzelnen Operationen. Gabriella Coleman, die sich als Anthropologin auf Online-Aktivismus und speziell auf Anonymous spezialisiert hat, sagte in einem Gespräch mit der Washington Post, dass nicht alle Anonymous-Aktivisten geschlossen hinter der Operation Paris stehen würden.
Unterschiedliche Ansichten innerhalb von Anonymous
Auch über die Vorgehensweise gebe es unterschiedliche Ansichten. So sei inzwischen vom „doxxing“ einiger Mitglieder des IS die Rede. Das doxxing, bei dem Klarnamen veröffentlicht werden, hatte Anonymous jüngst im Zusammenhang mit dem Ku-Klux-Klan verwendet und war damit auch auf Kritik gestoßen, nicht zuletzt weil auch Unschuldige fälschlicherweise auf die Liste geraten waren.
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