Clubhouse: Drei große Probleme – und ein Polit-Skandal
Die Social-Audio-App Clubhouse weckt Begehrlichkeiten: Alle wollen rein. Doch es gibt Probleme, warnen Datenschützer. Derweil sorgt Bodo Ramelow für den ersten Politskandal im Clubhouse.
Sehen und gesehen werden. Oder eher: Gehört werden. Darum geht es bei Clubhouse zumindest in diesen Tagen: Die Social-Audio-App ist DAS Gesprächsthema unter Start-up-Gründern und Tech-Interessierten – und allen, die immer gern überall dabei sein wollen.
Das liegt zum einen daran, dass auch viele Promis mitmischen: Die US-Schauspieler Jared Leto und Ashton Kutcher sind dabei, aber auch TV-Moderator Joko Winterscheidt. Neulich konnten Nutzer an einem Plausch mit Christian Lindner (FDP) und Dorothee Bär (CSU) teilnehmen; und für besonders viel Gesprächsstoff sorgte jetzt eine Talkrunde mit Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow – doch dazu später mehr.
Zum anderen macht die Exklusivität den großen Reiz von Clubhouse für viele aus: Nur wer eine Einladung bekommt, darf mitmachen. Klar: Der Club mit dem härtesten Türsteher ist immer der angesagteste der Stadt.
Clubhouse: Nutzer brauchen eine Einladung
Künstliche Verknappung nennen Marketingexperten das – und es funktioniert. Die App selbst ist schnell erklärt: Im Grunde ist Clubhouse eine Chatplattform, wie es viele gibt – allerdings wird nicht getextet, sondern zu vorher ausgewählten Themen gesprochen. Eine Social-Audio-App eben.
Clubhouse: So funktioniert die exklusive App
Jetzt werden kritische Stimmen von Datenschutzexperten laut: Denn Clubhouse birgt das ein oder andere Problem. Ein großer Punkt: Nutzer müssen der App Zugriff auf ihr gesamtes Adressbuch gewähren, sonst können sie keine Einladungen aussprechen – die App ist also dann nicht vollumfänglich nutzbar.
Invite in die Clubhouse-App: „Da sollte kein Zwang bestehen“
„Aus datenschutzrechtlicher Sicht könnte dies durchaus kritisch beurteilt werden. Wünschenswert wäre es, dass hierzu kein Zwang besteht. Vielmehr sollte der Nutzer einer solchen App die Freiheit haben, selbst zu entscheiden, welche Daten er dem Anbieter offenlegen möchte, um eine gewünschte Funktion zu nutzen“, sagt Nathalie Dold von Datenschutzexperte.de.
Das steckt hinter der App Clubhouse
Auf den ersten Blick ähnelt die App bekannten sozialen Netzwerken. Nutzer legen sich ein Profil an, können in Kontakt mit anderen Nutzern treten und ihnen folgen oder Gruppen beitreten, die hier Clubs heißen. Im Grunde ist Clubhouse eine Art Chatroom, in dem echte sprachbasierte Gespräche stattfinden. Die Nutzer kommen dazu zu einem bestimmten Termin in Audio-Chatrooms zusammen, um über ein vorher festgelegtes Thema zu diskutieren. Einen solchen Termin kann jeder Nutzer planen und selbst ausrichten.
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Das Besondere: Als Clubhouse-Nutzer kann man sich jederzeit in bereits stattfindende Gespräche einwählen und sich aktiv beteiligen – zum Beispiel in einen Live-Podcast. Wer etwas sagen möchte, hebt die virtuelle Hand – diese Funktion kennen die meisten Menschen spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie aus diversen Konferenz-Apps, über die man sich im Home-Office einwählt. Der Moderator des Gesprächs entscheidet dann, wer sprechen darf.
Der Haken: Clubhouse ist ein exklusiver Kreis. Neue Nutzer brauchen die Einladung – oder Invite – eines Club-Mitglieds. Nach der Registrierung erhalten neue Nutzer dann einen Code, mit dem sie Mitglied werden können. Jedes Mitglied kann zunächst nur zwei Einladungen aussprechen.
Warum überhaupt wollen die Betreiber von Clubhouse all die Daten? Ganz klar wird das bei der Lektüre der Datenschutzbestimmungen nicht. „Nach der DSGVO gilt, dass Betreiber einer solchen App den Nutzern offenlegen müssen, für welche Zwecke sie die Daten verwenden. Dabei wird immer wieder kritisiert, dass große Anbieter hier oftmals nicht ausreichend transparent über die konkreten Zwecke informieren“, so Dold. Und weiter: „Vermutlich geht es dem Betreiber dabei auch um die Verbreitung der App.“
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Datenweitergabe in die USA
Jeder Nutzer müsse für sich selbst überlegen, ob ihm die Nutzung der App das wert sei. „Ich persönlich lege bei der Nutzung von Apps Wert darauf, dass ich frei entscheiden kann, welche Daten ich dem Anbieter freigebe – und dass ersichtlich ist, weshalb diese Daten für die Nutzung erforderlich sind“ so die Datenschutzexpertin.
Ein weiteres Problem könne die Datenweitergabe in die USA darstellen. „Hier stehen wir aktuell aus Datenschutzsicht vor einigen Herausforderungen, wenn es um den Einsatz solcher Anbieter im Unternehmen geht.“
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Besteht denn die Gefahr durch Datenklau oder Weitergabe von Daten an Dritte? „Wir haben noch keine tiefgreifenden Erfahrungen mit der App, deshalb kann ich mich dazu auch nur unter Vorbehalt äußern. Unserem Wissensstand nach ist es Sinn und Zweck, dass die Daten zur Versendung von Einladungen an Clubhouse selbst und nicht an unberechtigte Dritte übermittelt werden. Sofern von Clubhouse entsprechende Verschlüsselungsmaßnahmen nach dem Stand der Technik ergriffen werden, sollte ein Datenklau daher grundsätzlich nicht möglich sein“, erklärt Nathalie Dold.
Kritisch wird es bei Unternehmen und Clubhouse
Generell sei die Nutzung für Privatpersonen eher nicht so problematisch: „Für Privatpersonen und bei rein privater Nutzung greift die DSGVO für diese regelmäßig nicht, weswegen diesbezüglich grundsätzlich keine Konsequenzen zu befürchten sind.“ Aber: „Kritisch kann es werden, wenn Beschäftigte eines Unternehmens die App zum Beispiel über ihr Diensthandy nutzen. Hier ist das Unternehmen Verantwortlicher für eine mögliche Datenweitergabe von Geschäftsdaten auf dem Diensthandy an Clubhouse.“
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Das Unternehmen trage dabei die Verantwortung für die konforme Verarbeitung der Daten und müsse sicherstellen, dass die Datenschutzvorgaben eingehalten werden. Unternehmen sollten daher unbedingt Regelungen mit ihren Beschäftigten für den Einsatz von (privaten) Apps auf Diensthandys treffen, so der Tipp der Expertin. „Ob und unter welchen Bedingungen ein Einsatz von Clubhouse im Unternehmen aus datenschutzrechtlicher Sicht zulässig ist, sollte im Einzelfall und in Zusammenarbeit mit dem Datenschutzbeauftragten geprüft werden.“
„Die Firma bekommt Daten von Personen, die keine Kunden sind“
Auch Jochim Selzer vom Chaos Computer Club (CCC) sieht die Tatsache, dass die Adressbücher der Nutzer auf Clubhouse-Server geladen werden, kritisch: „Da auf diese Weise ohne Einwilligung der Betroffenen personenbezogene Daten an das Unternehmen übermittelt werden, ist das Vorgehen datenschutzrechtlich bedenklich“, so Selzer.
„Insbesondere bekommt die Firma Daten von Personen, die noch nicht Kunden sind, es möglicherweise auch nicht werden wollen und damit einer Übertragung nicht zugestimmt haben“, sagt der CCC-Experte.
Allerdings würden die Daten als Hashes übertragen, was die Kritikalität des Vorgehens verringern könnte, erklärt Selzer. Hashes per se sind keine Verschlüsselung, werden aber häufig bei der Übertragung sensibler Daten verwendet. Grob gesagt: Die Daten werden zerhackt – beziehungsweise: Eine bestimmte Zeichenfolge wird umgewandelt, zum Beispiel in einen numerischen Wert.
Landesbeauftragte für Datenschutz: „Von Apps, die ein Versteckspiel treiben, ist abzuraten“
Bei der Landesbeauftragten für Datenschutz (LDI) NRW hat man die App zwar noch nicht geprüft, ist aber grundsätzlich eher skeptisch, was eine solche Art der Datenerhebung angeht.
„Für die Nutzerinnen und Nutzer ist insbesondere bei App-Anbietern, die ihren Sitz außerhalb der EU haben, häufig nicht nachvollziehbar, zu welchem Zweck die personenbezogenen Daten erhoben werden und was danach mit den Daten passiert“, so LDI-NRW-Sprecher Daniel Strunk.
Grundsätzlich gelte: Je mehr Daten die Nutzerinnen und Nutzer hinterlassen, desto größer sei die Gefahr, dass Persönlichkeitsprofile erstellt würden. „Den Userinnen und Usern muss klar sein, welche Daten erhoben werden, zu welchem Zweck und ganz besonders auch, wer darüber hinaus noch Zugriff auf die Daten erhält. Von Angeboten, die hier nicht offen oder unrichtig informieren oder pauschale Einwilligungen einfordern, also ein Versteckspiel treiben, ist grundsätzlich abzuraten“, sagt Strunk.
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Rechtsanwalt Christian Solmecke hat sich die Datenschutzbestimmungen von Clubhouse genauer angesehen. „Hier ist problematisch, dass die Kontaktdaten von Adressbuchkontakten, die noch nicht bei Clubhouse angemeldet sind, ohne deren Einwilligung an das Unternehmen übermittelt werden. Als Nutzer kann man sich bei dieser Datenweitergabe also nicht auf Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO als Rechtfertigungsgrund berufen“, so Solmecke.
Rechtsanwalt über Clubhouse: „DSGVO wird an keiner Stelle erwähnt“
„Wirft man einen Blick in die Datenschutzbestimmungen von Clubhouse, fällt eines außerdem ganz besonders auf. So kommt das Gründerunternehmen Alpha Exploration Co. seinen Informationspflichten gemäß Artikel 13 DSGVO vermeintlich nach, indem es in den Datenschutzbestimmungen die Daten nennt, die die App verarbeitet, und auch die Zwecke der Datenverarbeitung angibt“, so Solmecke.
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„Allerdings wird die DSGVO an sich an keiner Stelle erwähnt. Auch wenn das Unternehmen Alpha Exploration Co. seinen Sitz in den USA hat, muss das Unternehmen sich aber an die Vorschriften der DSGVO halten, weil die personenbezogenen Daten von EU-Bürgern verarbeitet werden.“
Clubhouse-Gespräche werden aufgezeichnet
Ein dritter Punkt, der Datenschützern unangenehm aufstößt: Die Clubhouse-Gespräche werden temporär aufgezeichnet. Die Betreiber begründen das damit, auf diese Weise schnell auf Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen reagieren zu können. Unterdessen gibt es aber immer wieder vor allem aus den USA Berichte über Events, in denen rassistische oder sexistische Inhalte eine Rolle gespielt haben.
„Gespräche werden temporär aufgezeichnet und nach Schließen eines Chatraums gelöscht – sofern es keine Beschwerden wegen des Gesprächsinhalts gab. Die Gespräche werden nach einem nicht genannten Verfahren verschlüsselt. Das Unternehmen weist in den AGB, nicht aber im Anmeldeformular auf die Aufzeichnung hin, was eine überraschende und damit unwirksame Klausel sein könnte“, so Jochim Selzer.
Der Zeitpunkt des Hypes um die App, die Datenschützern Sorgen bereitet, ist insofern interessant, als gerade viele Menschen demonstrativ Whatsapp aus datenschutzrechtlichen Bedenken den Rücken kehren – gleichzeitig aber viele Menschen unbedingt bei Clubhouse mitmischen wollen.
Bodo Ramelow: Fauxpas im Clubhouse
Jüngst gab es derweil mit der Causa Ramelow sogleich den ersten Polit-Skandal im Zusammenhang mit der App – der die Frage aufwirft, inwieweit Clubhouse-Events nun mit Öffentlichkeit gleichzusetzen sind. Und: Was mit Inhalten passieren kann, die während solcher Runden aufgeschnappt oder gar aufgezeichnet werden.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow fühlte sich jedenfalls augenscheinlich recht privat, als er in der Talkrunde „Trash und Feuilleton“ sehr offen aus dem Nähkästchen plauderte. Für sein Gebahren erntete er harsche Kritik. So erzählte der Linken-Politiker, dass er sich während der Beratungen der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Corona-Krise gerne dem Onlinespiel Candy Crush widme. Kritiker fragen, wie Ramelow angesichts des Ernstes der Corona-Lage, in der es wörtlich um Leben und Tod geht, zu einer solchen Aussage kommt. Der Signalwert nach außen ist in der Tat katastrophal.
Außerdem soll er Bundeskanzlerin Angela Merkel als „das Merkelchen“ bezeichnet haben. Die Aussagen Ramelows blieben keineswegs in der Runde der zeitweise etwa 1.000 Teilnehmer, sondern drang nach außen.
In der Berichterstattung sei das Gesagte zum Teil aus dem Kontext gerissen worden, bemängelte Ramelow später; entschuldigt hat sich Ramelow inzwischen allerdings dafür.
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