Multimediales TV: Viele Wege führen zum Zuschauer
Nicht nur Printmedien verlängern ihre Reichweiten in Onlineplattformen. Auch Fernsehformate kommen immer häufiger transmedial daher, bringen ihre Geschichten sowohl filmisch als auch online, per App oder ganz klassisch als gedrucktes Medium zum Konsumenten.
Gerade hat die Suche nach ihm begonnen – im Internet. Aber sie wird weitergehen: im Kino und TV. Die Dokumentation „Wer ist Thomas Müller?“ möchte dem Durchschnittsdeutschen auf die Spur kommen. An der Häufigkeit des Namens bemessen, wäre das „Thomas Müller“. Das Besondere an der Produktion: Sie ist „transmedial“, spielt sich im Internet, auf der Kinoleinwand und auf dem Fernsehschirm ab.
Die Dokumentation der Produktionsfirma Augenschein ist eines von vielen Projekten, die zurzeit entstehen und die Geschichten auf verschiedenen Plattformen erzählen möchten. „Die Kulturakte“ der Gebrüder Beetz Filmproduktion beispielsweise ist eine Dokumentationsreihe, die Stoffe der Hochkultur im Stil „moderner Crime-Scene-Serien“ für ein junges Publikum „zeitgemäß“ inszenieren möchte. Bei „Wagnerwahn“ über den Komponisten Richard Wagner etwa kommen neben Spielszenen auch Graphic-Novel-Elemente zum Einsatz. Die Schauspieler Samuel Finzi und Pegah Ferydoni sind in den Rollen des Künstlers und seiner Frau zu sehen.
Zusätzlich zum TV-Format wird es eine Graphic Novel beim Knesebeck Verlag und eine „Wagner-App“ geben. „Was bewegt eine Frau dazu, über 25 Stunden nicht von ihrem toten Ehemann zu weichen, seltsame Rituale zu vollziehen und sich neben den Toten zu legen?“ Diese und andere Fragen möchte die Dokumentation, die dieses Frühjahr auf Arte und beim SWR ausgestrahlt wird, klären.
Die Brüder Christian und Reinhard Beetz haben sich früher stets als klassische Filmproduktionsfirma verstanden, die immer linear erzählte und von der Story ausging. Jetzt sehen sie sich als „Inhalteproduzenten“. „Wir müssen das Publikum erreichen“, schildert Christian Beetz den Paradigmenwechsel. „Je nach Medium habe ich unterschiedliche ‚Publica‘.“ Der Produzent betont: „Ob ich das TV benutze oder das Internet oder ein Game, oder ob ich ein Buch schreibe. Je nach ‚Publica‘ muss ich den Inhalt anders erzählen.“
„Wir beobachten bei bestimmten Zielgruppen die Tendenz, Medien parallel zu nutzen“, hat auch Kristian Costa Zahn vom Ufa Lab festgestellt. Er erklärt weiter: „Linearen und nichtlinearen Konsum zusammenzubringen – das ist der Hintergrund bei transmedialen Formaten.“ „Transmedia“ bedeutet für ihn, von Anfang an eine Geschichte für verschiedene Kanäle und „direkt“ vernetzt mitzuentwickeln: „So dass trotz des Weglassens einer Plattform das Format zwar durchaus noch konsumierbar sein sollte, aber dadurch gleichzeitig ein deutlicher Mehrwert verloren geht.“ Bei Ufa Lab wurde auch der Krimi „Dina Foxx“ entwickelt. Nach dem Auftakt im ZDF mussten die Zuschauer selbst im Web auf Spurensuche gehen, um den Fall zu lösen. Eine Fortsetzung startet im nächsten Jahr.
Einen ungewöhnlichen Weg geht jetzt Eyeworks Germany, wie die Geschäftsführer René Jamm und Martin von Winterfeld beschreiben: „Wir werden demnächst ein Fernsehformat mit Protagonisten starten, die im und durch das Internet bereits Kultstars sind. Im TV werden sie aber etwas Neues machen.“ Die beiden Produzenten sehen darin auch einen neuen Weg der Zusammenarbeit zwischen Künstler und Produktionsfirma: „Es ist mehr auf Augenhöhe, da die Künstler nicht vom Fernsehen allein abhängig sind, sondern durch ihren Erfolg im Medium Internet bereits eine gewisse Unabhängigkeit besitzen.“
Der Betreiber des virtuellen Studios vr3, Jochen Schreiber, kooperiert wiederum mit Fachverlagen, um deren Inhalte auch audiovisuell umzusetzen. Er sagt: „Meine Idee basiert auf dem Gedanken, dass einmal generierter Content mehrfach und in modifizierter Form einem unterschiedlichen Publikum auf unterschiedlichen medialen Ebenen dargereicht werden kann.“ So werden bereits existierende Inhalte im Netz „verlängert“, aber auch umgekehrt, Geschichten, die im TV und im Internet begonnen haben, in gedruckter Form fortgeführt.
Aber nicht nur die Formate werden transmedial, sondern auch die Sender. Arte zum Beispiel ist dabei, sich komplett als „multimediale Marke“ aufzustellen. Der künftige stellvertretende Programmdirektor beim deutsch-französischen Sender, Florian Hager, geht davon aus, dass es unabdingbar ist, sich mit den neuen Nutzungsmöglichkeiten und -gewohnheiten von Bewegtbildern auseinanderzusetzen: „Dem Konsumenten dieser Angebote ist es dabei zunehmend egal, wie das Signal zu ihm kommt. Aber er geht immer mehr selbstverständlich davon aus, dass ‚Vor‘, ‚Während‘ und ‚Danach‘ eines derartigen Events auf dem von ihm in der jeweiligen Situation zur Verfügung stehenden Endgerätes nutzen zu können.“ WILFRIED URBE
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