Zukunft nach der Krise 20.04.2020, 12:46 Uhr

Wie werden wir nach der Coronakrise leben?

Der Exit aus dem Exit startet schon – es wird eine Zeit nach Corona geben. Die Welt wird eine andere sein. Wie wird sie aussehen? Der Versuch einer Antwort.

Tabula Rasa: Wie sieht die Zukunft nach Corona für uns aus? Foto: panthermedia.net/Maifisch01

Tabula Rasa: Wie sieht die Zukunft nach Corona für uns aus?

Foto: panthermedia.net/Maifisch01

Hätte man die letzten 5 Wochen im Koma gelegen oder hinterm Mond verbracht und käme jetzt zurück, man würde sich kaum zurechtfinden.

Alles sähe zwar fast aus wie immer. Aber man würde merken: Hier stimmt was nicht. Als hätte irgendeine Macht das Leben um ein paar Millimeter verschoben und damit alles geändert.

Die Welt draußen wirkt wie eine schlecht programmierte Simulation des Normalen, wie eine bizarre Kulisse. Menschen weichen anderen Menschen mit Masken vor dem Gesicht im Slalom aus. Niemand streitet sich. Niemand umarmt sich. Man schweigt und gibt keinem die Hand.

Coronakrise: „Hamsterkauf“ im kollektiven Krisengedächtnis

Unser Lebensradius ist jetzt winzig: die Wiese gegenüber vom Möbelhausparkplatz, der Supermarkt, Wohnzimmer, Bett und Badewanne.

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Der Küchentisch ist unser Büro: “Home Office”. Ein Begriff, der sich wie “Toilettenpapier” und “Hamsterkauf” völlig unerwartet ins kollektive Krisen-Gedächtnis eingraben wird. Wir haben essentielle Grundrechte aufgegeben, in Internetforen fragen wir uns ernsthaft: “Darf ich mich eigentlich noch auf eine Parkbank setzen oder ist das eine Ordnungswidrigkeit?” Und um 21 Uhr stehen wir auf unseren Balkonen und klatschen Beifall.

Für den, der gerade von der Rückseite des Mondes zurückgekehrt ist, müssen wir wirken wie Verhaltensgestörte.

“Lebe im Hier und jetzt” war das Credo vor der Krise. “Carpe Diem”. Die Weisheit konnte man schon damals abgeschmackt finden. Jetzt ist der Satz plötzlich Wirklichkeit geworden – aber mit einer Schwermut, mit der wir nicht gerechnet hatten.

Denn von heute auf morgen ist “Hier und Jetzt” nicht mehr Urlaubsplanung und Treffen auf ein Glas Wein beim Italiener an der Ecke. “Hier und Jetzt” – das ist Corona. Wir leben von Tag zu Tag. Im Minutentakt erreichen uns neue Meldungen über Infektionszahlen, Todesfälle, Ausgangssperren.

Leere Straßen: Die Coronakrise sorgt für Stillstand. Foto: Peter Sieben

Leere Straßen: Die Coronakrise sorgt für Stillstand.

Foto: Peter Sieben

In Deutschland sind wir zum Glück noch vergleichsweise gut dran. Und doch: Die letzten drei Generationen von uns haben nie eine vergleichbare Situation erlebt – jedenfalls im Westen der Republik. Leere Supermarktregale, Mindestabstand, Feierverbot? Wir, die wir daran geglaubt hatten, dass alles, was wir wollen, immer verfügbar ist, durchleben einen kollektiven Schock. Wir haben keine Erfahrung mit einer solchen Situation und keine Ahnung, wie das ausgehen könnte. Werden wir noch Jobs haben? Können wir wieder unbeschwert reisen? Wie lange bleibt die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus, die wir uns erstaunlich schnell angewöhnt haben?

Fast postapokalyptisch muteten manche Innenstädte in den letzten Wochen an.

Der Medienhafen in Düsseldorf ist normalerweise voller Menschen.

Foto: Peter Sieben

Die Zukunft ist zum ersten Mal zu 100 % eine tabula rasa für uns. Die Welt wird eine andere sein. Ist sie besser? Schlechter? Wie werden wir nach der Coronakrise leben?

Der Versuch einer Antwort.

Die Rezession kommt – schon bald

Manchmal ist die Zukunft schneller da, als man möchte. Das Coronavirus hat schon jetzt massive Auswirkungen auf die Wirtschaft und das Finanzsystem. Industrieunternehmen wie VW und andere Autobauer legen ihre Werke still, der Dax fiel vorübergehend ins Bodenlose, Unternehmen melden Kurzarbeit an. Und viele Selbstständige sehen ihre berufliche Existenz gefährdet.

Eine wirtschaftliche Auswirkung, die wir schon bald spüren werden, ist eine Rezession. Davon jedenfalls ist Christian Rieck überzeugt. Er ist Professor für Wirtschaftstheorie an der Frankfurt University of Applied Sciences.

Rieck sagt: “Im Moment wollen sehr viele Leute ihr Geld zusammenhalten. Teilweise müssen sie auch sparen, weil sie gar nicht das kaufen können, was sie wollen. Zugleich kann dieses Geld, das gespart werden soll, nicht investiert werden, auch weil nicht produziert werden kann. Da Sparen aber immer als Gegenstück die Investition braucht, sind dies genau die Zutaten für eine Rezession. Diese wird somit kommen, und zwar vermutlich schnell.”

Das Klopapier-Prinzip

Es gebe hier erhebliche selbstverstärkende Effekte. Rieck erklärt es anhand eines Bildes, das wir derzeit wohl besser verstehen als jedes andere: “Das ist das gleiche Prinzip, das wir im Moment bei Toilettenpapier sehen. Wir kaufen mehr, weil nichts da ist, und es ist nichts da, weil wir mehr kaufen.” Es sei wahrscheinlich, dass das System überschießt und in eine Rezession abrutscht.

Das sehen auch die sogenannten Wirtschaftsweisen so. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung prognostiziert: Im besten Fall sinkt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 2,8 %. Im schlechtesten Fall um 5,4 %. Zum Vergleich: Nach der weltweiten Finanzkrise 2009 bracht das BIP um 5 % gegenüber dem Vorjahr ein.

 Corona und Ausgangssperre: Das sagt der Fachanwalt 

Ob nun der Bestfall oder der Worst Case eintrete, hänge davon ab, wie schnell das Virus besiegt werden kann: „Entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung dürfte sein, ob es gelingt, die Ausbreitung des Corona-Virus effektiv zu bekämpfen, sodass die verschiedenen Einschränkungen sozialer und wirtschaftlicher Aktivitäten schnell aufgehoben werden können“, glauben die Wirtschaftsweisen.

Ähnlich sieht das auch Nuno Fernandes von der IESE Business School in Barcelona. Der Professor für Finanzen sagt: Je länger die Krise andauert, desto schwerwiegender sind die Auswirkungen auf die Wirtschaft. Demnach werde das BIP-Wachstum in Deutschland auf fast Minus 6 % sinken, falls die einschränkenden Maßnahmen bis Juni anhalten. Im Bestfall werde das BIP um 3,6 % sinken.

„Eine globale Rezession ist fast unvermeidlich“, so Fernandes.

Der Wissenschaftler prognostiziert: Volkswirtschaften, die stark auf Dienstleistung setzen, werden wirtschaftlich besonders betroffen sein. Das selbe gelte für Länder wie Griechenland, Portugal und Spanien, die sehr vom Tourismus abhängig sind: Mehr als 15 % des BIP stammt in diesen Ländern aus dem Fremdenverkehr. Aber auch Länder, die auf Exporte angewiesen sind, werden überproportional unter der Coronakrise zu leiden haben.

Wirtschaftsentscheider werden stärker auf Resilienz setzen

Wie so oft, kommen Redewendungen aus der Praxis. “Etwas ist auf Kante genäht” ist so ein Beispiel dafür. Schneider wissen, was das eigentlich wörtlich bedeutet: Näht man zwei Stoffteile so knapp aneinander, dass kein Stoff mehr übersteht, hat man keine Reserven mehr. Will man ein Kleidungsstück ändern, weil es ungeplant doch nicht passt, ist kein Stoff zum Auslassen da.

Unser globalisierter Wirtschaftskreislauf ist in vielen Bereichen auch auf Kante genäht. “Wir haben alles als Schönwettermodell optimiert”, sagt Zukunftsforscher Christian Rieck. Produktionen lauten “Just in Time”, alles muss permanent verfügbar sein. “Das bedeutet, dass ganz oft keinerlei Sicherheitsreserven da waren. Daher sind wir im Moment besonders anfällig für eine unvorhergesehene Störung wie dieses Virus”, erklärt Rieck.

Für die Zeit nach Corona wird es einen Lerneffekt geben, glaubt der Wirtschaftstheoretiker: “Ziemlich sicher werden die Entscheider danach wieder stärker auf Resilienz achten.” Sprich: Unternehmen werden ihre Widerstansfähigkeit gegen Störungen und unerwartete Schwierigkeiten stärken, indem sie zum Beispiel Reserven anlegen.

Haben wir uns auf völlig falsche Zahlen gestützt? Intensivmediziner im Interview

Das hat Vor- und Nachteile. Ein Vorteil: Die Unternehmen sind besser aufgestellt, wenn eine vergleichbare Situation noch einmal passiert – “was keineswegs unwahrscheinlich ist”, wie Rieck sagt. Arbeitsplätze sind dann zum Beispiel weniger schnell gefährdet, als bei Unternehmen, die jetzt ohne Reserven dastehen.

Ein Nachteil: “Der Betrieb des Systems ist teurer als in der Vergangenheit, weil mehr Geld in die Resilienz investiert wird.” Das heißt: Viele Produkte könnten in der Welt nach Corona teurer werden. Und wir werden womöglich weniger konsumieren. “Jedenfalls zunächst, denn nach längerer Zeit wird das Resilienzprinzip wahrscheinlich wieder vergessen werden”, glaubt Rieck.

Die Coronakrise als Chance in der Wirtschaft?

So zynisch das gerade jetzt klingt: Im Idealfall können sich aus der Coronakrise auch Chancen für eine nachhaltiger Wirtschaft ergeben.

“Ich erwarte, dass wir erhebliche Produktivitätsgewinne haben werden, weil uns auffällt, wie viele Dinge eigentlich schon lange besser gemacht werden können”, sagt Rieck. “Auch fallen uns jetzt bestimmte bürokratische Hürden auf, die wir endlich mal wieder abbauen können.”

Vermutlich werden wir stärker auf regionale Versorgung setzen, weil wir gelernt haben, dass eine zu starke Abhängigkeit von einzelnen Akteuren fatal sein kann, so Rieck.

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Das Schlagwort dazu lautet Glokalisierung, ein Kofferwort aus Globalisierung und Lokalisierung. Dass das unser System internationaler Wertschöpfungs- und Lieferketten auf tönernen Füßen steht, hatten wir schon geahnt. Durch die Coronakrise ist das nun nochmal besonders deutlich geworden.

Söder ist der Mann der Stunde

Erinnern Sie sich noch an diese merkwürdigen Videos von Markus Söder? Söder mit Hut im Wald, Söder mit Hündchen auf dem Arm, Söder in Badehose, wie er sagt: “Sensationell!”

Peinlich fanden viele die  Social-Media-Bemühungen des CSU-Politikers. Das Bild hat sich gewandelt: In der Coronakrise ist Bayerns Ministerpräsident plötzlich der Mann der Stunde. Bayern ist stark vom Coronavirus betroffen, ein bisschen sind die Maßnahmen im Bundesland auch Blaupause für den Rest der Republik: Bayern war das erste Bundesland mit straffen Ausgangsbeschränkungen, inzwischen gelten ähnliche Vorschriften in der ganzen Republik. Söder, der sicher auch Machtpolitiker ist, darf sich ein Stück weit als Sieger fühlen. Er saß in einer Corona-Pressekonferenz jüngst an der Seite von Angela Merkel. Sein Redebeitrag war sogar länger, als der der Kanzlerin, wie aufmerksame Beobachter feststellten.

Klar ist: Die öffentliche Wahrnehmung von Parteien und einzelner Politiker wird sich durch die Coronakrise zumindest vorübergehend wandeln. Wie Söder gibt sich derzeit auch Finanzminister Olaf Scholz als Macher. Neulich trat der SPD-Mann gar gemeinsam mit dem CSU-Chef auf – ein Novum und ein Symbol: Das fürchterliche Hickhack in der Groko, der ewige Streit ist gefühlt unglaublich weit weg. Man zieht an einem Strang in der Krise, so das Symbol. Söder selbst will nach eigenem Bekunden nicht Kanzler werden, manche Beobachter sehen ihn dennoch als Favoriten, wenn es um die Frage nach einem Unions-Kandidaten geht. Immerhin 27 % der Deutschen halten ihn einer Umfrage zufolge für geeignet. Anders sieht es bei NRW-Ministerpräsident Armin Laschet aus. Ihn wünschen sich nur 8 % der Deutschen als Kanzlerkandidat der Union. Seine Pläne zu einer baldigen Lockerung der Corona-Maßnahmen kommen bei vielen gar nicht gut an. Andererseits: Laschet gibt sich als Unterstützer der angeschlagenen Wirtschaft in NRW. Wenn die akute Coronakrise vorbei ist, kann das ein Vorteil sein – wenn man nur auf Beliebtheitswerte schaut.

Angela Merkel: Geht sie als Corona-Kanzlerin in die Geschichte ein? Foto: panthermedia.net/StScargo (Archiv)

Angela Merkel: Geht sie als Corona-Kanzlerin in die Geschichte ein?

Foto: panthermedia.net/StScargo (Archiv)

Und Angela Merkel wird vielleicht nicht mehr als Flüchtlings-Kanzlerin in die Geschichte eingehen, sondern als Corona-Managerin. Ihre TV-Ansprachen wurden als angemessen ernst und besonnen wahrgenommen, es gab eher wenig Kritik am Kurs der Regierung. Sollte das Schlimmste bis Mai oder Juni überstanden sein, kann die Regierung womöglich gestärkt aus der Krise hervorgehen.

Die Grünen müssen sich nun noch einmal neu sortieren. Der extreme Höhenflug nach der Europawahl scheint vorüber. Um Grünen-Chef Robert Habeck, den manche vor ein paar Monaten schon als potenziellen Kanzler gefeiert hatten, ist es eher ruhig in diesen Tagen. Bei der Sonntagsfrage lag die Partei zuletzt bei 15 %. Im März waren es noch 23. Ihr Kernthema, die Umwelt- und Klimapolitik, spielt akut keine herausragende Rolle. Das dürfte sich nach der Coronakrise aber wieder ändern. Schon jetzt dringen Experten darauf, dass die Bemühungen um den Klimaschutz nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Der Klimawandel ist nicht verschwunden.

Die besten Konferenzsysteme in Zeiten von Corona

Die AfD verliert in der Krise stark. Man könnte meinen: Eigentlich ist jetzt eine gute Zeit für eine populistische Partei, zu deren Kernkompetenzen das Heraufbeschwören von Ängsten gehört. Doch die Partei scheint zu zerfallen. Zuletzt war gar von einer Abspaltung des rechtsextremen “Flügels” die Rede. Was die Zustimmungswerte betrifft, ist die AfD jetzt einstellig geworden: Bei der jüngsten Sonntagsfrage zur Bundestagswahl kam die Partei auf 9 %. Nach der Coronakrise wird die AfD wohl eine deutlich geringere Rolle spielen.

Was kommt nach dem Klatschen?

Noch stehen ein paar von uns pünktlich um 21 Uhr auf dem Balkon und applaudieren – für die Pflegekräfte, die Supermarktmitarbeiter, die Paketzusteller. Eine nett gemeinte Geste. Nur ist „nett gemeint“ manchmal nicht genug.

Wir haben gemerkt: Manche Berufe sind unverzichtbar – aber viele davon werden schlecht bezahlt und genießen kein hohes Ansehen. In einer Studie des des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hieß es dazu jüngst: „Zusammen betrachtet weisen die systemrelevanten Berufsgruppen ein um rund fünf Punkte geringeres Prestige auf als der Gesamtdurchschnitt aller Berufe.“

Immerhin: In der Corona-Krise soll es Bonuszahlungen etwa für Pflegekräfte geben: Eine Maximalsumme von 1.500 Euro, die steuer- und sozialabgabenfrei sein soll.

Nur ist so eine Einmalzahlung keine Lohnerhöhung. Die Arbeit der Krankenschwester und des Altenpflegers wird auch nach der Krise wichtig sein. Wir müssen uns fragen: Was ist uns das wert? Auch im ganz eigenen Interesse: Denn wir wollen auch für uns ein funktionierendes Gesundheitssystem und volle Supermarktregale.

Das heißt: Falls wir wirklich wollen, dass die systemrelevanten Berufsgruppen gerechter entlohnt werden, müssen wird das finanzieren. Die Beiträge in der Pflegeversicherung werden dann steigen und womöglich auch die Lebensmittelpreise.

Und dann ist da noch die Systemfrage: In Deutschland haben reihenweise Kliniken dauerhaft Geldprobleme. Mehr als 30 % der rund 2.000 Krankenhäuser sind in privater Hand – viele der Häuser stehen unter dem Druck, profitabel sein zu müssen.

Das hatte in der Coronakrise zu bemerkenswerten Situationen geführt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte alle Kliniken aufgefordert, planbare Leistungen zu verschieben, um Betten für mögliche Covid-19-Patienten freizumachen.

Corona: Kultur online erleben in Zeiten von Kontaktverbot

Einige private Träger sind dieser Bitte nicht gleich nachgekommen. Kritiker sagen: weil sie Angst vor finanziellen Ausfällen hatten.

Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), hatte die Träger scharf kritisiert: „Nach dem Aufruf haben private Krankenhausträger elektive Eingriffe sogar weiter nach oben geschraubt“, sagte Janssens, wie unter anderem das Ärzteblatt berichtet.

„Krankenhäuser sind Teil der Daseinsvorsorge, gerade jetzt in der Krise“, so Janssens.

Nach der Coronakrise müsse man sich die Geschäftsmodelle privater Träger genauer ansehen.

Die Zukunft ist nur ein paar Stunden entfernt

Aktuell fällt es schwer sich auszumalen, wo man den Sommerurlaub verbringt. Italien, Spanien, Österreich: Eher nicht, oder? Man weiß, dass man nichts weiß. Die Zukunft ist ungewiss; Pläne reichen nur für die nächsten Stunden. Um soziale Kontakte nicht abreißen zu lassen, dienen Videoanrufe über Skype. Die lieb gewonnene Freizeit ist stark eingeschränkt. Rausgehen und das Vogelgezwitscher hören geht noch.

Aber kann genau das nicht etwas Schönes sein? Im Alltagsstress nehmen viele Menschen ihre Umwelt gar nicht mehr bewusst wahr. Zwischen Bahn-Hopping und Terminkalender Erinnerungen haben wir es verlernt, bewusst hinzuhören. Kinder spielen vor der Playstation und chatten sowieso pausenlos mit den Klassenkameraden über WhatsApp. Die sogenannte Generation Y, also die heute 30- bis 40-Jährigen, haben hoffentlich auch noch den ganzen Tag draußen verbracht als sie Kinder waren. Buddeln, Toben und Baumhäuser bauen: Das bedeutet für viele Kindheit. Zugegeben, mit Mitte 30 baut man nach Feierabend keine Sandburgen mehr, aber die aufgezwungene Entschleunigung tut auf kuriose Weise auch gut. In den Himmel schauen, spazieren gehen und auf die Natur hören  – der die Menschheit in den letzten Jahrzehnten nicht oft genug Gehör geschenkt hat.

Coronakrise als Chance für unsere Umwelt

Ist die Coronakrise also auch eine Chance für unsere Umwelt und für unseren Umgang mit unserer Freizeit? Fakt ist: Leere Straßen, geparkte Flugzeuge, weniger Autos auf den Straßen haben den Ausstoß von Schadstoffen schlagartig reduziert. Wer hätte das vor einigen Monaten gedacht, als wir über den “Green Deal” der Bundesregierung, Fridays for Future und die Brände in Australien berichtet haben? Löst eine Krise die andere ab?

Weniger Emissionen wegen der Coronakrise? Foto: panthermedia.net/kodda

Weniger Emissionen wegen der Coronakrise?

Foto: panthermedia.net/kodda

Die US-Raumfahrtbehörde Nasa zeigte, was der Stopp von Fabriken und Autos mit der Luft bewirken kann. Satellitenbilder aus China offenbaren, dass sich der Rückgang des Ausstoßes von Stickstoffdioxid von der Metropole Wuhan über weitere Regionen des Landes positiv ausbreitet. Doch nicht nur dort gibt es auf einmal wieder klaren Himmel zu sehen. Der Smog in Rom ist ebenfalls verschwunden. Die Europäische Raumfahrtagentur Esa meldete für Norditalien Rückgänge des Gases NO2, das bei der Verbrennung fossiler Stoffe wie Kohle und Öl etwa im Verkehr und bei der Produktion entsteht. Da denkt man sich doch: “Wie schön ist das denn?” Wäre da nicht die Krankheit, die unsere komplette Welt fest im Griff hat.

Deutlicher Rückgang des No2-Ausstoßes. Foto: Nasa Earth Observatory

Deutlicher Rückgang des No2-Ausstoßes.

Foto: Nasa Earth Observatory

Atmosphärenforscher bestätigt weniger Emissionen

Dass die Coronakrise der Umwelt gut tut, bestätigt auch Thomas Karl, Atmosphärenforscher aus Innsbruck. “Ja das stimmt so – bei den von Ihnen zitierten Berichten handelt es sich im Wesentlichen um NO2, das von Verkehr stark beeinflusst ist. Da die meisten Luftschadstoffe eine relativ kurze Lebenszeit in der Atmosphäre haben, sinken sie relativ rasch wenn ihre Emissionen zurückgehen.” Das heißt aber im Umkehrschluss, dass sie nach der Krise wieder schnell zunehmen können, denn der weitere Verlauf von NO2 hängt in erster Linie vom Verkehr ab, so Karl.

Das Innsbruck Atmospheric Observatory, kurz IAO, an der Universität Innsbruck, untersucht die Auswirkungen der Massenquarantäne hinsichtlich der Luftqualität der Stadt.

“Solange die Emissionen reduziert bleiben, wird auch die Belastung in der Luft besser bleiben,” so der Atmosphärenforscher.

Für die weitere Entwicklung der Luftqualität sieht er mehrere Faktoren als maßgebend: “Es ist davon auszugehen, dass die weitere Entwicklung vom Wirtschaftswachstum abhängt und da wird von einer Rezession ausgegangen. Ein weiterer Faktor, der eine Rolle spielen könnte, ist inwiefern Umweltstandards außer Kraft gesetzt werden, um die industrielle Produktion und Wirtschaft nach der Covid-Krise wieder anzukurbeln.”

Schöne neue Umwelt: Nach der Krise ist vor der Krise

Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes, zerstört diese Zuversicht schnell: “Nach der Krise sind diese Emissionen wieder da.” Im Hinblick auf weniger Reisen in Deutschland spricht Messner von einem “Einmaleffekt” bei Treibhausgasen. Ein weiterer Experte aus dem Umweltbundesamt schlägt in dieselbe Kerbe: “Und wenn man sich die Wirtschaftskrisen ansieht, dann kam es nach den Einbrüchen mit niedrigen Emissionen danach zu einem noch stärkeren Anziehen der Konjunktur und höheren Emissionen.“ Der jetzt nicht umsetzbare Konsum würde nachgeholt. Das heißt also, nach der Coronakrise kehren wir zurück zur Umweltkrise. Ein Teufelskreis.

Doch was wäre, wenn wir uns alle zusammenreißen? Die Botschaft der Welt an uns erkennen und den Schalter nicht wieder auf Vollgas setzen, sondern es hier und da auch mal langsamer angehen lassen. Muss es der Flug nach München zum Oktoberfest sein, welches übrigens ebenfalls 2020 auf der Kippe steht? Oder reicht auch der lokale Biergarten? Brauche ich den dicken Verbrenner wirklich oder sollte ich nicht lieber auf Elektromobilität setzen? Fragen, die sich in und nach der Coronakrise jeder einmal stellen sollte.

Ob die Luft in Deutschland und der Welt durch die Auswirkungen der Coronakrise wirklich besser werden, kann kaum vorhergesagt werden. Ute Dauert, Fachgebietsleiterin beim Umweltbundesamt, mahnt zur Vorsicht: “Man kann sich das erst später angucken, wenn alle Daten wirklich vorliegen“, betont sie. „Abgerechnet wird zum Jahresende.“

Die Welt kann gestärkt aus der Krise hervorgehen

Wünschenswert wäre, wenn die Welt gestärkt aus dieser Krise hervorgeht. Zusammenhalt und Rücksichtnahme wieder groß geschrieben werden und der Einsatz der neu entwickelten technischen Produkte auch über die Krise hinaus genutzt werden. 43.000 Hobby-Hacker haben sich zum Beispiel am Hackathon der Bundesregierung beteiligt. Innovative Lösungen im Team zu erarbeiten: Das macht doch den Arbeitsalltag aus, oder nicht?

Nicht zu vergessen, der Hype auf Elemente aus dem 3D-Drucker. Eine belgische Firma bietet zum Beispiel ein 3D-Druck-Modell an, das gegen die Ausbreitung des Coronavirus helfen soll. Die Idee: Auf Türklinken kann das Virus unter Umständen lange aktiv sein. Der belgische 3D-Druck-Experte Materialise hat nun zumindest für das Klinkenproblem eine kurzfristige Lösung gefunden. Materialise hat einen speziellen Aufsatz für Türgriffe konstruiert, der sich via 3D-Druck anfertigen lässt und der es ermöglicht, Türen nur mit dem Unterarm zu öffnen und zu schließen.

Ähnlich engagiert zeigt sich der Jung-Unternehmer Jan-Lukas Waibel aus Neuss. Mit seinem “Porz-Hook” bietet er kostenfrei einen Türöffner aus dem 3D-Drucker an. Mittlerweile ist sogar die Lebensmittelkette Edeka auf die praktische Erfindung aufmerksam geworden. Vor manchen Filialen kann ein Porz-Hook mitgenommen werden, mit dem sich auch Displays, zum Beispiel am Bahnschalter, bedienen lassen. So vermeiden Nutzer den Kontakt von Flächen mit den Händen.

Ideen der Ingenieure kommen genau zur richtigen Zeit

Die technischen Ideen von Ingenieuren, neue Denkansätze von Wirtschaftstheoretikern, Ärzten, Politologen und anderen Wissenschaftlern kommen zu dieser Zeit genau richtig, denn wer soll besser Innovationen schaffen als diese Berufsgruppen. Dazu ruft auch Waibel auf: “Ingenieure sollten jetzt neue Möglichkeiten bedenken und auch mal unkonventionelle Wege gehen.”

So sieht er aus, der „Porz-Hook“: Das kleine Werkzeug aus dem 3D-Drucker soll helfen, die Ausbreitung von Corona einzudämmen. Foto: Jan Lukas Waibel

So sieht er aus, der „Porz-Hook“: Das kleine Werkzeug aus dem 3D-Drucker soll helfen, die Ausbreitung von Corona einzudämmen.

Foto: Jan Lukas Waibel

Neben der 3D-Technologie spielt künstliche Intelligenz (KI) in der Coronakrise eine wichtige Rolle. So mancher hat Algorithmen, die alles über einen zu wissen scheinen, verflucht – doch im Kampf gegen das Coronavirus kann KI zu einem Lebensretter werden. Das Uniklinikum in Jena setzt als erstes deutsches Klinikum auf den Einsatz von Machine Learning bei CT-Bildern. Um eine klassische Lungenentzündung von einer Erkrankung mit Covid-19 zu unterscheiden, dient die KI bei der Computertomographie. Ein wertvoller Meilenstein in der Medizintechnik – und nun scheint es ein glücklicher Vorteil, dass die Welt schon länger an smarten Techniken forscht, die dem Menschen selbstlernend helfen kann. Viele sehen jetzt, dass künstliche Intelligenz manchmal auch nützlich sein kann. Doch das reicht nicht: Die Entwicklungen sollten zum Anlass genommen werden, klare Regeln zum Gebrauch der KI zu schaffen. Wann wollen wir sie einsetzen, wann nützt sie dem Menschen und wann nicht.

Wie sieht die nächste Phase aus?

Vielleicht gehen wir gestärkt aus der Krise hervor und lernen vor allem flexibler mit Extremsituationen umzugehen. Die Wirtschaft wird wieder wachsen, aber wohl langsamer. So manches Unternehmen wird sich nach der Coronakrise die Sinnfrage stellen. Braucht es Produkte mit größtmöglicher Gewinnmarge oder sehnen sich die Menschen eher nach ökologisch und sozial verträglichen Gütern? Die Nachfrage könnte sich ändern – und damit auch das Angebot.

Doch vorab stellt sich die Frage: Was kommt nach der Isolation? Wenn es uns durch das Verbot sozialer Kontakte gelingt, die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen und die Lage zu kontrollieren, beginnt eine neue Ära. Doch jedes Land wird damit wohl anders umgehen. Werden Restaurants, Cafés, Bars und Kinos nach und nach öffnen oder feiern in manchen Ländern die Menschen schon Straßenfeste? Ein mögliches Szenario ist der Überwachungsstaat – so wie es in China abläuft. Verfolgen uns Kameras, die automatisch unsere Temperatur messen und Fieberfälle direkt rausziehen? Technisch ist das sicher alles möglich, doch ethisch?

Und wie schaffen wir als Gesellschaft den Exit aus dem Exit ohne Kollateralschäden, die tiefgreifend sein können? Unsere Grundrechte sind empfindlich beschnitten worden, plötzlich fühlten wir uns wochenlang ein wenig als unmündige Bürger, deren Schritte von Polizei und Staat kontrolliert werden. Ein notwendiges Übel, denn es ging um die Gesundheit von allen. Doch jetzt muss das deutliche Signal kommen: Das war eine einmalige Ausnahme. Jetzt ist die Chance, zu erkennen – und noch einmal zu formulieren – wie wichtig Freiheit und Selbstbestimmung für uns ist.

Bis es einen Impfstoff gibt, wird sich die Welt anders anfühlen – und danach wohl auch.

Ein Beitrag von:

  • Peter Sieben

    Peter Sieben schreibt über Forschung, Politik und Karrierethemen. Nach einem Volontariat bei der Funke Mediengruppe war er mehrere Jahre als Redakteur und Politik-Reporter in verschiedenen Ressorts von Tageszeitungen und Online-Medien unterwegs.

  • Sarah Janczura

    Sarah Janczura

    Sarah Janczura schreibt zu den Themen Technik, Forschung und Karriere. Nach einem Volontariat mit dem Schwerpunkt Social Media war sie als Online-Redakteurin in einer Digitalagentur unterwegs. Aktuell arbeitet sie als Referentin für Presse und Kommunikation beim VDI e.V.

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