Nach Corona 10.06.2022, 07:00 Uhr

Affenpocken: Wer sich jetzt impfen lassen sollte

Kaum gehen die Corona-Inzidenzen zurück, häufen sich Berichte über Infektionen mit dem Affenpockenvirus. Ein Blick auf die Lage, auf Besonderheiten des Virus – und auf Möglichkeiten der modernen Medizin.

Affenpocken

Affenpocken, elektronenmikroskopische Aufnahme.

Foto: CDC/Cynthia S. Goldsmith

In Deutschland haben sich laut Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, 113 Menschen mit dem Affenpockenvirus infiziert, Stand 8. Juni 2022. Bislang kam es in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt zu Erkrankungen. „Weitere Fälle sind in Deutschland zu erwarten“, schreibt das RKI. Und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Meldungen zu 1.226 Fällen erhalten. Um die Lage zu bewerten, sind einige Details von Bedeutung.

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Was sind die Affenpocken?

Affenpocken entstehen durch eine Infektion mit dem Affenpockenvirus, einem Virus au der Gattung der Orthopoxviren. Weitere Vertreter sind die echten Pocken, aber auch die Kuhpocken. Wichtig zu wissen: Es handelt sich um DNA-Viren, nicht wie bei SARS-CoV-2 um RNA-Viren. Liegt das Erbgut in Form von DNA vor, ist die Gefahr, dass Mutationen auftreten, wesentlich geringer.

Virologen haben Affenpocken erstmals im Jahr 1958 beschrieben. Damals kam es bei Affen, die als Versuchstiere gehalten worden sind, zu Erkrankungen. Typisch waren Hautveränderungen. Im Zuge weltweiter Bemühungen, die echten Pocken zu eliminieren, entdeckten Ärztinnen und Ärzte bei Untersuchungen 1970 die erste Infektion bei einem Menschen, und zwar in der Demokratischen Republik Kongo. In den folgenden Jahren kam es mehrmals zu Ausbrüchen in afrikanischen Ländern.

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Wie werden Affenpocken übertragen?  

Aktuell gehen Forschende davon aus, dass es initial eine Übertragung vom Tier auf den Menschen gekommen ist, etwa durch nicht richtig durchgegartes Fleisch von wild lebenden Tieren oder durch Verletzungen während der Jagd.

In Europa spielen Mensch-zu-Mensch-Übertragungen die wichtigste Rolle. Laut RKI sind hier vor allem Kontakte mit Körperflüssigkeiten oder mit typischen Hautveränderungen von Bedeutung. Selbst außerhalb des Körpers sind die Viren noch eine gewisse Zeit lang biologisch aktiv. Ob Affenpocken auch durch Sperma oder Vaginalsekret übertragen werden, ist derzeit unklar. Übertragungen durch feine Tröpfchen sind möglich, scheinen aber nicht die Rolle zu spielen wie bei Covid-19, weil sie wohl nicht über größere Entfernungen möglich sind. Infizierte können zwei bis vier Wochen lang gesunde Menschen anstecken.

Welche Beschwerden verursachen Infektionen mit dem Affenpockenvirius?  

Fünf bis 21 Tage nach dem Kontakt mit Viren zeigen sich die ersten Symptome, meist Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen und geschwollene Lymphknoten. Solche Beschwerden sind recht unspezifisch; sie treten auch bei grippalen Infekten auf. Einige Tage später entwickeln sich die typischen Hautveränderungen. Sie durchlaufen unterschiedliche Stadien vom Fleck über Knötchen, Bläschen bis hin zu Eiterbläschen. Danach fallen sie ab, wobei das Hautmaterial noch infektiös sein kann.

Aussagen zur Sterblichkeit sind derzeit kaum möglich. Die WHO gibt für frühere Fälle aus afrikanischen Ländern drei bis sechs Prozent als Mortalität an, bei Kindern unter 16 Jahren sogar bis zu elf Prozent. Die Werte sind aus zwei Gründen nicht auf die aktuelle Situation übertragbar. In Europa und Nordamerika steht Erkrankten eine deutlich bessere medizinische Versorgung zur Verfügung. Außerdem zirkuliert derzeit eine mildere, westafrikanische Variante als bei den ersten Ausbrüchen.

Gibt es Möglichkeiten, die Erkrankung zu behandeln? 

Ärztinnen und Ärzte therapieren Infektionen mit dem Affenpockenvirus nur symptomatisch. Das heißt, sie raten etwa bei Fieber und Schmerzen zu einem Schmerzmittel. Außerdem hat die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) im Januar 2022 Tecovirimat zugelassen. Das Medikament kann gegen Pocken, Affenpocken oder Kuhpocken eingesetzt werden. Es eignet sich etwa bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem, um das Risiko schwerer Folgeerkrankungen zu verringern.

Kann man sich gegen die Pocken impfen lassen? 

Eine gute Handhygiene, wie sie in Corona-Zeiten üblich ist, verringert auch das Risiko einer Infektion mit Affenpocken. Und Impfungen gegen echte Pocken schützen auch vor Affenpocken. Die Wirksamkeit soll bei mindestens 85% liegen. Impfprogramme wurden jedoch ab Anfang der 1980er-Jahre eingestellt. Jüngere Menschen haben also in der Regel keinen Impfschutz. Ende Mai gab die Bundesregierung bekannt, 40.000 Impfdosen des des deutsch-dänischen Herstellers Bavarian Nordic bestellt zu haben – primär für Personen mit erhöhtem Risiko aufgrund eines geschwächten Immunsystems. Weitere 200.000 Dosen sollen folgen.

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt nun gefährdeten Gruppen, sich gegen Affenpocken impfen zu lassen. Dazu gehören Menschen ab 18 Jahren, die engen Körperkontakt zu Infizierten hatten, Labormitarbeiter und -mitarbeiterinnen , die ohne Schutzausrüstung mit Proben von Infizierten Kontakt hatten sowie homosexuelle Männer mit wechselnden Partnern. Grund für die letzte Empfehlung laut STIKO: Die bislang beobachteten etwa 130 Affenpockenfälle in Deutschland seien ausschließlich bei homosexuellen Männern aufgetreten. Deshalb solle diese Gruppe nun besonders geschützt werden. Aber: Grundsätzlich ist das Übertragungsrisiko für Heterosexuelle, die Sex mit Infizierten haben, genauso groß.

Droht uns eine Affenpocken-Pandemie?

Expertinnen und Experten sehen in der aktuellen Lage eine Epidemie, sprich ein zeitlich und örtlich begrenztes stärkeres Auftreten von Infektionen. Zur Pandemie, also zum räumlich unbegrenzten Infektionsgeschehen, wird es aus mehreren Gründen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht kommen. Es gibt schon jetzt Impfstoffe und Therapien. Außerdem gelingt es bei der deutlich langsameren Krankheitsdynamit, Infektionen nachzuverfolgen.

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Ein Beitrag von:

  • Michael van den Heuvel

    Michael van den Heuvel hat Chemie studiert. Unter anderem arbeitet er für Medscape, DocCheck, für die Universität München und für pharmazeutische Fachmagazine. Seit 2017 ist er selbstständiger Journalist und Gesellschafter von Content Qualitäten. Seine Themen: Chemie/physikalische Chemie, Energie, Umwelt, KI, Medizin/Medizintechnik.

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